07.04.2016

Affäre Hildebrand

«Es stellen sich aber auch Fragen zum Verhalten des Journalisten»

Urs Paul Engeler wirft den Journalistenverbänden vor, sie würden bei der «Affäre Hildebrand» die Fragen des Quellenschutzes ignorieren, weil «Weltwoche»-Journalisten im Visier der Justiz waren. Nun wehren sich die Mediengewerkschaften.
Affäre Hildebrand: «Es stellen sich aber auch Fragen zum Verhalten des Journalisten»
von Matthias Ackeret

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Pete Mijnssen, Präsident SFJ/AJS

Im besagten Fall, der zurzeit gerichtlich beurteilt wird, steht Aussage gegen Aussage. Es macht also wenig Sinn, wenn die Verbände nun vorsorglich aufheulen. Das hat Engeler (zu seinem Recht) getan und es ist richtig, dass dies nun gerichtlich geklärt wird. Ob dies aufgrund eines älteren Urteils von 2013 gar nicht soweit hätte kommen dürfen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zu dieser doch eher komplexen Sachlage im Fall Hildebrand haben aber auch gerade Engelers Chef, Roger Köppel und Christoph Blocher beigetragen. Es tut mir leid, dass Engeler hier zu einem weiteren Kollateralschaden für undurchsichtige Macht- und Politspiele zweier SVP-Alphatiere verkommt. Aber er war sich dieser Sachlage wohl von Anfang an auch bewusst – er ist ja kein Greenhorn.

Es ist nach der gerichtlichen Beurteilung Sache der Verbände zu reagieren, in einem laufenden Verfahren braucht es keine Claqueure. Schön wäre es, wenn die Verbände die Mittel dazu hätten, «einen Staranwalt» für Engeler aufzubieten, wie in einem Kommentar gefordert. Jede Person in Kenntnis des Zustands unserer Medienlandschaft, weiss, dass dies völlig utopisch ist. Und hier liegt auch das gefährliche an solchen Entwicklungen, wie sie Engeler anprangert: die Medienlandschaft liegt vielerorts am Boden und ist mit sich selber beschäftigt, dass sich staatliche Stellen so aufführen können. Da hat Engeler recht und für seine Courage ist ihm von allen Medienschaffenden zu danken.


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Stephan Ruppen, Zentralsekretär des SSM

Der Quellenschutz ist ein hohes Gut, gilt für das SSM weiterhin und aus einem Bundesgerichtsentscheid wissen wir, dass die Überwachung von Medienleuten illegal ist. Die Situation um die Telefonate des Journalisten Urs Paul Engeler ist zumindest so heikel, dass eine genaue Abklärung über eine Klage sinnvoll ist. Wäre Herr Engeler beim SSM Mitglied, würden wir Rechtsschutz gewähren. Wir empfehlen Herr Engeler auch beim Presserat zu klagen – auch wenn die «Weltwoche» den Presserat ja in anderen Fragen kaum achtet. Nach einer ersten Einschätzung scheint die Staatsanwaltschaft nicht einen Journalisten abgehört zu haben, sondern auch die Gespräche des Überwachten mit einem Journalisten als «Kommunikationspartner» mitgeschnitten zu haben. Um ein direktes Abhören eines Journalisten scheint es in diesem Fall aber offenbar nicht zu gehen.

Interessant und von Engeler unerwähnt ist die Tatsache, dass die Gespräche zwischen Blocher und Engeler vom Gericht mit Hinweis auf den Quellenschutz nicht ausgewertet worden sind (Blocher hatte dies so verlangt). Die andere abgehörte Person stimmte der Auswertung der Telefonüberwachung jedoch zu. Es geht wesentlich auch um die Auswertung der Telefonprotokolle. Zumindest hätten die Aussagen des Journalisten (er war ja nicht Gegenstand der Untersuchung) in diesen Telefonaten von der Staatsanwaltschaft nicht verwendet werden dürfen.

Über den Fall hinaus gesehen stellt sich aber die schwierige Frage, in welchen Fällen eine Untersuchungsbehörde gegenüber Nicht-Journalisten überwachen darf, wenn diese auch mit Journalisten Kontakte pflegen. Ob dieser Fall, bei welchem nicht der Journalist Engeler angeklagt war, an sich bereits einen gesetzlich geschützten Grund für Abhöraktionen hat, gilt es hier nicht zu beurteilen. Zweifel sind angebracht.

Es stellen sich aber auch Fragen zum Verhalten des Journalisten Engeler: Offenbar scheint er damals nicht nur bei Quellen recherchiert, sondern diesen Quellen auch Vorschläge für deren Handeln gemacht zu haben. Und Engeler ist ein Teil eines ganzen Absprachenetzes der Herren Blocher-Köppel-Lei. Wird damit der Journalist zum politischen Akteur? Da stellen sich ebenfalls berufsethische Fragen. Und jetzt aktuell hat Engeler mit seiner Klage auch Drittpersonen im Visier, «welche die Inhalte meiner Kommunikation einer Zeitung zugetragen haben.» Das ist ein schlechter Witz: Ausgerechnet Engeler, der mit zugetragenen geheimen Dokumenten gearbeitet hatte, will jetzt auf Informanten losgehen. Wie war das denn mit dem Quellenschutz? Und Hand aufs Herz Herr Engeler: Hätten Sie solche unbestritten interessante Daten zu einem Telefonverkehr zwischen einem Politiker und einem Journalisten (vielleicht mit umgekehrten politischen Vorzeichen) erhalten – hätten Sie diese nicht genutz?


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Nina Scheu, Mediensprecherin Syndicom

Bei Syndicom setzen wir uns konsequent für bessere Rahmenbedingungen in der journalistischen Arbeit ein. Die Medienqualität und die Medienfreiheit gehören dazu, aber auch kollektiv gesicherte Arbeitsbedingungen (Gesamtarbeitsvertrag) und individueller Rechtsschutz. Der Quellenschutz ist häufiges Thema unserer Vorstösse - beim Bund (Vernehmlassungen, Emek, Kommissionen…) bei Veranstaltungen, in unserer Zeitung, auf Web oder Social Media. Beim Referendum gegen das revidierte Nachrichtendienstgesetz engagiert sich Syndicom explizit für den Quellenschutz der Journalistinnen und Journalisten. Auf der individuellen Ebene unterstützen wir betroffene Medienschaffende, die sich an uns wenden, und geben ihnen juristische Unterstützung. Das gilt allerdings nur für unsere Mitglieder.


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Urs Thalmann, Geschäftsführer Impressum

Impressum setzt sich intensiv für den Schutz der journalistischen Quellen ein, und zwar auf diversen Ebenen. Erstens schützen wir unsere Mitglieder rigoros, wenn ihr Recht auf Quellenschutz verletzt wird – dafür haben wir einen schlagkräftigen Rechtschutz. Zweitens nehmen wir aktiv Einfluss auf die Gesetzgebung, ebenso wie auf die Behörden, die Gesetze auslegen: Ausnahmen zum Quellenschutz darf es nur unter strengen Voraussetzungen und im Kontext schwerster Verbrechen geben. Um unsere Aktivitäten für den Quellenschutz und die Medienfreiheit überhaupt intensiv weiterführen zu können, ist Impressum staatsfern, unabhängig und nur durch die Mitgliederbeiträge finanziert. Für die nötigen Ressourcen ist es notwendig, dass möglichst alle Journalistinnen und Journalisten Mitglied bei einem der massgeblichen Verbände sind. Sollte sich im Fall Engeler herausstellen, dass seine Vorwürfe der Telefonabhörung zutreffen, erwartet Impressum, dass für die Verantwortlichen die Konsequenzen gezogen werden. Impressum verfolgt die weitere juristische Klärung des Falls aufmerksam.

Bilder: zVg., Keystone



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