11.11.2017

No Billag

Hat die Initiative tatsächlich eine Chance?

Der 4. März 2018 wird für die SRG zu einem Schicksalstag. Was meinen Medienexperten zu «No Billag»? Eine «persönlich»-Umfrage unter Journalisten und Chefredaktoren.
von Matthias Ackeret

Rainer Stadler, Medienredaktor «Neue Zürcher Zeitung»

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«Wenn man sich an reine Grundsätze hält, ist eine allgemeine Haushaltsabgabe für Radio und Fernsehen ein Unding. Zieht man die realwirtschaftliche Konstellation im Mediensektor in Betracht, ist unübersehbar, dass audiovisuelle Angebote auf dem kleinen Schweizer Markt nicht ausreichend finanzierbar sind. Darum ein Nein zu «No Billag». Allerdings wird man mittelfristig eine andere Art von Medienunterstützung einführen müssen. Das jetzige Modell verliert mit der digitalen Revolution den gesellschaftlichen Rückhalt.»




Patrik Müller, Chefredaktor «Schweiz am Wochenende» und «az Nordwestschweiz»

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«Eine gänzliche Abschaffung der Radio- und TV-Gebühren ist zu radikal und im Volk kaum mehrheitsfähig, zumal die SRG ein brillantes Lobbying betreibt. Besser und chancenreicher wäre eine Initiative für eine Gebührenhalbierung auf 200 Franken gewesen. Mit weniger Gebühreneinnahmen wäre die SRG gezwungen, sich auf ihren Kernauftrag zurückzubesinnen. Die SRG ist heute zu gross, während die privaten Medienhäuser wegen sinkender Werbeeinnahmen haben abbauen müssen. Das führt zu einem fragwürdigen Ungleichgewicht zwischen dem öffentlich-rechtlichen und den privaten Unternehmen.»




Kurt Zimmermann, Medienkolumnist «Weltwoche» und Chefredaktor «Schweizer Journalist»

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«Ich bemerke bei mir einen seltsamen Wandel: Bisher war ich für ein Nein, nun spiele ich zunehmend mit dem Gedanken an ein Ja – denn ich habe einen schwefligen Geruch in der Nase. Diese No-Billag-Debatte erinnert mich stark an vergangene Armee-Abstimmungen. Hinter die SRG, wie früher beim Militär, stellt sich nun eine ganze Front von Lobbys, die ein nationales Interesse vorgeben, in Wirklichkeit aber eher an die eigene Tasche denken. Viele dieser SRG-Lobbyisten sind Subventionenjäger, Privilegienjäger, Pöstchenjäger. Sie prophezeien eine eidgenössische Verelendung, müsste sich die SRG, so wie die Swisscom, ohne Staatsgelder finanzieren. Die SRG wird rund um «No Billag» immer stärker zum nationalistischen Projekt hochgestemmt. Die Schweizer aber haben einen gesunden Reflex gegen ideologisches Strammstehen im sogenannten nationalen Interesse. Das hat die Armee erlebt, das wird die SRG erleben. Ich glaube darum, die No-Billag-Initiative wird bemerkenswert gut abschneiden. Ich tippe auf 47 Prozent Ja.»




Christian Dorer, Chefredaktor «Blick»

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 «Ich bin klar gegen die No-Billag-Initiative, weil die SRG bei einem Ja nicht überlebensfähig wäre. Ein starker Service public ist für das Land wichtig. Die SRG leistet gute Arbeit und produziert hervorragende Sendungen, die es ohne Gebühren nicht gäbe. Allerings ist einiges aus dem Ruder gelaufen, und die SRG ist zu gross geworden. Sie sollte die Initiative zum Anlass nehmen, den Service public auf seinen Ursprung zurückzuführen: Mit staatlich verordneten Gebühren soll ein Programm produziert werden, das ein Gewinn ist fürs Land und sich nicht in der freien Wirtschaft finanzieren lässt. In normalen Zeiten hätte «No Billag» keine Chance – jedoch leben wir in Zeiten, in denen ständig das Unmögliche passiert. Die 50,08 Prozent Ja zum wenig bestrittenen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) 2015 waren ein Schuss vor den Bug. Man muss die Initiative ernst nehmen!»



Die ganze Umfrage mit weiteren Statements von Medienexperten lesen Sie in der aktuellen «persönlich»-Ausgabe.



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Kommentare

  • Dieter Strub, 13.11.2017 09:13 Uhr
    @Bietenholz: Bei der Initiative geht es aber nicht um die Art, wie das Geld zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eingezogen wird. D.h. bei Annahme der Initiative wird kein Rappen von den Steuern für das Fernsehen aufgewendet. Das wird gemäss Initiativtext sogar verboten. Ob man den Betrag nun per Steuern oder per Billag-Gebühren bezahlt, ist eine ganz andere Diskussion. Bei dieser Initiative geht es einzig und allein darum, ob Fernsehsender (öffentlich-rechtliche und private) in der Schweiz vom Bund unterstützt werden dürfen. Nicht mehr und nicht weniger.
  • Dieter Widmer, 13.11.2017 08:45 Uhr
    Ich bin dezidiert für ein Nein zu No-Billag. Es ist ein Unding, wenn Natalie Rickli fordert, die SRG dürfe nur Angebote liefern, für die es keinen Markt gebe. In der Praxis geht das gar nicht. Sonst bleibt eigentlich nur noch das Wort zum Sonntag übrig. Ich bin gegen No-Billag, weil ich national gesicherte Radio-und TV-Angebote will. Für Information, Politik, Sport, Kultur, Filme und Wirtschaft möchte ich nicht von privaten Verlagen abhängig sein, die, wie Figura zeigt, Budgets und Stellen von Redaktionen zusammenstreichen, weil sie möglichst viele Dividenden an ihre Aktionäre auszahlen wollen. Informationen sind mir zu wertvoll, um von zwei, drei privaten Investoren abhängig zu sein. Peter Bietenholzes Text (siehe Kommentar oben) zeichnet sich jetzt nicht gerade durch grosse Logik aus.
  • Christoph Glauser, 13.11.2017 08:04 Uhr
    Als Medienwissenschaftler ist mir völlig klar, dass ohne SRG die Medieninformationen in der Schweiz an Qualität massiv einbüssen würden. Man sieht es bei den vielen rein kommerziell ausgerichteten "Kurzfutter" Anbietern. Da kommen immer mehr nur noch platte Agenturmeldungen oder Skandalgeschichten mit Werbung. Die Initiative ist deshalb besonders unglücklich, weil sie bei vielen Bürgerinnen und Bürgern ausschliesslich über's Portemonnaie entschieden werden könnte und für populistische Nachrichten ist "Kurzfutter" ja sowieso besser. Da muss man nicht viel nachdenken. Andererseits haben es die Befürworter eines starken öffentlich rechtlichen Medienprogrammes derzeit schwer, ihren auf Vernunft basierenden Argumenten das nötige Gehör zu verschaffen. Vermutlich wird die Sache sehr knapp, respektive der Entscheid für mehr Geld im Portemonnaie, könnte leider am Ende sogar überwiegen. Da müsste das Parlament nachher wohl mit einem Mehrwertsteuer Prozent nachhelfen - das wäre ohnehin die fairste Steuer für ein ausgewogenes Medienprogramm, denn da zahlen immer alle ein bisschen mit.
  • Andreas Kleeb, 11.11.2017 09:10 Uhr
    Warum spricht der Blick / Ringier nie darüber, dass sie in der Admeira-Zusammenarbeit mit SRG auch direkt von den Zwangsgebühren profitieren? So wird auch deren Standpunkt klar. Darum am 4.3.18 ein "JA zu Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühr"
  • Peter Bietenholz, 11.11.2017 03:25 Uhr
    Ich bin grundsätzlich schon für ein staatlich finanziertes Fernsehen, aber für irgendwas zahlen wir ja bereits Steuern, oder? Weshalb werde ich also nochmals für 400 Stutz zur Kasse gebeten? Das ist reine Abzockerei. Deshalb werde ich JA stimmen.
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