19.06.2017

Tamedia

Identische Stellen im Lead sorgen für Diskussionen

Der Teaser eines Tagesanzeiger.ch-Artikels war jenem des Originaltextes aus der «NZZ am Sonntag» verblüffend ähnlich. Zwei Sätze waren sogar exakt gleich. Inzwischen sei der Artikel entsprechend angepasst worden – genauso wie die fehlende Verlinkung, erklärt Tamedia-Sprecherin Eliane Loum.
von Tim Frei

Am vergangenen Sonntag publizierte das Onlineportal des «Tages-Anzeiger» den Artikel «SBB: Für 5 Franken in die erste Klasse wechseln». Dies sorgte am gleichen Tag für eine Debatte auf Twitter: Das Medium habe den Teaser der «NZZ am Sonntag» abgeschrieben, so der Vorwurf. Zudem sei der Originaltext nicht verlinkt worden (vgl. Tweet).

Zum Hintergrund: Die NZZaS titelte in ihrer letzten Ausgabe «SBB: Zum Discount-Preis in die erste Klasse». Tagesanzeiger.ch nahm diese Story auf und publizierte den erwähnten Artikel am Sonntag. Und in der Tat: Die beiden Teaser sind praktisch identisch – zwei Sätze hat Tagesanzeiger.ch integral übernommen, ein weiterer Satz wurde leicht angepasst. «Der erwähnte Artikel wurde vom Newsexpress produziert», bestätigt Tamedia-Sprecherin Eliane Loum auf Anfrage von persoenlich.com.

«Bei diesem wurde – was zulässig ist – hauptsächlich aus dem von der ‹NZZ am Sonntag› per Mail-Verteiler zur Verfügung gestellten Anriss zitiert. Leider wurde auch ein Satz fast unverändert aus dem Lead-Text der Zeitung übernommen, was wir bedauern», erklärt Loum. Der Artikel sei inzwischen entsprechend angepasst und die fehlende Verlinkung auf den Originaltitel eingefügt worden. «Wir werden das intern thematisieren, damit solche Fehler in Zukunft nicht mehr vorkommen», so Loum weiter.

Klare Richtlinien für Umgang mit Fremdtexten

Beim Newsexpress – der hauseigenen Nachrichtenagentur von Tamedia – gebe es ein Handbuch. Dieses würde unter anderem klare Richtlinien enthalten, wie Fremdtexte gehandhabt werden sollten. «Der Text soll sich vom Original in der Wortwahl und in der Struktur deutlich unterscheiden, es werden keine Passagen im Wortlaut übernommen. Eine Ausnahme können Textpassagen aus Mails der Sonntagszeitungen sein, die den Redaktionen wie Medienmitteilungen zur Verfügung gestellt werden. Die Quelle muss in jedem Fall deutlich angegeben sein, idealerweise im ersten Absatz. Ist der Quellentext online zugänglich, wird direkt darauf verlinkt», heisst es laut Loum im Handbuch.

Und weiter: «Befindet sich der Text hinter einer Paywall, wird der Link mit dem Hinweis ‹kostenpflichtiger Artikel› versehen. Ist der Text online nicht zugänglich, wird in Klammer darauf verwiesen, dass der Artikel online nicht verfügbar ist».

Handbuch «Qualität in den Medien»

Tamedia hat im Mai das unternehmenseigene Handbuch «Qualität in den Medien» herausgegeben und dieses an tausend Journalisten des Hauses abgegeben, wie der «Schweizer Journalist» in seiner aktuellen Ausgabe berichtet (Artikel online nicht verfügbar). Wie aus dem Handbuch hervorgeht, wird Tamedia «nach der Pilotphase 2016 mit je einem ausgewählten Medium in der Deutschschweiz (Zürcher Regionalzeitungen) und der Westschweiz («Le Matin Dimanche») ihr Qualitätsmonitoring in allen Redaktionen etablieren». Die Evaluation soll aufgrund der im Handbuch beschriebenen Kriterien erfolgen.

Ein Kriterium ist «die Sicherung des Qualitätsanspruchs im Redaktionsalltag». Dazu heisst es: Damit möglichst wenige Fehler passierten, gelte in jedem Fall die Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips. «Dieses Prinzip gilt auch beim Newsexpress», erläutert Loum.



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Kommentare

  • Tek Berhe, 20.06.2017 06:20 Uhr
    Dass die Quellennennung nicht immer sauber gehandhabt wird ist kein Geheimnis. Schlechtes Beispiel ist z. B. 20min. Nicht alle Themen, die das (St. Galler-)Tagblatt kurz vorher gebracht hat und aufgreift sind gekennzeichnet. Wenn, z. B., die NZZ die 12-Kantone-Schweiz lanciert verzichten einige auf diese zu verweisen und quasi als Eigenleistung darzustellen. Das hollywoodsche 'inspired by' zeigt fairerweise immerhin auf andere Urheber. Wenn ein Thema, z. B. aus der Politik, also ein allgemeines Thema ist, bringt die Quellenangabe wenig solange man nicht cooy/paste getrieben ist.
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