01.06.2018

Ukraine / Russland

Journalist verteidigt vorgetäuschten Mord

Arkadi Babtschenko sagt im ersten Interview mit einem deutschsprachigen Medium, weshalb er seinen eigenen Tod inszenieren musste.
Ukraine / Russland: Journalist verteidigt vorgetäuschten Mord
«Erst wenn ihr hört, dass jemand viel Geld für eure Ermordung zahlen möchte, könnt ihr darüber urteilen, was man in dieser Situation tun sollte», sagt der russische Journalist Arkadi Babtschenko zur «NZZ am Sonntag». (Bild: Keystone)

Arkadi Babtschenko war angeblich am Dienstagabend vor seiner Wohnung in Kiew erschossen worden, was unter Journalisten grosse Trauer auslöste. Tags darauf erschien er überraschend und unversehrt bei einer Pressekonferenz des Inlandsgeheimdienstes SBU. Der fingierte Anschlag sei ein Spezialeinsatz gewesen, um Aktivitäten russischer Geheimdienste aufzudecken, hiess es (persoenlich.com berichtete).

Die vorgetäuschte Ermordung hätte allein seiner Sicherheit gedient, sagt der 41-Jährige im Interview mit der «NZZ am Sonntag», das er aus einem Versteck heraus gab. Gegen die Kritik an der Aktion, die unter anderem von der OSZE und «Reporter ohne Grenzen» hervorgebracht worden war, wehrt er sich. Er habe keine Wahl gehabt. Ob die Mordtäuschung notwendig gewesen sei, wisse er nicht. «Die Inszenierung eines Verbrechens ist eine weit verbreitete Art, um eine Verschwörung aufzudecken oder ein Verbrechen zu verhindern», sagt Babtschenko. «Mein Ruf war das letzte, woran ich gedacht habe.»

Gegenüber der NZZaS schilderte Babtschenko detailliert, wie der Mord vorgetäuscht wurde: «Wir benutzten echtes Schweineblut und ein T-Shirt mit Löchern. Ein Maskenbildner bearbeitete mich, um meinen Tod vorzutäuschen. Ich habe das Umfallen geübt. Dann spielte ich den Toten. Nach der Erschiessung wurde ich in einem Krankenwagen abtransportiert. In der Leichenhalle habe ich die Reaktionen auf meinen Tod im Fernsehen verfolgt.»

Wegen seiner scharfzüngigen Kritik an der russischen Aussenpolitik wird Babtschenko in seiner Heimat als Staatsfeind beschimpft. 2017 zog er wegen Morddrohungen mit seiner Frau und Tochter von Moskau nach Prag und später nach Kiev. Als Babtschenko einen Tag nach der angeblichen Ermordung an der Pressekonferenz in Kiev auftrat, konnten die ukrainischen Behörden keine Belege für die Komplott-These vorlegen. (pd/cbe)

 



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