21.12.2017

Neue Zürcher Zeitung

Leserservice verteidigt Chefredaktor

Nach der SRG-Schelte von Eric Gujer haben Leser NZZ-Abos abbestellt. Auffallend lang ist das Bestätigungsmail. Dabei kritisiert auch der Leserservice zwischen den Zeilen die SRG. Dieser sei eine «klare Haltung» per Definition verwehrt.
Neue Zürcher Zeitung: Leserservice verteidigt Chefredaktor
Das NZZ-Gebäude an der Falkenstrasse. (Bild: NZZ-Mediengruppe)
von Christian Beck

NZZ-Chefredaktor Eric Gujer schoss am Samstag in einem Leitartikel zu «No Billag» scharf gegen die SRG. Dass er das Wort «Staatsmedien» benutzte, sorgte für heftige Kritik (persoenlich.com berichtete). Schon in den sozialen Medien kündigten darauf einige Leser an, ihre Abos zu kündigen. Eine, die es getan hat, ist die Zürcherin Barbara Bosshard, die bis zu ihrer Pensionierung Mitte 2015 SRG-Mitarbeiterin war. «Diese einseitige Parteilichkeit, wie sie sich durch den gesamten Artikel zieht, hat sich leider in den vergangenen Monaten auch in ganz vielen NZZ-Beiträgen niedergeschlagen. Schade», schrieb sie am Sonntag der NZZ in einem Mail, welches persoenlich.com vorliegt. «Ich bitte Sie, mir die NZZ ab sofort nicht mehr zuzustellen. Den Restbetrag des bereits bezahlten Abonnements bitte ich Sie an ‹Nein zum Sendeschluss› zu überweisen», so Bosshard. Sie war nicht die Einzige.

Im Antwortmail des NZZ-Leserservices wird Eric Gujer in Schutz genommen (siehe Screenshot unten). Im Leitartikel plädiere Gujer «ja keineswegs für die Abschaffung der SRG», heisst es. Das Thema SRG löse grosse Emotionen aus: Bei den direkt oder indirekt Betroffenen und Abhängigen. «Doch darum geht es nicht. Es geht um die grundsätzliche Frage, ob sich die Gewichte immer weiter in Richtung der staatlich alimentierten Medien verschieben sollen», schreibt Mario Hast vom NZZ-Leserservice im Mail, das im gleichen Wortlaut mehrmals verschickt wurde.

Und dann wird Kritik an der SRG laut: «Als Leser der NZZ sind Sie sicher daran interessiert, dass auch in Zukunft Medienvielfalt herrscht. Eine NZZ oder andere private Medien können Ihnen etwas bieten, was der SRG mit ihrem Gebot der Ausgewogenheit per Definition verwehrt ist: eine klare Haltung und Positionen, die man nicht unbedingt immer teilen muss, mit denen sich auseinanderzusetzen aber lohnt», heisst es weiter. Später folgt dann auch noch eine Verlinkung auf das Interview, welches persoenlich.com mit Eric Gujer geführt hat.


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Auf die Abokündigung wurde im Mail übrigens nicht eingegangen. «Erst nach meiner telefonischen Intervention, die Zeitung nicht bis Ende der Laufzeit Ende August 2018 zugestellt zu erhalten, wird nun der Restbetrag meinem Wunsch entsprechend an ‹Nein zum Sendeschluss› überwiesen», so Bosshard auf Anfrage.

Wie viele Abos gekündigt wurden, ist unbekannt. Fragen von persoenlich.com an die NZZ-Medienstelle blieben bislang unbeantwortet.



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Kommentare

  • Thomas Läubli, 23.02.2018 23:00 Uhr
    Herr Leutenegger, ich stimme Ihnen zu, dass sich immer mehr Leute der Auseinandersetzung mit Meinungen verweigern, die sie nicht teilen. Das gilt zuerst einmal für die NZZ. Es vergeht keine Woche, ohne dass im ideologisierten Feuilleton anstelle der Kulturberichterstattung ein Artikel erscheint, der gegen die Linken und andere "Idioten" wettert. Das ist der einstigen Qualitätszeitung nicht würdig, weswegen auch ich mein Abonnement abbestellt habe.
  • Konrad Scherzer, 28.12.2017 10:11 Uhr
    Somm ist der NZZ erspart geblieben; nun steuern halt Gujer und Schoenenberger das einstmals liberale Schiff nach rechts um.
  • Armin Keusch-Walter, 28.12.2017 10:02 Uhr
    Die NZZ, die in dem Mail Ihres Leserservices die "Medienvielfalt" hochlobt, hat gerade eben ihre Regionalblätter zusammen mit den AZ Medien in einer Einheitsschachtel vereinigt. Schaut so eine Verteidigerin der Medienvielfalt aus?
  • Werner Meier, 23.12.2017 11:01 Uhr
    Da wird gerade einem Leuchtturm das Licht ausgeknipst. Wie kann es der NZZ offenbar egal sein, wenn Leute ihre Abos abbestellen, und sie sich einen Verlust von Billag-Gebühren von mehr als 1 Mio Franken für ihre Fernsehsendungen im Falle einer Annahme der Initiative leisten kann? Sind im Hintergrund Financiers, für die Qualität nicht im Vordergrund steht, sondern die viel mehr an der Demontage der Meinungsvielfalt in unserem Land interessiert sind?
  • Kurt Walter, 22.12.2017 10:27 Uhr
    @Leutenegger Das sieht man z.B. bei Kommentaren bei 20Min. Das gibt es ab und zu 1000 Kommentare, die beleidigen, behaupten, mit Nicht-Wissen prahlen, etc.. aber eine Auseinandersetzung fehlt. Wie auch das akzeptieren anderer Meinungen oder das Hinterfragen der eigenen. Mag eine Erscheinung unserer Ich-Welt sein. Immerhin verhält sich auch der US-Präsi so. Legitimiert es wahrscheinlich für viele Leute. Die Frage bleibt, wollen wir in so einer Gesellschaft leben?
  • Peter Leutenegger, 22.12.2017 08:39 Uhr
    Leider verweigern sich immer mehr Leute der Auseinandersetzung mit Meinungen, die sie nicht teilen. Deshalb liest man aus Prinzip weder WoZ noch Weltwoche und verweigert sich der NZZ oder dem Tagi. Eine solche kleinliche Haltung führt zur geistigen Verarmung. Schade
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