14.08.2017

Blick

«Liechtenstein kann schalten und walten, wie es will»

«Liebe Liechtensteiner. So nicht!», titelte die Boulevard-Zeitung am Montag. Auf über zwei Seiten richtete sie 15 Vorwürfe an das Fürstentum. Christian Dorer, Chefredaktor der «Blick»-Gruppe, erläutert die Hintergründe der Story und was die Schweiz vom «Ländle» lernen kann.
von Matthias Ackeret

Herr Dorer, der «Blick» gratuliert Liechtenstein zum Nationalfeiertag, gleichzeitig werfen Sie ihm «Schmarotzertum» vor. Was haben Sie eigentlich gegen Liechtenstein?
Nichts. Dass ein kleines Land wie die Schweiz einen noch kleineren Nachbarn hat, hat seinen eigenen Charme. Liechtenstein ist klein, aber oho. Es ist die Aufgabe von «Blick», Zusammenhänge aufzudecken und wunde Punkte zu benennen. Deshalb haben wir den Staatsfeiertag zum Anlass genommen aufzuzeigen, wie Liechtenstein funktioniert.

Nun könnte man einwenden, dass sich der «Blick»-Leser wohl kaum für den Liechtensteinischen Nationalfeiertag interessiert…
Für den Staatsfeiertag vielleicht nicht, für das System Liechtenstein sehr wohl, zumal das «Ländle» eng mit der Schweiz verflochten ist. Eine Boulevard-Zeitung soll auch Volkshochschule bieten: In unseren 15 Vorwürfen an Liechtenstein zeigen wir auf, wie es sich Liechtenstein zunutze macht, dass es völlig andere Strukturen hat als grosse Staaten. Und dass es einige Sonderbar- und Wunderlichkeiten vorzuweisen hat, die nicht allen – auch uns am Anfang der Recherchen nicht – bewusst sind. Das machen wir aufklärerisch, aber auch mit einem Augenzwinkern. 



Wie waren die Reaktionen aus dem «Ländle»?
Wir hatten dutzende Rückmeldungen, Telefone, Mails, Social-Media. Der Tenor: Von Schweizern positiv. Von Liechtensteinern kam auch harsche Kritik an uns und die Forderung, wir müssten uns entschuldigen. Aussenministerin Aurelia Frick dagegen reagierte sehr souverän und stand uns heute Montag für ein grosses Interview zu allen Vorwürfen zur Verfügung – morgen zu lesen im «Blick».

Bis jetzt galt die Schweiz als «Weltmeisterin in der Rosinenpickerei». Wieso ist Liechtenstein in dieser Disziplin noch besser als wir?
Liechtenstein ist keine Demokratie und kann einfacher so schalten und walten, wie es will. In einem Punkt haben sie aber auch besser verhandelt: Es ist ihnen gelungen, mit der EU eine Sonderregelung zu treffen. Die Personenfreizügigkeit gilt nicht, trotzdem profitiert Liechtenstein von allen wirtschaftlichen Vorteilen. Hätte die Schweiz den gleichen Deal, hätte es keine Masseneinwanderungsinitiative gegeben. Rosinenpickerei aber ist keine Disziplin, in der wir den Ehrgeiz haben sollten, das Fürstentum überflügeln zu wollen. 

Vor einigen Monaten hat sich der türkische Präsident Erdogan über die Blick-Story aufgeregt. Wollen Sie auch eine Reaktion des Fürsten provozieren?
Wir wollen den Fürsten nicht verärgern, sondern die Schweizer Leserinnen und Leser über die besonderen Verhältnisse im Ländle aufklären. Über Reaktionen auf unsere Artikel freuen wir uns natürlich immer. Den Abstimmungsaufruf an die Türken in der Schweiz auf Türkisch hatten wir nicht gemacht, damit sich Erdogan aufregt, sondern um in einer hoch politischen Frage, die auch Schweizer Grundwerte tangiert, klar Stellung zu beziehen.

Positiv formuliert: was könnte die Schweiz von Liechtenstein lernen?
Liechtenstein hat erkannt, dass ein kleiner Staat nicht alles selber machen kann. Da müsste sich auch die Schweiz vermehrt Gedanken machen. Zum Beispiel bei der Sicherheit: Könnte die Schweiz nicht ein Bündnis mit der NATO eingehen, in dem Aufgaben verteilt werden? Die Schweiz könnte die Nord-Süd-Achse schützen, und alles andere delegieren. Ausserdem waren die Liechtensteiner mit der Weissgeldstrategie schneller und konsequenter, damals hätten wir etwas lernen können.

Der liechtensteinische Nationalfeiertag findet morgen statt. Was wünschen Sie unseren Nachbarn konkret?
Nur das Beste! Und dass sich Liechtenstein bewusst ist, dass es in einer total privilegierten Lage ist. Würden alle so handeln, würde die Welt nicht funktionieren. Und für die Feier: Gutes Wetter, ein grossartiges Feuerwerk und ein ausgelassenes Fest in friedlicher Stimmung.

Das Interview wurde schriftlich geführt.



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Kommentare

  • Suzanna Steinebach, 25.08.2017 08:34 Uhr
    Geldwäscherei via Treuhanbüros läuft in Liechtenstein nach wie vor, nur die Spielregeln haben sich geändert und schnell haben die Treuhänder mit neuen Umschiffungsformen reagiert. Also sonnen sich die Steuerhinterzieher und werden reicher und reicher. Und es stimmt schon Liechtenstein betreibt keine Armee, keine Bahn und hat unzählige Deals die es ihm ermöglicht sich der Infrastruktur der Nachbarländer zu bedienen. Wie es Liechtenstein gelang und gelingt diese Deals auszuhandeln ist die Frage. A la Aserbaidschan mittels Geschenken auf sicheren Konten im Ländle an die Entscheidungsträger? Auch in der Schweiz gibt es Korruption. Im Wilden Osten in Österreich ist sie daily business.
  • Peter Pucher, 15.08.2017 13:07 Uhr
    Freude Herrscht in Schmarotzien Der Blick wurde soeben als intelligenteste Zeitung Eurkpas ausgezeichnet. Herzliche Gratulation
  • Dieter Widmer, 15.08.2017 09:13 Uhr
    Christian Dorer gefällt sich offenbar als Autor für einseitige, blöde und zum Teil diffamierende Texte.
  • Robert Weingart, 15.08.2017 08:42 Uhr
    Wenn nichts los ist im Schweizerland, dann kann man einen Sturm im Wasserglas produzieren, um etwas Beachtung zu erheischen. Armselig.
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