03.10.2017

Mediaforti

Medienprofis fordern Geld für Onlinejournalismus

In der Debatte um den künftigen Service public meldet sich jetzt eine Gruppe rund um Uni-Professor Manuel Puppis zu Wort. Die Initiative Mediaforti, der auch Ex-Watson-Chef Hansi Voigt angehört, schlägt einen radikal neuen Ansatz zur Finanzierung vor.
Mediaforti: Medienprofis fordern Geld für Onlinejournalismus
Manuel Puppis, Professor für Kommunikationswissenschaft der Universität Fribourg (mitte) und seine Kollegen von Mediaforti. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Ob online oder gedruckt, guter Journalismus kostet. Eine gesunde Demokratie brauche zuverlässige journalistische Produkte und dazu seien «gut ausgestattete Redaktionen mit Journalistinnen und Journalisten nötig, die Zeit haben für Recherche, Einordnung und Aufarbeitung von Informationen» 

 «Wir sind in einer kompletten Blockadesituation wegen dem Streit zwischen Verlegern und SRG, zudem haben wir die nicht-konstruktive No-Billag-Initiative, die zur Abstimmung steht. Wir brauchen in der Schweiz jedoch starke Medien. Hier wollen wir ansetzen», sagte Puppis vor rund zwei Wochen im «Medientalk» von SRF.

Fördermodell auf zwei Standbeinen

Aufgrund der aktuellen Medienkrise schlägt der im März 2017 gegründete Verein Mediaforti, «ein innovatives Fördermodell vor, welches auf zwei Beinen steht», wie der Vorstand in einer Mitteilung schreibt

Erstens brauche es eine neue Infrastruktur für private Anbieter von Journalismus. Hier bringt Mediaforti die Idee «Wepublish» von Hansi Voigt und Olaf Kunz ins Spiel. Also die Open-Source-Infrastruktur, die der Allgemeinheit gehören soll. Alle Anbieter, von etablierten Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen über Online-Start-ups bis hin zu Bloggerinnen und Bloggern, die sich zur Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten bekennen, sollen Zugang zu dieser digitalen Infrastruktur erhalten. Diese Infrastruktur müsse mit öffentlichen Mitteln aufgebaut und unterhalten werden, fordert MediaForti. Pro Jahr koste das fünf bis sechs Millionen Franken, rechnen die Initianten. 

Die Forderung nach einer öffentlichen Finanzierung seiner Idee hatte Hansi Voigt bereits im August ins Spiel gebracht: «Wenn sich die öffentliche Hand zur indirekten Medienunterstützung via einer gemeinsamen Infrastruktur entschliesst, wird der Nutzen und der enorme Hebel offensichtlich. Stellen Sie sich vor, 40 bis 50 Spezialisten arbeiten an einer intelligenten gemeinsamen Infrastruktur. Dadurch haben sie eine enorme technische Wucht und plötzlich die Möglichkeit, auch wieder regionalen Journalismus auf deutsch, französisch und italienisch nicht nur erschwinglich zu machen, sondern auch eine gewisse Verbreitung zu finden», sagte Voigt damals im Interview mit persoenlich.com. Laut seiner Rechnung entspricht das «etwa den jährlichen Zuschusskosten von zwei Regional-TV-Sendern, die heute unter ferner liefen Konzessionsgelder verarbeiten».

Als zweites Standbein bringt Mediaforti die finanzielle Unterstützung von Onlinemedien aufs Tapet, analog zu Modellen in Skandinavischen Ländern. So sollen technologieneutral Redaktionen gefördert werden. Laut Mediaforti wären es diejenigen, die sich an der Open-Source-Plattform beteiligen, also zum Beispiel bei «Wepublish». In Dänemark, Schweden oder Norwegen würden solche Modelle seit Jahrzehnten funktionieren, und dies unabhängig vom Staat, ohne jeden Eingriff in die redaktionelle Freiheit. 

Wie finanzieren?

Um dieses Geld frei zu machen, schlägt Mediaforti in ihrem Papier vor, die bisherigen Fördergelder «besser zu verwenden». Das Geld der Posttransportverbilligung (50 Millionen, davon 30 Millionen Franken für Zeitungen und Zeitschriften) soll auch Onlinemedien zu Gute kommen, so eine Idee. Und der Anteil der Radio- und TV-Abgabe, die jetzt schon teilweise an Private geht (2016 rund 67,5 Millionen Franken), soll nach einem neuen Schlüssel verteilt werden: technologieneutral für die Produktion von gutem Journalismus. Der für die SRG aufgewendete Anteil der Radio- und TV-Abgabe solle nicht angetastet werden. Das seien Vorschläge, fertig ausgearbeitete Pläne gebe es nicht, sagt Manuel Puppis auf Anfrage. 

Über diese Ideen will sich Mediaforti als «starke Stimme», als Lobbyorganisation der Zivilgesellschaft und der Journalisten in die medienpolitische Diskussion einbringen. Interessierte aus allen Landesteilen sollen Lösungsvorschläge einbringen können. «Es geht um nichts weniger als die Medienschweiz neu zu denken!», schreiben die Verantwortlichen.  

Gülsha Adilji und Sylvia Egli von Matt

Am 2. Oktober hat Mediaforti in Zürich einen öffentlichen Aufruf lanciert. «Die rückwärtsgewandte medienpolitische Auseinandersetzung muss durch konstruktive Lösungen ersetzt werden». Der Aufruf auf mediaforti.ch sei bereits von über 70 Persönlichkeiten und Organisationen aus dem ganzen Land unterzeichnet worden, darunter Gülsha Adilji, Mark Balsiger, Sylvia Egli von Matt, Reiner Eichenberger, Hannes Gassert, Viktor Giacobbo, Josefa Haas, Knackeboul, Mike Müller oder Peter Studer.

Der Verein verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: einerseits eine neue Infrastruktur für modernen Journalismus, auf der private Anbieter miteinander im Wettbewerb stehen. Andererseits eine starke SRG, die einen Service-public-Auftrag erfüllt.

Im Vorstand sind neben Präsident Manuel Puppis (Professor für Kommunikationswissenschaft Universität Fribourg) und Hansi Voigt (Ex-Watson-Chefredaktor), Anne-Laure Daboczi (Produktionsleiterin Film & Event), Frédéric Gonseth (Dokumentarfilmer), Olaf Kunz (Medienberater), Matthias Künzler (Forschungsleiter an der HTW Chur), Robert Ruoff (Publizist), Alexandra Stark (Ausbildnerin und Journalistin) und Chantal Tauxe (Journalistin).

Der Verein versteht sich als unabhängige Koalition, unabhängig von Parteien und Interessensverbänden.



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Kommentare

  • Marcel Hauri, 07.10.2017 14:19 Uhr
    Unbedingt dranbleiben. Jetzt auf Hansi eindreschen bringt auch wenig bis nichts. Fakt ist, dass der Kahlschlag im Journalismus weitergeht. Dass daraus früher oder später ein Demokratieproblem resultiert, ist doch nicht von der Hand zu weisen. Dass der Online-Journalismus nicht reüssieren kann, abgesehen von 20Min (leider), ist bedauerlich. Darum wird es Zeit, die Förderung neu zu denken. Der neutral finanzierte Plattformansatz scheint vielversprechend. Die eine Frage ist, wie die Qualitätskontrolle gelingen kann. Die andere Frage die sich stellt: Wer bestimmt, wer aus dem Topf finanziert wird? Da fängt der Machtpoker um Begehrlichkeiten schon wieder an.
  • Nico Herger, 03.10.2017 14:52 Uhr
    Man weiss alles besser und will als Erstes gerade mal Geld vom Staat. Überzeugt nicht.
  • Beatrice Schönhaus, 03.10.2017 10:01 Uhr
    Eine super Sache - bin gespannt. Viel Glück!
  • Oliver Brunner, 03.10.2017 09:50 Uhr
    Schon etwas verlogen. Zuerst jahrelang gegen die Printmedien stänkern (z.B. H. Voigt) und dann einen Teil der Zuschüsse fordern, welche diese für die Verteilung in Papierform erhalten. Zur Erinnerung Online muss nicht in Briefkästen verteilt werden. Zeigt mal wie überlegen ihr seid, und wie Online-Geld verdient, dass hat Watson und alle anderen Projekte nicht geschafft,
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