20.06.2013

SRF

Rundschau setzt auf "unbequemen Recherchejournalismus"

Interview mit Redaktionsleiter Mario Poletti.
SRF: Rundschau setzt auf "unbequemen Recherchejournalismus"

Herr Poletti, Sie sind seit 1. März 2013 Redaktionsleiter der Rundschau. Seither wird die Sendung schrittweise umgebaut. In welche Richtung?
Wir wollen mit unbequemem Recherchejournalismus Terrain zurückgewinnen. Wir wollen kantig und hartnäckig unseren Geschichten nachgehen und aktuelle Hintergründe beleuchten. Ziel ist es, in Zukunft zwei Drittel der Sendung mit Inlandthemen zu füllen. Auch arbeiten wir nun enger mit den Kollegen aus dem Welschland und dem Tessin zusammen.

Und das Ausland?
Die wichtigen Themen finden nach wie vor statt.  Aber nur die wirklich Wichtigen. Will heissen, wenn wir einen besonderen Zugang haben zu Syrien oder zum abgeschotteten Eritrea, dann bringen wir das natürlich. Nächsten Mittwoch begleiten wir die Schweizer UNO-Blaumützen auf den Golanhöhen. So etwas ist natürlich spannend.

Woran krankte die Rundschau bislang?
Man wusste zuweilen nicht mehr, wofür die Rundschau überhaupt steht.

Zusätzlich zu der inhaltlichen Neuausrichtung, kommt die Rundschau ab dem 21. August auch optisch aufgefrischt daher. Neu steht ein Stehtisch in Form eines "R’s" in der Mitte des Studios. Alles ist abgerundet, Die Kantigkeit, das Unbequeme, ist nicht auszumachen.
Das täuscht. Das neue Studio ist geprägt durch ein markantes Rundum-Fenster und erinnert somit an einen Leuchtturm, den "Leuchtturm der Schweizer Politik". Die neue Optik erlaubt es zudem, dass sich Studiogast und Interviewer auf Augenhöhe begegnen. Das Prinzip des heissen Stuhls bleibt aber bestehen: Jeder wird auf Herz und Nieren geprüft. Und die Dramatik wird durch gute Kameraregie auch nicht fehlen.

Sie wollen mit der Rundschau auf Primeure setzen. Wie gelangt man an Primeure?
Über Journalisten mit einem exzellenten Kontaktnetz und hohen Dossierkenntnissen. Aber ich gebe zu: An Primeure zu kommen, ist kein einfaches Unterfangen.

Haben Sie auch die Möglichkeit – wie im Fall Mörgeli – einen Journalisten über längere Zeit auf ein Thema anzusetzen?
Natürlich sind wir – wie alle Redaktionen – knapp besetzt. Mit unseren 16 Redaktorinnen und Redaktoren fahren wir da am unteren Limit. Aber dennoch: Das muss möglich sein. Meistens aber laufen bei den Redaktoren mehrere Stories zeitweise parallel. So wie das auch bei der Story um die von Christoph Mörgeli betreuten Doktorarbeiten der Fall war.

Noch kurz zu diesem Fall Mörgeli: In welcher Form üben Sie heute Kritik an sich selber?
Über gewisse Unschärfen kann man sicher diskutieren. Aber sicher nicht bezüglich des Kernthemas. Von den sieben Beanstandungen beim Ombudsmann der SRG sind sechs abgewiesen und eine als teilweise berechtigt taxiert worden. Fakt ist: Während der Ära Mörgeli sind einige Doktorarbeiten angenommen worden, die aus blossen buchstabengetreuen Abschriften oder Übersetzungen ohne die standardgemässe wissenschaftliche Aufarbeitung bestehen. Bei diesen Dissertationen ist eine wissenschaftliche Leistung nur schwer oder gar nicht zu erkennen.

Aber was werfen Sie sich selber vor?
Die Recherche war und ist wasserdicht. Die Kritik des Ombudsmannes in gewissen Nebenpunkten nehmen wir aber ernst. Insbesondere bedauern wir den einen ärgerlichen Fehler, dass wir eine Aussage von Christoph Mörgelis Gegenspieler Flurin Condrau dem Zürcher Regierungsrat zugeordnet haben.

Von verschiedener Seite ist die Vorgehensweise von Moderator Sandro Brotz kritisiert worden. Seine Fragen seien tendenziös und unfair gewesen, wurde auch am heutigen Medienfrühstück von Journalistenkollegen wieder behauptet.
Ich habe die Befragung von Herrn Mörgeli als hartnäckig aber sehr fair erlebt. Sandro Brotz ist ein Glücksfall für die Rundschau, ein Journalist mit Ecken und Kanten. Er muss nicht der Wunschschwiegersohn sein.

Neu wird Susanne Wille das Team der Rundschau verstärken. In welcher Form?
Sie wird vor allem geführte Reportagen für uns machen. Ausserdem ist sie die Vertretung von Sandro Brotz und wird in dieser Funktion vier bis sechs Mal pro Jahr die Sendung leiten.

Interview: Adrian Schräder



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