27.03.2001

Schweizer Medien im Innovationsnotstand

Am Dienstag präsentierte Peter Hartmeier (Bild), Geschäftsführer des Verbandes Schweizer Presse, in Zürich die Ergebnisse eines dreitägigen Think-Tank von Schweizer Medienschaffenden, Werbeauftraggebern, Werbern, Technologie- und Medienrechtsexperten sowie Medienkonsumenten. Haupterkenntnis der Arbeitsgruppe: Die Schweizer Medien haben Mühe, mit den sich schnell ändernden Bedürfnissen von Mediennutzern und Werbeauftraggebern mitzuhalten. "persoenlich.com" bietet die Studie "Schweizer Medien: Auf der Titanic oder im Space Shuttle durchs digitale Zeitalter?" als Download.
Schweizer Medien im Innovationsnotstand

Die 26-köpfigen Arbeitsgruppe beschäftigte sich während drei Tagen an einem Workshop des Management Zentrum St. Gallen mit dem Thema "Zukunftsstrategien für die Schweizer Medien". In dem Think-Tank, der nach der Team-Syntegrity-Methode durchgeführt wurde, diagnostizierten die Medienexperten insbesondere im Bereich des Multi-Channel-Publishing (Vernetzung von Print – Internet – TV/Radio – SMS – Plakat, usw.) eine grosse Herausforderung. Dazu gehören das Beherrschen der neuen digitalen Technologie, die Einführung neuer, industrieller Arbeitsabläufe in der journalistischen Produktion und Allianzen mit anderen Partnern von innerhalb wie ausserhalb der Medienbranche. Auch bei der Finanzierung ihrer Aktivitäten sind die traditionellen Medienunternehmen gefordert. Grund sind die Verbreitung von Gratis-Inhalt (Internet, Pendlerzeitungen, etc.), eine stärkere Segmentierung des Marktes und das Vordringen neuer, branchenfremder Konkurrenten, vor allem im Online-Bereich.

Verschmelzen von Inhalten verschiedener Medien

Um den Bedürfnissen der Konsumenten Rechnung zu tragen, müssten die Medien individueller und interaktiver werden, lautet eine der zentralen Forderungen des Think-Tank. Dabei reichen die Vorschläge von Online-Plattformen mit einem hohen Servicegrad bis zu einem "Re-Packaging" und Verschmelzen von Inhalten verschiedener Medien (z.B. dem Sportteil vom Blick, zusammen mit dem Regionalteil des Tages-Anzeigers und dem Wirtschaftsbund der NZZ). Auf Seiten der Werbeauftraggeber stehen unter anderem der Wunsch nach online verfügbaren Instrumenten zum 1:1-Marketing im Vordergrund und "1-Stop-Shop"-Verkaufsorganisationen, die auf Multi-Channel-Werbung zugeschnitten sind. Insgesamt fordert der Think-Tank, dass sich die Medien klarer als bisher positionieren, z.B. als Informations-, Unterhaltungs-, Service- oder Wirtschafts-Marke. Neben journalistischer Integrität und Glaubwürdigkeit werden in Zukunft die folgenden Werte für die Medien besonders wichtig sein: Geschwindigkeit, Einfachheit, Transparenz, Interaktion, Emotionalität, Engagement, Persönlichkeit, Vielfalt und Innovation.

Monopolistische Trägheit, fehlende Risikobereitschaft, ungenügende Ressourcen

Punkto Innovation stellt die von Moderatoren des Management Zentrum St. Gallen gecoachte Arbeitsgruppe den einheimischen Medienhäusern allerdings keine genügenden Noten aus. Die Schweizer Medien-Unternehmen seien zwar gute Kopierer, aber monopolistische Trägheit, fehlende Risikobereitschaft und ungenügende Ressourcen würden in der Regel echte Innovationen verhindern. Die Arbeitsgruppe kritisiert in diesem Zusammenhang mangelndes Know-how sowohl auf Seiten des Managements als auch bei den Journalisten. Eine besondere Schwachstelle sind das Marketing und ein institutionalisiertes Scouting neuer Trends. Unter anderem wird deshalb vorgeschlagen, im Management mehr branchenfremde Quereinsteiger zu integrieren und Benchmarking-Studien mit Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen durchzuführen. Auf publizistischer Seite werden ein berufsbegleitender Ausbildungslehrgang "Master of Journalism" gefordert und ein Lohnsystem, das Eigeninitiative bei der Weiterbildung salärmässig berücksichtigt.



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