23.12.2017

Fall Werner De Schepper

«Solche Vorwürfe müssen höchstseriös abgeklärt werden»

Zuerst die Affäre Buttet, dann der Fall De Schepper: Wie soll sich eine Partei oder ein Unternehmen verhalten, wenn in den Medien Vorwürfe von sexueller Belästigung laut werden? Mit einer adäquaten Sanktion, sagt der Personalexperte Matthias Mölleney.
Fall Werner De Schepper: «Solche Vorwürfe müssen höchstseriös abgeklärt werden»
Personalexperte Matthias Mölleney: «Es darf nichts verharmlost werden, aber es darf auch keine ungerechtfertigte Hetzjagd losgehen.» (Bild: peopleXpert)
von Christian Beck

Herr Mölleney*, wenn Sie Personalchef von Werner De Schepper wären, wie hätten Sie nach dem «Tages-Anzeiger»-Bericht gehandelt?
Wenn ich Personalchef von Herrn De Schepper wäre, würde ich ihn und sein berufliches Umfeld recht gut kennen und würde dieses Wissen in meine Einschätzung und meine Handlungsoptionen einfliessen lassen. Klar ist, dass man solche Vorwürfe nicht ignorieren darf und dass höchstseriös abgeklärt werden muss, um was es genau geht.

Was kann generell ein Unternehmen tun, wenn solche Vorwürfe öffentlich werden, es jedoch im Unternehmen keine schriftlichen Beschwerden gibt?
Das ist sehr schwer, denn wenn solche Vorwürfe erhoben werden, ist es meist schon zu spät, einen Schaden vom Unternehmen und seinen Mitarbeitenden abzuwenden. Was dann noch bleibt, ist die sorgfältige Abklärung des beanstandeten Verhaltens und anschliessend eine adäquate Sanktion, die von einer Unschuldsbestätigung über Ermahnungen und Verwarnungen bis hin zu einer Kündigung reichen können. Viel besser ist es, wenn man sich präventiv darum bemüht, eine Kultur zu schaffen und zu pflegen, die ein solches Verhalten so weit wie möglich verhindert.

Ringier schreibt, in den Personalakten gebe es keine Beschwerden. Wie und wann kommt eine solche Beschwerde überhaupt in die Personalakten?
Eine Beschwerde kommt dann in die Personalakte, wenn es einen arbeits- oder strafrechtlich relevanten Vorfall gegeben hat. Die Art der Dokumentation und die Dauer des Verbleibs in der Personalakte hängen vom Grad der rechtlichen Relevanz und der betrieblichen Massnahmen ab.

Helfen eine interne Ombudsstelle oder ein Code of Conduct? 
Ja, ich habe gute Erfahrungen mit einer Kombination dieser beiden Instrumente gemacht. Es muss aber sichergestellt werden – durch den HR und vor allem durch die Geschäftsleitung –, dass diese Instrumente ernst zu nehmen und nicht nur Papierübungen sind. 

Werden solche Instrumente generell genug rege genutzt?
Ich kenne die ganz aktuelle Praxis nicht aus eigener Erfahrung. Aber damals, als ich noch selber HR-Chef war, wurde die Ombudsstelle jeweils nur selten in Anspruch genommen.

Und wenn doch, müssen Betroffene Konsequenzen befürchten?
Nein, auf keinen Fall. Sonst wären sie nicht nur wirkungslos, sondern kontraproduktiv.

Wie kann man Mitarbeiter sensibilisieren und auffordern, solche Fälle zu melden?
Am besten ist es, wenn diese Themen, wie zum Beispiel ein Code of Conduct, immer wieder in Erinnerung gerufen werden, ohne dass sie dabei zu dogmatisch oder moralisierend wirken. Ich empfehle deswegen, das Thema der sexuellen Belästigung nicht isoliert zu behandeln, sondern im Kontext mit anderen Fragen der Zusammenarbeit im Betrieb, wie zum Beispiel Diskriminierungsthemen. Wichtig ist auch, neben den klaren No-Gos auch die positiven Aspekte der Zusammenarbeit im Betrieb nicht unerwähnt zu lassen, wie zum Beispiel «Was wir in der Zusammenarbeit im Betrieb nicht tolerieren…» kombiniert mit «Wie wir uns eine gute Zusammenarbeit im Betrieb vorstellen…».

Aus Sicht eines Personalexperten: Ab wann gilt eine Handlung als sexuelle Belästigung? 
Grundsätzlich gilt es als Belästigung, wenn eine Handlung oder Äusserung als belästigend empfunden wird und der Verursacher das entweder gesagt bekommen hat oder er es wissen müsste.

Müssen nun wegen der #MeToo-Debatte Männer Angst vor ihrer eigenen Vergangenheit haben?
Was die Vergangenheit angeht, weiss jeder Mann und jede Frau, in welchem Umfang eine solche Angst bezüglich ihrer eigenen Vergangenheit berechtigt wäre. Grundsätzlich rate ich aber zu einer grösseren Entspanntheit in dieser Frage. Es darf nichts verharmlost werden, aber es darf auch keine ungerechtfertigte Hetzjagd losgehen. Im Moment gehe ich noch davon aus, dass die grössere Anzahl gemeldeter Fälle tatsächlich so gravierend sind, dass man sie abklären muss. Ich kenne aber auch Fälle, bei denen dieses Mittel der Beschwerde über eine sexuelle Belästigung dazu missbraucht wurde, unliebsame Kollegen oder Vorgesetzte unberechtigt zu desavouieren. Daraus aber den Rat an alle Männer abzuleiten, einen Sicherheitsabstand zu Frauen einzuhalten, wäre meines Erachtens übertrieben. 


* Matthias Mölleney ist Leiter des Centers für Personalmanagement & Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich und Gründer der HR-Beratungsfirma peopleXpert. Als letzter Personalchef der Swissair musste er nach dem Grounding mehr als 9000 Kündigungen schreiben – darunter seine eigene.



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