13.03.2018

Tamedia Qualitätsbericht

Tops und Flops der Tamedia-Titel

Wie gut sind die Zeitungen, Portale und Magazine von Tamedia – also 20min.ch, «Annabelle», «Finanz und Wirtschaft» oder die «Schweizer Familie»? Das Verlagshaus veröffentlicht erstmals einen internen Qualitätsbericht. persoenlich.com hat fünf Aussagen herausgepickt.
Tamedia Qualitätsbericht: Tops und Flops der Tamedia-Titel
Printtitel, Newsportale und Magazine wurden untersucht: darunter auch die «Sonntagszeitung». (Bild: Tamedia/Yves Bachmann)
von Edith Hollenstein

Zeitgleich mit dem Jahresergebnis 2017 publiziert Tamedia das erste Qualitätsmonitoring. Eine Gruppe um Projektleiter Res Strehle hat in einer «Tiefenbohrung» untersucht, wie gut die Titel an einem Stichtag bestimmte Kriterien erfüllen – darunter handwerkliche Regeln wie Fehlerfreiheit, Fairness, Sprache oder Storytelling, aber auch Tempo, Recherche oder Interaktion mit der Leserschaft. Scharfe Kritik kommt dabei nicht zu Tage, vieles sei «gut». Dennoch machen die Experten auf Verbesserungswürdiges aufmerksam:

1. Zu wenig Zeit: An den untersuchten Tagen wurden sehr wenige Faktenfehler gefunden. Auch die Fairness gegenüber den Leuten, die die Journalisten in ihren Artikeln beschrieben haben, sei in aller Regel gross. Dennoch gab es Voten von Auskunftspersonen, die sagten, sie hätten zu wenig Zeit für ihre Antwort gehabt, auch wenn es keinen Aktualitätsdruck gab. Andere hatten den Eindruck, sie seien im Unklaren gelassen worden über den Kontext und die genaue Absicht des Artikels. Zudem glauben einige, nicht ihre besten Zitate seien verwendet worden.

2. Das «Magazin» als Musterschüler: Zu den untersuchten Kriterien nennt der Qualitätsbericht jeweils ein Best-Practise-Beispiel. Oft genannt wird dabei das «Magazin», dies beim Storytelling, Fehlerfreiheit, bei der Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung sowie bei der Sprache («sehr sorgfältig»). Daneben wird die «Finanz und Wirtschaft» erwähnt als Vorzeigebeispiel etwa in  Einordung sowie bei der Trennung von Fakten von Meinung und von Werbung und redaktionellem Inhalt. «20 Minuten» sei bei der Abmahnung nach Faktenfehlern besonders gut, so der Qualitätsbericht.

3. Schwachstellen ortet der Bericht bei der «teils unklaren Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung. Sie werde durch die neuen Formen des Native Advertising akzentuiert, heisst es. Auch gebe es fehlende Distanz gegenüber den Quellen. Das komme speziell im anzeigerelevanten Umfeld vor, also bei Auto, Mode und Konsum. Ausbaufähig sei auch die Interaktion mit dem Publikum – speziell im Digitalen.

4. Kurze Verweildauer: Durchschnittlich wird ein Beitrag auf den digitalen Kanälen von Tamedia 30 Sekunden gelesen (über Mobile ist der Wert tiefer). Mittels einer Datenanalyse sind zudem Angaben über das Leserverhalten ins Qualitätsmonitoring miteingeflossen. Untenstehende Abbildung zeigt, dass vor allem magazin.ch häufig via Facebook angesteuert wird. Dagegen profitiert F&W fast gar nicht von Traffic über Facebook:

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5. Anonyme Quellen, respektive Formulierungen wie «Insider wissen» oder «Experten schlagen Alarm», werden laut der Analyse zu oft gebraucht. Missbräuchlich verwendet, könnten damit Thesen gestützt werden, was gefährlich sei. Deshalb schlägt Qualitätschef Strehle ein Double-Checking vor. Zudem sollen für Wertungen nie anonyme Quellen verwendet werden. «Werten sollen nur identifizierbare und damit für den Leser einzuordnende Quellen. Und natürlich die Journalisten selber in ihren Meinungs- oder Autorenbeiträgen», so Strehle im Interview mit persoenlich.com.

Für diese Analyse wurden verschiedene externe Experten eingesetzt. Ihnen wurde jeweils ein Titel zugewiesen, den sie vertieft zu beurteilen hatten:

 

  • 20 Minuten: Matthias Künzler, HTW Chur
  • Annabelle: Sylvia Egli von Matt, ehemalige MAZ Direktorin
  • BZ Berner Zeitung (inkl. Berner Oberländer, Thuner Tagblatt): Stephanie Grubenmann, Universität St. Gallen
  • Bilan: Patrick-Yves Badillo, Universität Genf
  • Das Magazin: Otfried Jarren, Universität Zürich
  • Der Bund/Tages-Anzeiger/SonntagsZeitung:
Mark Eisenegger, Universität Salzburg
  • Finanz und Wirtschaft: Vincent Kaufmann, Universität St. Gallen
  • Le Matin/Le Matin Dimanche: Annik Dubied & Nathalie Pignard-Cheynel, Université de Neuchâtel
  • Schweizer Familie: Colin Porlezza, IPMZ Zürich
  • Tagblatt der Stadt Zürich: Diego Yanez, MAZ-Direktor
  • 24 heures/ Tribune de Genève: Marc-Henri Jobin, Centre de Formation au Journalisme et aux Médias (CFJM) Lausanne
  • Zürcher Regionalzeitungen: Vinzenz Wyss, ZHAW Winterthur



Beim Monitoring wurden neben allgemeingültigen journalistischen Grundsätzen auch spezifische, auf die Medien zugeschnittene Qualitätsdimensionen berücksichtigt. Ziel sei ein praxisnahes Qualitätsmonitoring, das auf die Unterschiede der einzelnen Medien eingeht. Denn jede Redaktion habe ihren eigenen Qualitätsanspruch und soll auch daran gemessen werden. 



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