09.01.2006

Marcus Knill

TV als professioneller Babysitter

Der Medienpädagoge zu Baby-TV.

Ein Fernseh-Programm speziell für Säuglinge und Kleinkinder flimmert nun auch in Deutschland am Bildschirm. Der Sender, der Windelträger ansprechen will, ist über Kabel empfangbar. Das Programm von Baby TV soll speziell für Babys und Kleinkinder bis drei Jahre entwickelt worden und soll sprachübergreifend verständlich sein.

Tagsüber stünden vor allem kindgerechte Animationen zu Farben und Formen, Expeditionen ins Tierreich, Lieder, das Erlernen erster Worte und Ratespiele im Mittelpunkt des Programms. Abends präsentiere Baby TV Musik, die von entspannenden Formen und Farben begleitet werde, hiess es in einer Mitteilung des baden-württembergische Kabelnetzbetreibers Kabel BW, der internationalen Sender Baby TV ab sofort digital in sein Kabelnetz einspeisen.

Baby TV mit den verschiedenen Formaten soll altersgerechtes Lernen mit spielerischen Elementen verbinden. Werbung soll es keine geben. Neben Deutschland sei Baby TV auch in weiteren europäischen Ländern zu sehen, so in Grossbritannien, Frankreich und den Niederlanden. TV als professioneller Babysitter?

Wir vermuten: Die kritischen Stimmen zum Baby TV werden gewiss dominieren. Schliesslich hat für viele Menschen Fernsehen für Kinder immer noch die Assoziation von "schädlicher Wirkung". Bei allen neuen Medien dominierten zuerst immer die Kritiker. Nach der Phase des Memorierens in der Schule befürchteten gewisse Pädagogen schon damals, Schreiben büsse die Gedächtnisstärke ein.

Beim Buch, später beim Film wurde befürchtet, Kinder könnten negativ beeinflusst werden. Schüler würden das Schreiben gleichsam verlernen. Comics waren bei vielen Lehrern vor Jahren verpönt und das Fernsehen galt lange als "Verdummungsgerät". Heute streiten sich die Pädagogen immer noch über den negativen Einfluss der Videos und DVDs, wie auch über den grenzenlosen Internetkonsum.

Wenn wir zurückblicken, hat sich gezeigt, dass jedes Medium ­ obwohl es zuerst meist verdammt wird - später eine sinnvolle Funktion in der Bildungslandschaft eingenommen hat. Gewiss wird auch das Baby-TV die Phase der Einführung überstehen. Wer glaubt, Baby TV könne als billiger Babysitter eingesetzt werden, wird sich genau so irren, wie all jene Absolutisten, die den Kleinkindern jeglicher Kontakt mit dem Bildschirm vorenthalten möchten.

Bei allen Medien geht es letztlich um die sinnvolle Nutzung. Das Baby TV Macher werden erkennen, dass Kinder nicht stundenlang berieselt werden können. Die Wahrnehmungspsychologie hat längst erkannt, dass das menschliche Gehirn Reize verarbeiten muss und nicht beliebig lang mit Informationen vollgestopft werden kann.

Eine Bauersfrau, die ihr Kind im Kinderwagen unter einen Baum stellt und die Augen des Kindes minutenlang das Blätter- und Schattenspiel in der Baumkrone betrachten lässt, hat bestimmt mehr beigetragen zur Förderung des menschlichen Gehirns, als jene Mutter, die ihr Kind, die analoge Zeitspanne lang vor der Glotze ­ sprich: Programm Baby TV - gesetzt hat.



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