05.03.2017

AZ Medien

«TV zählt zu unseren wichtigsten Investitionsfeldern»

Das Aargauer Medienunternehmen ist in der Schweiz der grösste private TV- und Radioanbieter. Und doch gibt es gewichtige Unterschiede zum Medienhaus SRG. Ein Gespräch mit Roger Elsener, Geschäftsleiter TV & Radio, über beschönigte Marktanteile, Ausbaupläne und Quotenbolzer.
AZ Medien: «TV zählt zu unseren wichtigsten Investitionsfeldern»
Roger Elsener, Geschäftsführer TV & Radio und Mitglied der Unternehmensleitung AZ Medien: «Falls die SRG am einen oder anderen Ort etwas Gebührengelder einsparen möchte, sind wir zur Stelle.» (Bild: zVg.)
von Christian Beck

Herr Elsener*, Sie sind ja quasi der Ruedi Matter der Privaten.
Die SRG betreibt sieben TV-Sender und 17 Radio-Sender. Das ist noch immer dreimal mehr als AZ Medien betreiben. Wir haben also noch Luft nach oben.

Konzentrieren wir uns auf SRF. Es gibt da einen gewichtigen Unterschied: Die drei SRF-TV-Sender haben im 2. Halbjahr 2016 einen Marktanteil von 30,2 Prozent, ihre fünf TV-Sender 1,9 Prozent (persoenlich.com berichtete). Rentiert das?
AZ Medien sind ein wirtschaftlich orientiertes privates Unternehmen. Der Bereich TV wächst und zählt zu unseren wichtigsten Investitionsfeldern. Marktanteile von Regionalsendern auf sprachregionaler Ebene mit den Sendern der SRG zu vergleichen, greift meiner Ansicht nach etwas zu kurz. Ein Beispiel: TeleZüri erreicht mit der Erstausstrahlung der «ZüriNews» im Grossraum Zürich im 2. Halbjahr 2016 im Durchschnitt täglich 21,6 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe 3+. Das ist bemerkenswert, nicht?

Durchaus. Aber die Privaten stellen sich oft auch besser dar, als sie sind. Während SRF konsequent den 3+-Marktanteil, also aller Zuschauer, kommuniziert, beschränken Sie sich häufig auf die werberelevante Zielgruppe oder wie eben auf den Grossraum Zürich. Weil es besser tönt?
Wie alle anderen TV-Sender richten wir uns an bestimmte Zielgruppen und Sendegebiete. TeleZüri, Tele M1 und TeleBärn richten sich an die Zielgruppe 3+ und an die 15- bis 59-Jährigen in den jeweiligen regionalen Sendegebieten. TV24 und TV25 an die 15- bis 49-Jährigen in der Deutschschweiz. Wir optimieren unsere Sender konsequent nach der jeweiligen Zielgruppe. Die SRG-Sender richten sich im Werbemarkt übrigens auch primär an die 15- bis 59-Jährigen und nicht an die Zielgruppe 3+. In der Zielgruppe 3+ erreichen SRF 1 und SRF zwei zusammen 28,5 Prozent, in der Zielgruppe 15 bis 59 erreichen sie 22,1 Prozent. Vielleicht kommuniziert die SRG ja auch deshalb lieber die Zielgruppe 3+.

Unterhaltungssendungen gehören nicht zum Service public der SRG, kritisieren die Privaten oft. Offenbar stehen die Rechte an «The Voice of Switzerland» zum Verkauf. Warum greifen Sie nicht zu?
Schweizer Unterhaltungssendungen gehören zum aktuellen Programmauftrag der SRG. Ob «The Voice of Switzerland» eine gute Interpretation des Programmauftrags der SRG war, das ist eine andere Frage. Für uns ist «The Voice of Switzerland» nicht mehr interessant, da es bei der SRG bereits schon im Programm war.

Apropos Programmauftrag: Wenn die No-Billag-Initiative vors Volk kommt – was stimmen Sie?
Nein.

Vermutlich aus gutem Grund: Wie viel Anteil haben die Gebührengelder an Ihrem Umsatz?
Ich stimme als Schweizer Bürger ab, nicht als Mitarbeiter von AZ Medien. Von unseren Sendern erhalten nur Tele M1 und TeleBärn Gebührengelder. Der Gebührenanteil liegt bei jeweils zirka einem Drittel. Tele M1 und TeleBärn könnten ihren Programmauftrag ohne Gebührengelder nicht erfüllen.

Wir sprechen hier von jährlich 5,8 Millionen Franken, die Sie erhalten. Müssten Sie also die Sender schliessen?
Ein tägliches Fernsehprogramm über relevante lokale und regionale politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Themen lässt sich ohne Gebührengelder weder für TeleBärn noch für Tele M1 refinanzieren.

TV scheint nun aber ausser Mode zu kommen. Suissedigital meldete Anfang Februar, dass die Kabelnetzbetreiber erneut Kunden verloren hätten.
Im Gegenteil: TV ist gross in Mode. Es gab noch nie so viele TV-Anschlüsse in der Schweiz wie heute. Die Kabelnetzbetreiber haben zwar 80’000 TV-Anschlüsse verloren, liegen aber noch immer bei beachtlichen 2,4 Millionen TV-Anschlüssen. Gleichzeitig hat Swisscom TV 145’000 Anschlüsse gewonnen und liegt neu bei 1,5 Millionen TV-Anschlüssen. Auch Sunrise hat zugelegt. Eine Abwanderung stelle ich also nicht fest. Ganz im Gegenteil: Die TV-Nutzung weitet sich zusätzlich auf immer neue Endgeräte aus. Die OTT-Plattformen Zattoo, Swisscom TV Air, Teleboy und Wilmaa kommen laut Net-Metrix im Januar zusammen auf 2,9 Millionen Unique Clients. Das ist enorm.

Da müssten Sie ja fast weiter ausbauen. Wann kommt TV26?
Ein weiterer Sender ist aktuell nicht in Planung. Aber: Sag niemals nie.

Mit TV24 scheinen Sie einen guten Lauf zu haben und konnten den Marktanteil steigern. Wie lautet das Rezept?
In der Tat. TV24 entwickelt sich sehr erfreulich. Wir sind inzwischen seit mehreren Monaten über der magischen Hürde von 1 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe. Das Rezept ist einfach: Sehr gute Inhalte.

Wie zum Beispiel?
Wir haben inzwischen mit allen grossen Hollywood-Studios Verträge geschlossen. Im 2017 werden wir erstmals exklusive Spielfilm-Blockbuster-Premieren im Programm haben, im April zum Beispiel «Fifty Shades of Grey». Daneben greift unsere Strategie, regelmässig Live-Sport-Highlights zu zeigen. Zuletzt hat die Übertragung der Unihockey-Weltmeisterschaft im Dezember und der Handball-Weltmeisterschaft im Januar sehr gut funktioniert. Sehr wichtig sind natürlich auch unser Vermarkter Goldbach sowie unsere eigene Vermarktungstochter Belcom. Ohne Einnahmen könnten wir uns das hochwertige Programm nicht leisten.

Live-Sport war also einer der wichtigsten Quotenbolzer. Ich nehme an, auf diese Steine wollen Sie weiter bauen.
Ja, absolut. Das nächste grosse Highlight ist das Fussballspiel zur WM-Qualifiaktion in der «Schweizer» Gruppe zwischen Portugal und Ungarn am 25. März. Ganz besonders freuen wir uns, am 10. April den «Match for Africa 3» zwischen Roger Federer und Andy Murray als exklusiver Host Broadcaster zu übertragen. Perspektivisch haben wir uns zudem die Rechte für die Handball-EM 2018 und 2020 gesichert.

Kürzlich hatte TV24 die Laureus Sport Awards live aus Monaco übertragen. Weshalb TV24 und nicht ein SRF-Sender?
Gegenfrage: Wieso nicht TV24?

Dann liegt darin die Stärke der Privaten?
Ja, durchaus. Es wäre sicher falsch zu behaupten, dass nur die SRG qualitativ hochwertige Live-Sport-Events übertragen kann. Für die Schweizer TV-Landschaft ist es sicher bereichernd, wenn auch private TV-Sender Sport-Events übertragen. Falls die SRG am einen oder anderen Ort etwas Gebührengelder einsparen möchte, sind wir zur Stelle.

Sehr grosszügig. Wir sprachen viel über TV24 und wenig über TV25. Gibts diesen Sender einfach, um die schlechten Serien aus den eingekauften Paketen unterzubringen und damit TV24 aufzuwerten?
(lacht) Schlechte Serien sind mir in unserem Programm keine bekannt. TV25 richtet sich primär an ein weibliches Publikum. Wir glauben, dass wir da ein Potenzial für Wachstum haben.

Zurück zu Ruedi Matter. Als SRF-Direktor ist er Chef über drei TV- und sechs Radiosender. Sie sind seit Anfang Februar Chef über fünf TV- und zwei Radiosender. Werden es noch mehr Radiosender?
Ja, wir bereiten aktuell den Start von zwei nationalen DAB+-Radiosendern vor.

Können Sie mehr zu den Sendernamen und der Ausrichtung sagen?
Das ist heute noch etwas zu früh. Wir werden dazu aber bald kommunizieren.

Und wann soll es damit losgehen?
Wir planen den Start im zweiten Quartal 2017.

Desweiteren investieren Sie in die Online-Auftritte der Radios, wie auch Radio-24-Geschäftsführer Florian Wanner schon mal angetönt hat. Was ist da zu erwarten?
Ein komplett überarbeiteter Webauftritt inklusive Apps. Den neuen Webauftritt von Radio Argovia launchen wir in der ersten März-Hälfte, Radio 24 folgt dann in der zweiten März-Hälfte.

Wo liegt die Zukunft der Radios – online oder immer noch über den Äther?
Wir rechnen 2020 mit einer Drittel-Drittel-Drittel-Distributionssituation. Ein Drittel UKW, ein Drittel DAB+ und ein Drittel IP.

Tamedia lanciert ein «20 Minuten Radio» in der App. Ist ein reines Webradio keine Option für Sie?
Radio 24 und Radio Argovia betreiben heute zusammen bereits 17 Webradios.

TV, Radio, Online – und AZ Medien hat ja auch noch Zeitungen und Zeitschriften: Inwiefern arbeiten Sie crossmedial über verschiedene Titel hinweg?
Wir sehen in der crossmedialen Bearbeitung von Themen ein grosses Potenzial und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Medien. Ein aktuelles Beispiel hierzu ist der «Match for Africa 3», den AZ Medien TV & Radio gemeinsam mit der «AZ Nordwestschweiz», der «Schweiz am Wochende» und «Watson» crossmedial begleitet.


* Roger Elsener ist seit 2013 Geschäftsleiter des TV-Bereichs der AZ Medien. Im Februar 2017 wurden die Unternehmensbereiche TV und Radio zusammengeführt zu AZ Medien TV & Radio. Der 38-Jährige leitet diesen Geschäftsbereich. Dazu gehören TeleZüri, Tele M1, TeleBärn, TV24, TV25, Radio 24, Radio Argovia und der Vermarkter Belcom. Zuvor war Elsener unter anderem Geschäftsführer von MTV Networks in der Schweiz.

 

 

 

 



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