19.01.2017

SRG

Verbrechen sind «Verbrechen» zu nennen

Ombudsmann Roger Blum erwartet keine «neutrale», sondern faktentreue und faire Berichterstattung, heisst es in einem Bericht zu einer Beschwerde über die Syrien-Berichterstattung.
SRG: Verbrechen sind «Verbrechen» zu nennen
Im Syrienkonflikt gelte es für die Medien, zu allen Konfliktparteien Distanz zu halten, schreibt SRG-Ombudsmann Roger Blum weiter. (Bild: Keystone)

«Medien müssen Verbrechen ‹Verbrechen› nennen können» und sich am Massstab Menschenrechte orientieren, schreibt SRG-Ombudsmann Roger Blum in seinem Schlussbericht zu einer Beschwerde über die Syrien-Berichterstattung von Radio SRF.

Für Medien und Medienschaffende seien die Menschenrechtserklärungen und -konventionen der UNO und des Europarats sowie die «Erklärung der Pflichten und Rechte von Journalistinnen und Journalisten» des Presserats, «die auch die Verpflichtung zur Wahrheit enthält» die ethischen Massstäbe für ihre Arbeit.

Journalismus sei immer eine Fremddarstellung. «Aber neutral berichten hiesse ja, dass man über keinerlei Massstab verfügt», schrieb Blum. «Wenn eine Partei ein offensichtliches Verbrechen begeht und die andere keines, dann würde die neutrale Berichterstattung erfordern, dass man beiden Parteien Verbrechen zutraut und beiden auch friedfertiges Verhalten. Das ist aber Unsinn.»

Distanz zu allen

Nehme man dagegen die Seite der Einhaltung der Menschenrechte ein, dann führe dies dazu, «dass man Konfliktparteien, die sich weitgehend an diese Kodizes halten, mehr vertraut als jenen, die sich nicht an diese Kodizes halten.»

Im Syrienkonflikt gelte es für die Medien aber, zu allen Konfliktparteien Distanz zu halten, schrieb Blum weiter, mindestens solange nicht restlos geklärt sei, welche Lager in strittigen Punkten Recht hätten.

Russland neutral behandeln

Ein Radiohörer hatte einen Beitrag zu Syrien der Sendung «Heute Morgen» von Radio SRF beanstandet, in der in der Moderation der Satz gefallen war: «Der Machthaber Assad bombt sich mit Hilfe Russlands einen Sieg gegen die Rebellen.»

Die Rolle Russlands werde von SRF «systematisch verdreht dargestellt», schrieb der Beschwerdeführer. Assads Regierung werde stets als «Regime» abgewertet, die Rebellen dagegen immer positiv dargestellt. Er forderte das Radio auf, ausgewogen und neutral zu berichten.

Neutralität kein Kriterium

«Neutralität ist kein journalistisches Kriterium, sondern ein politisches», widersprach der stellvertretende Chefredaktor, Fredy Gsteiger, in seiner Stellungnahme. Zudem stelle sich die Frage, zwischen welchen Lagern SRF sich neutral positionieren müsste. Ziel sei vielmehr eine faktengetreue Schilderung sowie nachvollziehbare und gut argumentierte Einschätzungen.

Zum kritisierten Satz schrieb Gsteiger, dieser sei eine Tatsachenfeststellung, wenn auch wie oft in Anmoderationen eine verkürzte. Das Wort Regime passe dagegen exakt: In Syrien hätten unter der Herrschaft von Vater und Sohn Assad noch nie freie, demokratische Wahlen stattgefunden.

Der Begriff Rebellen sei wertneutral, dies im Gegensatz zu Aufrührern und Terroristen oder Befreiungskämpfern und Widerständlern. SRF habe seit Beginn des Konflikts darüber berichtet, dass Teile der Opposition «unsere westlich-demokratischen Werte keineswegs teilen, ja oft massiv verletzen». Beide Seiten hätten Kriegsverbrechen begangen. (sda/cbe)

 

 

 



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