24.05.2017

Podium

Wie Medien die Zukunft meistern können

Brauchen Medien staatliche Hilfe, um ihre Aufgabe als vierte Gewalt wahrnehmen zu können? Dazu konnten Journalist Oliver Fuchs und Nationalrätin Jacqueline Badran keinen gemeinsamen Nenner finden. Die Politikerin überraschte ausserdem mit einem bemerkenswerten Votum gegen NZZ-Chefredaktor Eric Gujer.
Podium: Wie Medien die Zukunft meistern können
Diskutierten über die Zukunft der Medien (v.l.): Markus Grill (Chefredaktor des deutschen Recherchezentrums Correctiv), Nadja Schnetzler («Republik», Prozesse und Zusammenarbeit), Elia Blülle (Moderator), Jacqueline Badran (SP-Nationalrätin) und Oliver Fuchs (Social-Media-Leiter NZZ). (Bild: Tim Frei)
von Tim Frei

Wenn sich Schweizer über Medien unterhalten, dreht sich die Diskussion oft um die «Medienkrise». Das Podium «Journalismus + X = Zukunft» vom Dienstag nahm sich vor, diesen negativ besetzten Diskurs zu vermeiden. Stattdessen sollten im «Karl der Grosse» in Zürich Lösungsansätze im Fokus stehen. Darüber debattierten Oliver Fuchs (Social-Media-Leiter NZZ), Markus Grill (Chefredaktor des deutschen Recherchezentrums Correctiv), Nadja Schnetzler («Republik», Prozesse und Zusammenarbeit) und Jacqueline Badran (SP-Nationalrätin).

«Wenn wir in der Zukunft Medien als vierte Gewalt haben möchten, kommen wir an der staatlichen Medienfinanzierung nicht vorbei», sagte Jacqueline Badran und lancierte damit die Debatte. Oliver Fuchs reagierte auf diese Aussage und den Nachschub der Nationalrätin, Verlage sollten nicht mehr nach Profit streben, überrascht: «Dass wir nun doch wieder über die Medienkrise reden, finde ich schade». Es gebe doch zahlreiche Beispiele innovativer Medienprojekte, die gerade nicht auf staatliche Hilfe angewiesen seien. Zumal zwei Vertreter solcher Produkte zugegen seien. Nadja Schnetzler konnte mit Badrans Votum ebenfalls nicht viel anfangen: «Ich finde es zu einfach, die Finanzierung von öffentlicher Hand als einziges Geschäftsmodell für guten Journalismus anzusehen.»

Propagandavorwurf an Gujer

Die staatliche Mediefinanzierung ist für Fuchs problematisch. Denn dabei habe man immer den Verdacht, dass ein Einfluss vorliege. Das brachte Badran regelrecht auf die Palme: «Der Einfluss durch politische Personen oder durch die Werbung ist doch viel grösser». Die Politikerin ging sogar noch einen Schritt weiter und meinte, dass Chefredaktor Eric Gujer die NZZ zu einer «Propagandaschleuder» umbauen würde. Schnetzler fügte an, es sei irrelevant, wer ein Medium beeinflusse. Viel wichtiger sei, dass man Redaktionen möglichst unabhängig aufbaue.

Wie steht es um das Vertrauen in die Medien?

Ob und warum Medien an Vertrauen in der Bevölkerung verloren haben, war ein weiterer Diskussionspunkt. Für Badran gibt es diesbezüglich keine zwei Meinungen: «Ich vertraue den Medieninhalten nicht mehr – zumindest in diesen Fällen, bei denen ich mich auskenne». Es gehe dabei nicht um Meinungen, sondern um Informationen, die nicht den Fakten entsprechen würden. Dafür verantwortlich sind laut der Zürcherin strukturelle Dinge in den «Redaktionsstuben». «Journalisten stehen erstens unter Zeitdruck und sind zweitens viel weniger spezialisiert als früher», so Badran. Journalisten mit Dossierkompetenz habe sie jeweils geschätzt.

Fuchs gestand zwar zu, dass Medien auch zum Spielball von Interessen werden könnten und Journalisten hier sorgfältig vorgehen müssten. «Ich bin aber überzeugt davon, dass sich kein Journalist vorgenommen hat, Menschen gezielt hinters Licht zu führen».

Dem Social-Media-Team der NZZ soll im Kontakt mit dem Publikum immer wieder auffallen, dass dieses kein Verständnis für die unterschiedlichen journalistischen Formen habe: Den Usern falle es schwer, zwischen Information und Meinung zu unterscheiden. «User loben Kommentare und Leitartikel als ‹gute Recherche› oder ‹sehr ausgewogen› – und kritisieren umgekehrt nachrichtlich-sachliche Stücke als einseitig oder tendenziös», erklärt Fuchs.

Es mangelt an der Meinungsvielfalt

Markus Grill zweifelt daran, dass der Vertrauensverlust in die Medien so gross ist. Er stellte aber fest, dass sich das Meinungsspektrum verengt habe. Dies hätte sich vor ein paar Jahren bei der Griechenlandkrise gezeigt. Da hat er so etwas wie einen «Herdentrieb» beobachtet: «Viele Journalisten schrieben in die gleiche Richtung – oft dominierte der Frame Der Grieche kann nicht sparen».

Ohne den Begriff «Medienkrise» ist das Podium nicht ausgekommen. Trotzdem kann der Veranstalter ein positives Fazit ziehen. Denn unter den fast 50 Zuschauern befanden sich nicht nur viele Frauen, sondern auch viele Junge – ein erfreulicher Unterschied zu den letzten zwei Podien über Qualitätsjournalismus und den Fall Jürg Jegge, über die persoenlich.com berichtete.



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