09.11.2000

"Wir übersetzen das Ikea- und das H&M-Modell in die Zeitungswelt"

Metropol-Geschäftsführer Urs Zeier will unabhängiger von der Konjunkturlage werden. Dazu braucht er für seine Pendlerzeitung nebst existenzsichernden Stellenanzeigen mehr nationale Werbekampagnen. Das Interview:

Metro International publiziert heute von seiner Londoner Zentrale aus 17 Pendlerzeitungen auf drei Kontinenten. Spiegelt sich diese Globalisierung des Mutterhauses in der Unternehmenskultur des Schweizer Ablegers Metropol wider?

Selbstverständlich. Bei Anstellungsgesprächen etwa fragen wir immer nach den Englischkenntnissen der Bewerber, denn wir kommunizieren täglich mit London und dem einen oder anderen Schwesterblatt. Die Atmosphäre in einem so internationalen und rasant wachsenden Medienkonzern ist eine völlig andere als in einem seit 100 und mehr Jahren ähnliche Abläufe pflegenden Zeitungsverlag.

Kommt hinzu, dass Metro International ein Spin-off der schwedischen Modern Times Group ist, die mit Privatfernsehen gross wurde.

Diese Herkunft hat den Arbeitsprozess und die Einstellung zu Printprodukten zusätzlich entstaubt. Die Metro-Idee ist aber grundsätzlich durch und durch skandinavisch. Sie hat mich von Beginn weg mehr an Ikea und H&M erinnert als an konventionelle Gratiszeitungen. Diese Unternehmen haben sich von vornherein viel von dem abgeschminkt, was traditionelle Firmen immer noch mitschleppen. Wir übersetzen dieses Effizienzmodell in die Zeitungswelt.

Wie autonom können Sie mit Metropol von Zürich aus agieren?

Zu rapportieren habe ich dem Westeuropachef Jan van der Marel, der gleichzeitig Managing Director von Hollands Metro ist. Dieser wiederum orientiert den operativen Verantwortlichen in London, Jens Torpe, über den Geschäftsgang. Wie alle Tochtergesellschaften haben auch wir wöchentlich ein sehr strenges und detailliertes Reporting.

Ist man in London zufrieden mit der bisherigen Performance?

Unter Berücksichtigung der hiesigen Marktverhältnisse: ja. Durch den schnellen Breakeven, den Metro International in anderen Ländern erreichte, ist man ein bisschen verwöhnt. In Stockholm beispielsweise, wo dieses Zeitungskonzept 1995 erfunden wurde, erreichte Metro bereits nach neun Monaten die Gewinnzone. Bei den ersten Auslandsausgaben in Prag und Budapest dauerte es immerhin schon knapp zwei Jahre. Holland wiederum, wo Metro im Juni 1999 startete, hat dieses Jahr schon einige verlustfreie Monate geschafft.

Demnach müssen Sie also in Zürich spätestens Anfang 2002 schwarze Zahlen schreiben...

In London weiss man, dass die Konkurrenzsituation hier noch etwas intensiver ist als in den genannten Ländern. In Zürich gab es mit dem Zürich Express schon vor unserem Markteintritt einen Rivalen. Die ganz direkte Konkurrenz wird zudem von denselben Personen geführt, die im Sommer 1998 den ersten Businessplan für Metro International erstellten, um dann im Jahr darauf fürs norwegische Verlagshaus Schibsted 20 Minuten zu realisieren. Deswegen veranschlage ich unseren Breakeven auf Ende 2002.

Die damalige Zögerlichkeit kommt Sie teuer zu stehen. Wie viel hat der Vorsprung, mit dem der Ex-Metro-Projektleiter und jetzige 20 Minuten-VR-Delegierte Sacha Wigdorovits launchen konnte, bis dato gekostet?

Über konkrete Zahlen reden wir genauso wenig wie unsere Konkurrenz. Der strategische Unterschied zwischen den beiden Produkten besteht jedoch darin, dass wir erst Verträge mit öffentlichen Transportorganisationen abschliessen und dann die Medientrommel rühren. Herr Wigdorovits und seine Freunde machen es bekanntlich genau umgekehrt.

Für den Exklusivabschluss mit den SBB soll Metropol um die 1,5 Mio Fr. hingeblättert haben.

Das ist reine Spekulation. Der damalige Betrag lag jedenfalls deutlich unter dem, was jetzt nötig gewesen wäre, um die Ausschreibungen in Basel und Bern zu gewinnen.

Der Branchenguru Mario Garcìa meinte kürzlich, dass Anno 2010 niemand mehr Geld für Zeitungen ausgeben wird. Teilen Sie diese Meinung?

Nein. Kauf- und Gratiszeitungen werden weiterhin nebeneinander existieren. Wo immer wir auf den Markt kommen, leidet allerdings die Auflage und speziell der Kioskverkauf der Traditionstitel. Der Tages-Anzeiger etwa setzt laut Kiosk AG seit unserem Launch 23 Prozent weniger Exemplare an Zürichs Bahnhöfen ab. Der Blick ist mit 18 Prozent bislang etwas glimpflicher davongekommen.

Von den Verschiebungen im Lesermarkt hat Metropol anzeigenmässig bislang kaum profitiert. Glauben Sie, dass die Nationalisierungsstrategie den Inserate-Bann brechen kann?

Wir positionieren uns nicht nur bei unserer Zielgruppe, sondern auch bei den Inserenten als "Qualitätszeitung für Pendler". Unser höchstes Gut ist nämlich unsere überdurchschnittlich gebildete und verdienende Leserschaft. Diese Menschen versuchen wir nun mit einer Auflage von knapp 300'000 Exemplaren flächendeckend zu erreichen und sind überzeugt, damit interessanter für nationale Kampagnenwerbung zu werden.

Die neue Mediaanalyse Schweiz (Mach) zeigt, dass Metropol ausgerechnet beim weiblichen Publikum, das ja die Mehrzahl der Kaufentscheide fällt, wesentlich schlechter ankommt als 20 Minuten und Zürich Express. Ein Grund für die Zurückhaltung der Inserenten?

Unser Frauendefizit hat vor allem mit der anfänglich mangelhaften Anmutung unseres Produkts zu tun. Beim Start erschienen wir noch nicht vollständig vierfarbig und der Umbruch war vierspaltig und also vergleichsweise unattraktiv. Seit dem sich dies geändert hat, steigt unser Frauenanteil kontinuierlich. Aber wir wollen gar nicht frauenlastig werden, nur etwas ausgeglichener.

Eine weitere Ursache ist wohl, dass klassische Männerthemen wie Politik und Wirtschaft in Ihrem Blatt überproportional stark vertreten sind.

Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang eher die Frage, ob wir unseren Themenmix oder nicht vielmehr gewisse Leute ihr Frauenbild ändern sollten. Aber wenn es Sie beruhigt: Wir haben zusätzlich zur Lifestyle- letzthin noch eine People-Seite eingeführt.

Media-Agenturen veranschlagen das Stück, welches sich Pendlerzeitungen vom nationalen Werbekuchen abschneiden können, auf jährlich 12 bis 15 Mio Fr. Eine realistische Zahl?

Bis in drei Jahren wollen wir einen Werbemarktanteil von 5 bis 8 Prozent erreichen - und zwar je national und lokal. Sprachregional gehen wir dabei von einem Werbevolumen von deutlich über 200 Mio Fr. aus. Hinzu kommen noch der Stellenmarkt und die ortsansässigen Inserenten, über die wir uns momentan hauptsächlich finanzieren. Dieser Anteil macht etwa noch einmal so viel aus.

Bis dato begnügt sich Metropol mit den Deutschschweizer Agglomerationen. Ist Biel die natürliche Sprachgrenze Ihrer Expansionspolitik?

Unsere nächste Station ist tatsächlich Biel, wo wir seit Anfang Woche mit Handverteilern präsent sind. Für den Moment stossen wir damit an eine Wachstumsgrenze. In Zukunft könnten sich jedoch auch in den zwei anderen Sprachräumen Synergien ergeben...

...wie zum Beispiel im Tessin durch eine Kooperation mit Metro Mailand, das Ende Oktober mit 200'000 Auflage gestartet ist.

Das ist eine gute Idee. Wir denken derzeit in allerlei Richtungen. Der Süden ist eine davon.

Eine andere die Romandie?

Das erste französischsprachige Metro wird sicherlich nicht von Zürich aus lanciert. Aber sollten wir in Paris oder Lyon launchen, könnte es in der Westschweiz sehr schnell gehen.



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