20.07.2017

Netmetrix

Zwei Fälle von Klickbetrug in der Schweiz

In den letzten zehn Jahren haben hierzulande zwei journalistische Portale ihre Klickzahlen manipuliert und sind aufgeflogen. Laut Netmetrix liegt ein Fall fünf, der andere zwei Jahre zurück.
Netmetrix: Zwei Fälle von Klickbetrug in der Schweiz
Traffic-Tabellen von Netmetrix. (Bild: red)
von Michèle Widmer

Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser ist hart. Im Onlinegeschäft gibt es hauptsächlich eine Währung: Den Klick. Je höher die Zahl der Unique Clients, desto besser kann ein Nachrichtenportal Inseratekunden mit Reichweitezielen für sich gewinnen. Die relevanten Zahlen dazu kommen in der Schweiz von Netmetrix. Die unabhängige und nicht gewinnorientierte Branchenorganisation liefert jeden Monat zertifizierte Daten von über 500 Webangeboten in der Schweiz und in Liechtenstein. Dazu zählen einerseits journalistische Angebote wie zum Beispiel nzz.ch, 20minuten.ch und handelszeitung.ch. Andererseits nutzen Serviceanbieter wie starticket.ch, moneyhouse.ch oder sbb.ch den Dienst. Sie alle entrichten Netmetrix für die Auswertung eine Gebühr.

In der Schweiz stützt sich die Werbewirtschaft bei der Mediaplanung grösstenteils auf die Traffic-Zahlen von Netmetrix. Dem jeweiligen Publikationstag Anfang Monat dürften die Verantwortlichen beim einen oder anderen Portal angespannt entgegenblicken.

Bei Plausibilisierung aufgeflogen

Offenbar wurde dieser Druck in Verlagshäusern zu gross, wie sich nun zeigt. Es gibt in der Schweiz Onlineportale, die auf illegalem Weg versucht haben, ihre Nutzerzahlen zu beschönigen. «In den letzten zehn Jahren gab es zwei Fälle von aktivem Klickbetrug bei journalistischen Angeboten», bestätigt Andreas Stopper, Head of Traffic Measurement bei Netmetrix, auf Anfrage von persoenlich.com. Beide Male seien die Traffic-Zahlen manipuliert worden. In einem Fall sei eine Klickfarm beauftragt worden.

Durch ein Set von automatisierten, technischen Traffic-Analysen sind die Missbräuche schliesslich im Rahmen der regulären Kontrollen aufgeflogen. Beim Monitoring untersuchen die Spezialisten verschiedene Kriterien wie jene des Traffic-Musters. Dabei geht es um den zeitlichen Abstand der Klicks oder den geografischen Standort der IP-Adressen.

Schriftliche Abmahnung

Welche journalistischen Portale bei den Nutzerzahlen betrügen wollten, sagt Stopper nicht und begründet: «Unsere Aufgabe liegt darin, zertifizierte Nutzungs- und Nutzerdaten zu liefern.» Er erwähnt allerdings: Ein Fall liegt rund fünf, der andere zwei Jahre zurück.

Netmetrix kann Plattformen, welche die vertraglich geregelten Publikationsrichtlinien verletzen, sanktionieren. Laut Reglement droht ihnen eine Konventionalstrafe oder die sofortige Vertragsauflösung. «Alle Kunden verpflichten sich vertraglich, keinerlei Massnahmen zu ergreifen, welche den Traffic in irgendeiner Weise reglementwidrig verändern», erklärt Stopper. Bei Verstössen seien in Abhängigkeit des Schweregrades unterschiedliche Sanktionen vorgesehen.

Bei den konkreten Betrugsfällen aus den Jahren 2012 und 2015 hat zuerst eine interne Arbeitsgruppe beraten und eine Empfehlung für das weitere Vorgehen abgegeben. Laut Stopper wurden beide Portale schriftlich abgemahnt und auf mögliche Folgen bei erneutem Missbrauch verwiesen. Die Verantwortlichen hätten sich kooperationsbereit gezeigt. Weil deren Netmetrix-Zahlen noch vor der Publikation korrigiert worden waren, ist heute nicht mehr möglich nachzuvollziehen, welche Portale unrealistische Schwankungen hatten.



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Kommentare

  • Ruben Welsch, 20.07.2017 23:37 Uhr
    Fall für die Staatsanwaltschaft, die Werbewirtschaft hat nach den Zahlen Budgets verteilt. Und wenn es noch *börsenkontierte* Newsportale waren ist der Fall nochmals genauer zu benennen - Stichwort Organhaftung. Also bitte raus mit den Namen!
  • Peter Zwegert, 20.07.2017 15:43 Uhr
    Und wie soll man Lasttests, Penetrationtests sowie echte DDOS vom Klickbetrug unterscheiden ? Und wenn jemand dem Konkurrenten böses will, manipuliert er immer mal wieder seine Klickzahlen nach oben, bis er ausgeschlossen wird. Es mag Netmetrix überraschen, aber das Internet ist ein böser Ort, und es ist ihre Aufgabe, Heuristiken anzuwenden, der einen Betrug (möglichst) ausschliesst.
  • Sandro Prezzi, 20.07.2017 14:45 Uhr
    Die Namen müssen offengelegt werden. Ansonsten geraten alle Newsplattformen der Schweiz in Generalverdacht und das Vertrauen der Branche in Online (insbesonders der Werbeauftraggeber) schwindet noch schneller als bisher. Im Interesse aller ist eine Offenlegung unumgänglich.
  • Monica Marty, 20.07.2017 13:22 Uhr
    Ja, auch ich bin der Meinung, dass die Namen der fehlbaren Portale veröffentlicht werden müssen. Damit wir denjenigen, die nicht betrügen, weiterhin vertrauen können.
  • Michael Scharenberg, 20.07.2017 12:58 Uhr
    Absolut, die NAMEN! erst betrügen, dann belohnung durch anonymität: geht gar nicht!
  • Thomas Hartmann, 20.07.2017 12:27 Uhr
    ...und die Dunkelziffer wird wohl noch höher sein.
  • Peter Zimmermann, 20.07.2017 11:48 Uhr
    Tatsächlich, her mit den Namen. Nicht aus blosser Neugier, sondern weil ein solches Verhalten ethische und moralische Fragen aufwirft, unter anderem auch, wie mit einer solchen betrügerischen Disposition mit Informationen und News umgegangen wird.
  • Peter Zwissig, 20.07.2017 08:48 Uhr
    pic or didn't happen. ernsthaft jetzt, her mit den namen!
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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