06.10.2015

Europäischer Gerichtshof

Einfacher Datenfluss in die USA ist ungültig

Das Datenabkommen der Schweiz mit den USA ist in Frage gestellt.

Private Daten sind in den USA nicht ausreichend vor dem Zugriff der Behörden und Geheimdienste geschützt. Der Europäische Gerichtshof erklärte daher die "Safe Harbor"-Regelung, den Rechtsrahmen für Datentransfers zwischen der EU und den USA, für ungültig. Die Schweiz ist tangiert.

Die Entscheidung der Richter in Luxemburg vom Dienstag hat weitreichende Folgen für die Internet-Wirtschaft. Vor allem kleinere Unternehmen verliessen sich bisher darauf, dass Datenübermittlung in die USA unbedenklich ist. Ohne die 15 Jahre alte Vereinbarung "Safe Harbor" müsste jede Firma selber dafür Sorgen, dass der rechtliche Rahmen nach der Datenschutz-Grundverordnung eingehalten wird. Das kann zusätzliche Verträge und Aufwand für Anwälte bedeuten. Betroffen sind Unternehmen, die Daten in die USA fliessen lassen.

Das Urteil ist ein juristischer Erfolg für den österreichischen Facebook-Kritiker Max Schrems, der das Verfahren ausgelöst hatte. Schrems hatte gegen das weltgrösste Online-Netzwerk Facebook geklagt, weil seiner Ansicht nach seine Facebook-Daten in den USA nicht vor staatlicher Überwachung etwa durch die Geheimdienste geschützt sind. Nun ist der Weg dafür frei, dass seine Beschwerde auch geprüft wird.

Facebook selbst sieht sich allerdings nicht von dem Luxemburger Urteil betroffen. "Facebook verlässt sich wie Tausende europäische Unternehmen auf eine Reihe von Mitteln nach EU-Recht, um unabhängig von Safe Harbor legal Daten von Europa in die USA zu übermitteln", erklärte ein Sprecher.

Schweiz betroffen

Auch die Schweiz verfügt über das "Safe Harbor"-Abkommen mit den USA. Das Abkommen mit den USA werde durch den Entscheid des Gerichtes in Frage gestellt, sagte Francis Meier, Informationsbeauftrager des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragen Hanspeter Thür, auf Anfrage. Bei der Neuverhandlung werde für die Schweiz nur ein koordiniertes Vorgehen unter Einbezug der EU zum Ziel führen, sagte Meier weiter.

Von heute auf morgen werde nicht alles ändern, sagte der Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür zudem in einem Interview mit Radio SRF. Dies ergebe sich einerseits aus der ökonomischen Realität, aber auch aus der Realität der bisherigen Datenflüsse. Diese müssten komplett neu aufgegleist werden, was aber nicht so schnell umgesetzt werden könne.

Blanko-Erlaubnis für Datentransfer

Schon seit der Datenschutz-Grundverordnung von 1995 gibt es diverse Wege, auf denen Daten legal ins Ausland fliessen können. "Safe Harbor" war nur eine Art Blanko-Erlaubnis, die den Datentransfer vereinfachen sollte. In dem Verfahren wollte nun ein irisches Gericht im Kern wissen, ob nationale Behörden das Datenschutzniveau in den USA auch selbst prüfen können, oder ob sie an das europäisch-amerikanische Abkommen gebunden sind.

Die Vereinbarung soll europäische Datenschutzstandards garantieren, auch in den USA. Allerdings mussten US-Firmen sich lediglich registrieren lassen und sich dazu verpflichten, bestimmte Prinzipien einzuhalten. Die Luxemburger Richter bestätigten ausdrücklich, dass Betroffene das Recht haben, die nationalen Gerichte anzurufen. Nationale Datenschutzbehörden dürften prüfen, ob die Daten einer Person entsprechend geschützt seien.

Strenge Richter

Doch die Richter gingen noch weiter: Nach Ansicht des Gerichts bietet das – als wirtschaftsfreundlich bekannte – "Safe Harbor"-Abkommen keine ausreichende Basis für eine Datenübermittlung. Das Gericht erklärte die Einschätzung der EU-Kommission, wonach die USA ein angemessenes Schutzniveau von übermittelten personenbezogenen Daten gewährleisten, für ungültig. In den USA hätten Überlegungen nationaler Sicherheit Vorrang vor den Personenrechten und die Europäer könnten nicht dagegen vorgehen.

In Irland, dem Europa-Sitz von Facebook, liegen zahlreiche Datenschutzbeschwerden vor. Diese müssen nun genau geprüft werden, mahnen die Luxemburger Richter und schreiben vor, "dass die irische Datenschutzbehörde die Beschwerde von Herrn Schrems mit aller gebotenen Sorgfalt prüfen" muss.

Für die EU-Kommission kommt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Unzeit, denn sie hat in den vergangenen zwei Jahren das "Safe-Harbour"-Abkommen mit den USA neu verhandelt. Einem Reuters vorliegenden Dokument zufolge standen die Arbeiten kurz vor dem Abschluss. (sda/dpa/afp/reu)



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