17.12.2014

Bänz Friedli

"Die Reporter sollten hinausgehen ins Land!"

Vor kurzem ist Bänz Friedli der Salzburger Stier für die Schweiz zugesprochen worden. Der bedeutende Kleinkunstpreis geht damit an einen Frischling im Kabarett-Geschäft. Den Hang zum "Bühnentier" und die "grossi Schnurre" habe er aber schon immer gehabt, meint der 49-Jährige, den die Schweiz vor allem als Kolumnisten und Hausmann, aber auch als Musikjournalisten, als Pendler und Sprachfetischisten kennt. Ein Interview über Jugendslang, plumpe Gags, schlampigen Journalismus und fantastische Musik.
Bänz Friedli: "Die Reporter sollten hinausgehen ins Land!"

Bänz Friedli, welches ist Ihre letzte Entdeckung in Sachen Jugendslang?
Es kommen vor allem täglich neue Ausdrücke dazu, die laut meinen Kindern passé sind, dabei waren sie eben noch neu: "Hääängs!", "hobbylos" und "Swag" sind so was von uuuralt. Am liebsten ist mir im Moment "tmi", das für "too much information" steht und sich so gut auf all die Dinge anwenden lässt, die wir nicht wissen wollten, aber doch täglich zu schauen und zu lesen genötigt sind, von Frau Kardashians Hintern bis zum TV-Bachelor…

Testen Sie Wörter, die Sie irgendwo aufschnappen, eigentlich auch mal an Ihren Kindern?
Ich frage sie höchstens um Rat. Selber Jugendslang zu verwenden, sei es auch nur testhalber, ist peinlich. Überhaupt habe ich dank der Kinder gelernt, wie peinlich es ist, wenn sich ein bald 50-Jähriger berufsjugendlich gibt. Die Kapuzenpullis hab ich mittlerweile fast alle aussortiert.

Als Kabarettist mit eigenem Bühnenprogramm sind Sie ein Newcomer. Wo haben Sie das Selbstvertrauen gesammelt? An Lesungen?
Selbstvertrauen ist vielleicht das falsche Wort, das lässt sich vermutlich nicht sammeln; den Hang zum "Bühnentier", den hat man wohl schon in sich drin, und die "grossi Schnurre" hatte ich schon als Knirps. Was ich aber an einigen hundert Lesungen sammeln konnte, ist Erfahrung. Es gibt ganz vieles, das lernt man nur live, nur im direkten Kontakt mit dem Publikum: Timing, Dosierung von Pointen, Gestik und so weiter. Insofern ein Riesenglück für mich, dass ich mich "by doing" an die Bühne herantasten konnte.

Ich finde die Form interessant. Ihr Programm ist ja mehr ein "Schon sonderbar, diese Jugend!", das schliesslich in einem "Hey, die sind imfall voll in Ordnung" mündet – ein Einfühlungsversuch über die sprachliche Ebene. Alles rasant und mit Wortwitz vorgetragen. Oder hätten Sie gerne die grossen Pointen ausgepackt?
Was meinen Sie mit grossen Pointen? So die dicken Schenkelklopf-Witze? Die Instant-Brüller? Die sind nicht so mein Ding. Die gehören vielleicht ins Fernsehen. In einem zweistündigen Theaterabend lässt sich ein Thema anders entwickeln. Ich finde Humor ohnehin eine ernste Sache. Zudem ist mir das Thema, nämlich ein Plädoyer für die "heutige Jugend", ungemein wichtig. Vielleicht fast zu wichtig. Ein nächstes Programm wird womöglich wieder mehr Leichtigkeit haben.

Aber daran, dass ich dem Publikum auf unterhaltsame Weise Aussagen unterjubeln will, die mir wichtig sind, wird sich wohl nichts ändern. Übrigens hat es in "Gömmer Starbucks?" durchaus auch saublöde Sprüche drin. Eine Journalistin des "Berner Oberländers" schrieb unlängst, es gebe auch Kalauer in meinem Programm, und meinte es als Kritik. Aber hoffentlich gibt es darin Kalauer! Ich hoffe sogar, es gelinge mir, das Spektrum an Lachern vom flachen, flapsigen Spruch bis zum ziemlich hintergründigen Wortspiel auszuloten. Ich möchte, dass verschiedene Arten von Humor vorkommen. Und zwischendurch hat das Publikum schlicht eine Verschnauf- und Denkpause verdient. Dann brauchts wieder mal einen plumpen Gag.

Was ist ein plumper Gag, der bei Bänz Friedli durchgeht?
Ich finde Peach Weber lustig, zum Beispiel. Weil der sich bewusst doofer gibt, als er ist. In seinen holprigen Liedlein wie "I bene Aargauer ond be stolz dodruf" steckt immer auch viel Selbstironie. Einer meiner plumpen Gags? Vielleicht derjenige, dass meine Tochter bestimmt bald den ersten Freund heimbringe: "Da kommst du dann am Morgen ins Badezimmer, es steht schon einer dort und sagt: 'Hallo, 'ch bin Goran. Wär bisch du?'" Aber so was kann man eigentlich gar nicht aufschreiben, das geht nur live…

Sie sind eine Ausnahme in der schreibenden Zunft: Nur wenige haben nicht nur eine spitze Feder, sondern auch eine scharfe Zunge. Sie hüpfen auf der Bühne gar von Rolle zu Rolle. Übungssache oder war der Bänz schon immer ein eloquenter Siech?
Vieles, was leicht daherkommt, ist harte Büez. Das ist im Schreiben genauso wie auf der Bühne. Es will alles erarbeitet sein, und gerade einen rasanten Slangdialog unter Jugendlichen – den muss man schlicht trainieren bis zum Gehtnichtmehr. Das Flair für Dialekte und Jargons hatte ich aber offenbar schon immer. Als 13-Jähriger parodierte ich am Turnverein Unterhaltungsabend im Bernbiet den Fernsehmann Heinz Pütz und den Velorennfahrer Beat Breu.

Als Kolumnist für den "Brügglibuur" – früher für "20 Minuten" - dürfen Sie nie um eine Idee verlegen sein. Wenn dann doch keine kommt: Ab wann werden Sie nervös?
Ich selber werde nie nervös. Eher die Redaktion, die schon bald die Druckmaschinen anwerfen möchte und immer noch auf den Friedli-Text wartet… Es braucht eine gewisse Gelassenheit, dann fallen einem die Themen aus dem Alltag immer zu. Begänne ich zu hypern: Huch! Ich brauche noch eine Pointe! Ich muss noch eine Anekdote erleben!, dann wäre Feierabend. Ruhig bleiben und darauf vertrauen, dass die Geschichte kommt - dann kommt sie auch.

Als ich mal ganz und gar keine Idee hatte, es war schon nachts um eins, schaltete ich den Fernseher ein – und da sprach Banker Joe Ackermann über seinen "harten Job" und darüber, dass sein Gehalt von damals 19 Millionen Euro bei der Deutschen Bank gerechtfertigt sei. Ich habe diesen Lohn dann auf meinen Hausmänneralltag heruntergebrochen und ausgerechnet, Ackermann hätte in der Zeit, in der ich das Lego-U-Boot meines Sohnes neu zusammensteckte, 32'070.90 Franken verdient. Mir war ein Fenchelgratin entglitten und aufs U-Boot gefallen – Trümmerhaufen.

Sie sind ja mit Ihrem beruflichen Wandel der Medienkrise und dem digitalen Wandel geschickt entkommen. Trotzdem: Wie gehen Sie mit der gedrückten Stimmung unter den (ehemaligen) Berufskollegen um? Lassen Sie sich zuweilen anstecken? Stimmen Sie in den Katzenjammer ein, wenn Sie sowas wie jetzt mit der NZZ hören?
Ich bin nicht so oft unter Journalisten. Und es war ja kein gezieltes "Entkommen", es war einfach Glück: Ich hatte mit 40 genug vom Job und wurde 2005 Hausmann, bald darauf kam die "Hausmann"-Kolumne im "Migros-Magazin", aus der sich dann die Lesungen und später das Kabarett ergaben. Ich verabschiedete mich noch vor der Krise. Wie man einen Podcast und einen Youtube-Film ins Web stellt, musste ich allerdings dann auch lernen… 

Natürlich tun mir die ehemaligen Kolleginnen und Kollegen leid, und mir ist klar, wie sehr sie unter Zeit- und Produkionsdruck stehen. Trotzdem stört mich, wie auch im Print der "Zusammenschrieb" aus dem Web und der hurtige Klau aus dem Online-Mediendienst überhandnehmen. Die Reporter sollten stattdessen hinausgehen ins Land! Nur mit gut recherchierten Geschichten, mit eigener, origineller Anschauung können die Zeitungen der Krise wirklich begegnen.

Am meisten beelendet mich, wenn ich junge Volontärinnen und Praktikanten erlebe, die als Billig- oder gar Gratisarbeitskräfte missbraucht werden, ohne dass jemand sie ausbilden würde. Die sollen dann einfach husch, husch einen Onlinebericht verfassen und im selben Atemzug bitte noch einen Schrieb für die Sonntagausgabe… Qualitätskontrolle? Nicht vorhanden.

Selber schon drunter gelitten?
Nicht, dass ich darunter gelitten hätte, aber ich mache gerne ein Beispiel: Als ich an den Oltner Kabarett-Tagen die "Turmrede" hielt, schickte die lokale Zeitung eine Praktikantin hin. Diese Turmrede ist dort ein Riesending, eine kabarettistische Tradition. Sie war aber offenbar nicht gebrieft, hatte wenig Satireverständnis. Und sie musste vorwärtsmachen. Zu lesen war dann, ich hätte "kein gutes Haar an Olten gelassen".

Dass der Stadtpräsident vor Ort war und meine Rede als eine einzige Liebesklärung an Olten verstand, entging ihr. Ebenfalls, dass der Doyen unseres Fachs, der grosse Emil, vor Ort und von der Rede begeistert war. Das hätte in den Artikel gehört. Es geht nicht um meine gekränkte Eitelkeit, ich bin der Frau auch nicht böse – aber das sind handwerkliche Dinge, die muss man einer jungen Journalistin beibringen.

Das derzeit grösste Hausmannsleiden?
Die Schrunden an den Fingern, diese kleinen schmerzhaften Hautrisse. Aber das ist jeden Winter so.

Die letzte musikalische Entdeckung?
Nichts Weltbewegendes, für mich aber fantastisch: die kanadische Schauspielerin und Sängerin Colleen Rennison mit ihrem Americana-Album "See the Sky About to Rain".

Und was macht man jetzt mit so einem Stier?
Abstauben, befürchte ich. Aber ich bekomme ihn ja erst am 9. Mai in Gmunden, Österreich.

Fragen: Adrian Schräder/Bild: Keystone



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240425