01.03.2012

Andreas Vollenweider

"Der Erfolg ist bloss ein leises Nebengeräusch"

Er hat 15 Millionen Platten verkauft und ist mit Abstand der erfolgreichste Schweizer Musiker. Trotzdem steht der Harfenist Andreas Vollenweider noch immer etwas abseits der hiesigen Popmusik-Szene. An den diesjährigen Swiss Music Awards wird der 58-jährige Zürcher mit dem Outstanding Achievement Award geehrt. Im Gespräch erklärt er, was Prince an ihm schätzt, wie wenig er mit Marketing und Werbung am Hut hat, und was seine Musik trotzdem mit persoenlich.com gemeinsam hat.
Andreas Vollenweider: "Der Erfolg ist bloss ein leises Nebengeräusch"

Herr Vollenweider, Sie blicken auf eine extrem erfolgreiche, dreissigjährige Karriere zurück. Was ist der Schlüssel? Sind Sie sowohl Musiker wie auch Geschäftsmann?

Andreas Vollenweider: Nein, leider nicht. Ich konnte nie einen Sinn fürs Geschäft entwickeln. Ich habe aber das Glück, dass ich von Beginn weg Leute um mich hatte, die dafür sorgten, dass nichts aus dem Ruder läuft. Sonst wäre ich schon lange pleite. Denn meine Produktionen sind nicht von kaufmännischen Kriterien gesteuert, sondern von Lust, Freude, Ideen und Kreativität.

Sie hätten also immer gerne eine riesige Truppe mit dabei?

Klar würde ich musikalisch immer gerne gross anrichten. Dadurch, dass sich sehr fähige Leute um das Finanzielle kümmern, konnte ich die meisten meiner verrückten Ideen umsetzen. Wie zum Beispiel mit grossen Symphonieorchestern zu spielen. Man muss neue Dinge ausprobieren, um zu sehen, wie es weitergehen könnte.

Polo Hofer, der letztjährige Preisträger, behauptet von sich er sei ein Marketingfachmann (persoenlich.com berichtete). Er habe zum Beispiel gewusst, dass er durch das Umsatteln auf die Mundart mehr Aufmerksamkeit generieren könne. Genauso später, als er ein Lied über Cannabis schrieb.

Ich glaube eher, Polo meint das etwas ironisch. Ich hatte immer den Eindruck, er sei ein Freak, genau wie ich (lacht)! Ich habe mich jedenfalls immer nur auf den künstlerischen Aspekt konzentriert. Ich wäre gar nicht imstande, strategisch zu denken oder zu leben. Für mich ist dieser ganze Bereich der Kreativität eine Art heiliger Raum.

Wie erklären Sie sich das "Phänomen" Andreas Vollenweider? Hat dieser heilige Raum etwas damit zu tun?

Ich glaube, dass es sehr viele Leute gibt, die Echtheit und Authentizität zu schätzen wissen. Die spüren, dass unsere Musik nicht kontaminiert ist. Die merken, dass sie eine Art Insel darstellt in einer Welt, die fast vollumfänglich gesteuert ist von Strategie, Marketing und Profitabilität.

Aber es gibt ja auch noch andere Musik, die nicht kontaminiert ist. Sie haben 15 Millionen Alben auf der ganzen Welt verkauft. Hat es etwas mit dem Klang der Harfe zu tun?

Da bin ich mir sicher, ja. Dieses Instrument besitzt eine kompromisslose, ja fast überirdische Friedlichkeit. Es schafft eine eigenartige Atmosphäre von Gleichgewicht, Gelassenheit und Konsens, selbst wenn musikalisch einmal die Post abgeht. Auch ich als Person bin konsequent konsensorientiert. Es macht gewisse Leute sogar rasend, dass man mit mir keinen Streit hat, wenn man mit mir Streit hat (lacht). Zwei Aspekte spielen wohl eine bedeutende Rolle in der ganzen Geschichte: Zum einen habe ich das Instrument gefunden, das mir total entspricht. Zum anderen, hat dieses Instrument jemanden gefunden, der es so spielt, wie es klingt, wenn man es einfach spielen lässt. Es ist ein Geben und Nehmen.

Wie meinen Sie das?

Die Harfe hat seit Menschengedenken in allen Kulturen eine klare Aufgabe. Sie stellt auf einer spirituellen Ebene eine Verbindung zwischen dem Emotionalen und dem Wirklichen her. In Afrika zum Beispiel, ist das Spielen der Kora mit einem Telefonat mit den Geistern zu vergleichen. Und bis auf unsere jetzige Kultur, haben alle Hochkulturen dem Geistigen und Spirituellen viel mehr Raum und Gewicht gegeben. Wir sind die erste Kultur, die auch dies versucht zu rationalisieren. Wir tun uns sehr schwer mit dem Unerklärlichen.

Es gibt Leute, die fast zusammenzucken, wenn Ihr Name fällt. Wie gehen Sie damit um?

Das ist doch herrlich! Ein Zeichen dafür, dass es wirkt. Und zugleich meine Form von sanftem Widerstand und Provokation. Unsere Gesellschaft orientiert sich hauptsächlich an den negativen Dingen, und ich halte dagegen.

Ihre Musik hat eine stark meditative Note. Meditieren Sie?

Nein, ich komme irgendwie nicht dazu. Ich lebe relativ chaotisch. Um zu meditieren, braucht es eine gewisse Disziplin. Und ich bin innerlich immer so getrieben, dass es mir schwer fällt, mir dafür Raum zu schaffen.

Also bildet das Musizieren Ihr Rückzugsgebiet.

Ja, genau. Aber nicht nur für mich: Ich versuche eine Art Geheimraum zu schaffen für alle, die zuhören. Einen Ort um in sich zu gehen. Wir versuchen Virtuosität zu verhindern wo es geht, damit die Leute nicht in die Situation kommen, in der sie beim Musik hören Musik hören. Das Schönste für mich ist, wenn sie gar nicht merken, dass sie Musik hören. Sie soll sie einfach ganz sanft an der Hand nehmen und durch ihre eigenen, tiefen Gefühle, Gedanken und Geschichten hindurch führen.

Superstar Prince lässt vor und nach seinen Konzerten seit Jahren Ihre Musik laufen. Wieso?

Ich habe nie mit ihm darüber gesprochen. Aber ich nehme an, dass er seinem Publikum genau diesen Raum öffnen will. Dass er unsere Musik wie eine Grundierung für seine eigene benutzt. Ein cleverer Mensch, der um die Wirkung von Musik weiss.

Genau wie Xavier Naidoo?

Ja, Xavier weiss auch um die Wirkung von Musik. Und um diese nicht-rationale Kraft. Allerdings gibt er ihr dann im Gegensatz zu mir einen Namen: Gott. Das würde ich selbst nie machen wollen, ich bin in dieser Frage ein radikaler Freestyler.

Stimmt es eigentlich, dass er einst in Ihrem Garten am Zürichsee gezeltet hat?

Fast. Er ist mit seinem Wohnmobil angerollt und hat einige Tage bei mir zuhause verbracht, während wir Aufnahmen gemacht haben.

Sind Sie ein Heiler?

Nein! Aber ich nutze die Musik, um eine Atmosphäre zu erzeugen, die Spannungen und Fronten auflösen kann und eine positive Veränderung dadurch möglich wird. Schaut man in das Gästebuch auf unserer Homepage, findet man unzählige Einträge von Menschen, die diese Musik und ihre Atmosphäre intuitiv dafür genutzt haben, eine persönliche Krise durchzustehen, physisch wie auch seelisch.

Könnte man auch sagen: Ihre Musik bildet eine Art Kommunikationsplattform?

Ja, so könnte man das sagen. Wir nehmen uns als Musiker dafür selber auch zurück. Unsere Musik ist kein Ausdruck unserer direkten Gefühle. Es geht uns vor allem darum, diesen Raum für den Hörer zu schaffen, diese Wirkung zu erzielen.

Brauchen Sie nach all dem Erfolg diese Wirkung selbst auch noch?

Aber ja. Der Erfolg ist bloss ein leises Nebengeräusch. Es braucht so viel mehr, um vor sich selbst bestehen zu können. Der Erfolg hat mir keine zusätzliche Selbstsicherheit gebracht. Er verlangt mir noch mehr Verantwortung ab. Ich muss nun noch mehr "verhebä". Vor allem, weil es ein spezieller Erfolg, ein Nischenerfolg ist.

Also ist der Outstanding Achievement Award, den Sie am Freitag an den Swiss Music Awards erhalten, mehr eine Bürde?

Nein, so weit würde ich nicht gehen. Ich freue mich sehr darüber. Er hat eine spezielle Bedeutung. Wir haben auf der ganzen Welt sehr viel Anerkennung erhalten, aber in der Schweiz taten sich immer alle etwas schwer mit diesem Vollenweider. Ich hatte hier manchmal eher das Gefühl, ich würde etwas nerven (lacht).

Vielleicht, weil man sich Ihren Erfolg nicht erklären konnte.

Ja, vielleicht. Viele haben wohl nicht verstanden, wie man das erreichen kann, ohne ständig in den Medien zu sein. Nun freue ich mich natürlich umso mehr über dieses Zeichen dafür, dass unser Schaffen wahrgenommen wurde. Für mich ist es eher eine Auszeichnung für die Musik als für mich selbst. Für eine Art von Musik, die halt oft tatsächlich etwas eigenwilliger, leiser und hintergründiger ist.

 

Interview: Adrian Schräder

 



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