05.09.2014

Helene Fischer

"Ich nehme nicht an, dass alle Männer auf mich stehen"

Sie ist die meist gegoogelte Person Deutschlands: Mit ihrem Hit "Atemlos" bricht Helene Fischer derzeit alle Rekorde. Mittlerweile hat die Sängerin über fünf Millionen Tonträger verkauft.
 Mitte Juli hat sie vor dem Brandenburger Tor die deutschen Fussballweltmeister empfangen, jetzt geht sie auf grosse Tournee, die sie nicht nur nach Zürich, sondern im nächsten Juni auch nach Basel führt. Wie man mit solch immensem Erfolg umgeht, erklärt die 29-Jährige im Interview.
Helene Fischer: "Ich nehme nicht an, dass alle Männer auf mich stehen"

Frau Fischer, Sie sind momentan
 die begehrteste Frau Deutschlands.
 Wie gehen Sie damit um?
Glauben Sie? Ehrlich gesagt mache ich mir über solche Aussagen keine allzu grossen Gedanken (lacht).

Aber Sie wissen es?
Nein, ich weiss es auch nicht. Ich nehme auch nicht an, dass alle Männer Deutschlands auf mich stehen. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich momentan auf einer enormen Erfolgswelle reite. Ich freue mich über die vielen Komplimente, die ich für meinen Gesang, meine Performance und mein Aussehen bekomme, und ich kann auch sehr gut damit umgehen.

Was heisst das?
Ich denke und hoffe, dass mich der Erfolg nicht allzu sehr verändert hat, was nicht schlecht ist, wenn man den Alltag unbeschadet bewältigen will.

Angeblich sind Sie die meist gegoogelte Person Deutschlands, mehr noch als Angela Merkel. Haben Sie diese bereits getroffen?
Nein, noch nicht.

Rückblickend gesehen: Wissen Sie,
 wann jener magische Moment war, in welchem aus der Sängerin Helene Fischer
 der "Superstar Helene Fischer" wurde?
 
Ich denke, dass sich dies langsam entwickelt hat, aber einen gewaltigen Schritt nach vorne ging es mit dem Song "Atemlos durch die Nacht". Obwohl ich bereits vorher als eine Sängerin wahrgenommen wurde, die mehr als nur singen kann, sind wir mit "Atemlos" in eine neue Dimension vorgestossen.

Was ist dann das Geheimnis dieses Liedes?
Darüber mag man spekulieren. Ich glaube, der Erfolgsfaktor des Liedes ist es, dass es die Generationen verbindet. "Atemlos durch die Nacht" wird sowohl von jungen wie von älteren Menschen gesungen. Für mich ist es eine tolle Erfahrung, dass dies so funktioniert.

Dies ist doch erstaunlich: Lange Zeit wurde der deutsche Schlager immer als "spiessig" und "provinziell" belächelt.

Natürlich gab es in der Vergangenheit und gibt es in der Gegenwart immer wieder Beispiele, die dieses Vorurteil bestätigen. "Atemlos durch die Nacht" scheint ein Beweis dafür zu sein, dass es auch anders geht. Man kann auch in Deutschland Lieder produzieren, die leicht zugänglich, qualitativ aber hochwertig sind. Dies ist der Anspruch, den ich an mich und unser Team stelle.

Sie sind kometenhaft an die Spitze
der deutschen Unterhaltungsbranche vorgestossen. Damit schafft man 
sich sicher nicht nur Freunde...

Bislang habe ich den Eindruck, dass sich alle über meinen Erfolg freuen. Viele aus meinem Umfeld kennen mich noch von früher, als ich noch eine blutjunge Anfängerin war und mich erst noch selbst finden musste.

Kokettieren sie nicht ein bisschen? 
Ihre erste Rolle war diejenige der Jeanne d’Arc, die gegen alle ankämpft.

(Lacht.) Jetzt wühlen Sie aber tief in meiner Vergangenheit. Die Jeanne d’Arc war meine Abschlussrolle bei der Musicalausbildung. Aber Sie haben recht: Ich habe immer Figuren mit Profil bevorzugt und nicht nur die Netten und Lieben gespielt.

Jeanne d’Arc hatte bekanntermassen doch einige Feinde. Sie wirklich nicht?

(Lacht.) Nein, nicht bewusst jedenfalls. Höchstwahrscheinlich dringen die negativen Kritiken gar nicht zu mir vor.

Wenn Sie auf die letzten Monate zurückschauen, gab es für Sie einen absoluten Moment, an den Sie sich auch in zwanzig, dreissig Jahren erinnern werden?
Das war zweifelsohne der Empfang der frisch gekürten Fussballweltmeister vor einigen Wochen am Brandenburger Tor in Berlin, als ich "Atemlos" singen durfte. Das war schon ein wirklich besonderer Moment. Ich kannte einige der Spieler bereits von früher, da ich nach dem verlorenen Champions-League-Finale vor einem Jahr bei Borussia Dortmund gesungen habe. Ich kenne also die Perspektive der Sieger und Verlierer.

Waren Sie bei diesem Empfang eigentlich atemlos?
Auf jeden Fall. Am meisten Gänsehaut hatte ich aber, als das Flugzeug mit der Nationalmannschaft über dem Brandenburger Tor eine Ehrenrunde drehte. Dagegen war mein Auftritt fast schon Routine. Ehrlich gesagt, ich habe gar nicht realisiert, dass fast eine halbe Million Menschen auf der Fanmeile standen und uns zugejubelt haben.

Viele bezeichnen Sie als den "wahren Fussballweltmeister". Die deutschen Nationalspieler haben sich vor jedem Spiel "Atemlos" angehört.
(Lacht) Das habe ich auch gehört. Welcher Spieler die Idee dazu hatte, weiss ich nicht. Es freut mich jedenfalls sehr. Es ist ein magischer Zufall, dass der Gewinn des WM-Pokals und der Erfolg meines Liedes zeitlich einfach zusammengepasst haben. Aber schlussendlich sind dies die Momente, die eine Karriere beschleunigen.

Sie sind momentan auf dem absoluten
 Zenit Ihrer Karriere. Gibt es überhaupt noch eine Steigerung in Deutschland?

Ich habe noch nicht alles erreicht, ich habe immer noch Träume und Ziele...

Beispielsweise?
(Lacht) Die verrate ich Ihnen nicht, sonst wären es keine Träume mehr. Aber es ist klar, wir sind momentan an einem Punkt angekommen, an dem wirklich alles optimal läuft.

Aber wäre jetzt nicht der Moment gekommen, um den Sprung nach Amerika zu wagen?
Nicht unbedingt, manchmal muss man sich auch mit dem zufrieden geben, was man hat. Wie ich bereits erwähnt habe, gibt es in Deutschland oder in Europa doch noch einige Ziele, die ich realisieren will. Momentan bin ich aber von dem, was in den deutschsprachigen Ländern abläuft, so überwältigt, dass ich mir noch keine weiteren Karrieregedanken gemacht habe. Ich werde jedenfalls definitiv nicht von mir aus in die USA reisen, um meine Karriere dort anzukurbeln, dazu habe ich in den deutschsprachigen Ländern viel zu viel zu tun.

Ihre Karriere ist eigentlich undeutsch.
 Sie wurden in Russland geboren, kamen 
aber früh nach Rheinland-Pfalz. Haben Sie noch Erinnerungen an Ihr Geburtsland?
Meine Eltern waren Russlanddeutsche. Ich habe aber selbst keine Erinnerungen mehr an Russland, da ich bereits als Dreijährige nach Wöllstein kam, wo ich auch aufgewachsen bin. Die Leidenschaft, die Exotik und das Temperament, das ich auf der Bühne ausleben kann, verdanke ich sicherlich meinem Geburtsland. Meine Grossmutter hat viel mit uns gesungen. Ich liebe vor allem Balladen. Je schwermütiger, desto besser. Das ist das russische Gen in mir.

Wie erleben Sie die aktuelle Putin-Diskussion? Wurden Sie darauf schon angesprochen?
Gott sei Dank nein, ich halte mich aber aus politischen Themen in der Öffentlichkeit immer raus.

In einem Interview mit der "Schweizer Illustrierten" haben Sie erklärt, dass Sie in einer "Scheinwelt" leben. Gibt es die "normale" Helene Fischer überhaupt noch?

(Lacht) Oh, Gott, was man in Interviews so alles sagt. Mit Scheinwelt habe ich vor allem die Showbranche gemeint. Im Gegensatz zu den Menschen, die einen geregelten Arbeitsalltag haben, sich abends mit Freunden treffen oder vor dem Fernseher sitzen, sieht mein Alltag sicher anders aus. Sobald ich mich aber in mein Privatleben zurückziehe, versuche ich genauso zu leben. So gehe ich selbst einkaufen oder koche selbst.

Wie gehen Sie bei der "Liederproduktion" vor?
Man kann einen Erfolg wie "Atemlos" nicht vorausplanen. Das Lied wurde von Kristina Bach geschrieben. Für mich ist es ein grosses Glück, mit Menschen zusammenarbeiten zu können, die das Talent haben, einen solchen Song zu kreieren.

Aber konkret: Wie entsteht ein solcher Song?

Ich bekomme Vorschläge für Songs, die ich anschliessend mit meinem Produzenten diskutiere. Zu Beginn meiner Karriere habe ich alles abgenickt und mich auf die Kompetenz meines Teams verlassen. Heute bringe ich mich viel mehr selber ein und lehne auch bestimmte Vorschläge ab. Dies bezieht sich vor allem auf den textlichen Bereich. Im Gegensatz zu früher weiss ich heute besser, wovon ich rede. Mittlerweile bieten mir aber auch andere Autoren und Musikverlage Songs an, aus denen ich dann auswählen kann.

Wie viel eigene Erfahrung steckt 
in Ihren Liedern?

Immer mehr. Ich freue mich darauf, dass wir in Zukunft verstärkt meine eigenen Gefühle und Erfahrungen in meine Lieder einbauen werden. Bislang habe ich in meinen Songs vor allem erfundene oder fremde Geschichten erzählt, in denen sich die Leute wiederfinden. In Zukunft möchte ich aber auch etwas mehr von mir selbst preisgeben.

Interview: Matthias Ackeret//Bilder: Sandra Ludewig/Universal Music GmbH; Keystone

Das Interview erschien in ausführlicher Form erstmals in der September-Ausgabe von "persönlich".



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