27.05.2014

Peach Weber

"Ich habe in der Schweiz Stand-Up-Comedy erfunden. Einfach im Sitzen."

"Gäxbomb!" – so lautet der Titel des 14. Programms von Peach Weber. Der nimmermüde Sprücheklopfer aus dem Aargau geht seinen Weg munter weiter in Richtung Abschiedsvorstellung, die 2027 im Hallenstadion über die Bühne gehen soll. Persoenlich.com machte sich auf die Reise ins aargauische Nirgendwo, um sich mit dem Schweizer Komiker in seiner Villa zu unterhalten. Nicht nur das aktuelle Programm war dabei Inhalt des Gesprächs, sondern auch sein Weltrekordversuch und seine Sympathien zum European Song Contest und Conchita Wurst.
Peach Weber: "Ich habe in der Schweiz Stand-Up-Comedy erfunden. Einfach im Sitzen."

Peach Weber, Sie haben vor einem Monat ihr 14. Programm herausgegeben. Sind Sie noch nicht müde vom Herumalbern?
Es macht mir weiterhin Freude, ein neues Programm zu schreiben und dieses  auszuprobieren. Ich trete aber nicht mehr so oft auf wie früher. Wenn man zu viel macht, spult man sein Programm nur noch runter. Die Leute sind nicht dumm: Sie merken, wenn einer nur auf der Bühne sitzt und sich schon aufs Abrechnen nach der Show freut. Wenn die Freude bei dir selber nicht vorhanden ist, musst du keine Comedy mehr machen.

Woher nehmen Sie Ihre Ideen, wovon lassen Sie sich inspirieren?
Das sage ich nicht, sonst klauen mir die Leute noch die "Gäx" weg (lacht). Die Ideen kommen oder kommen nicht, das ist nicht steuerbar. Ich kann mich zwar hinsetzen und mich zu einem Gedicht über eine Spritzkanne oder einen Kamin zwingen, diese gelingen dann aber nur selten. Die besten Ideen und Sprüche drängen sich oftmals an Tagen auf, an denen ich eigentlich nichts geplant habe.

Sie sind also gedanklich jederzeit bei der Arbeit?
Immer, ja. Das kann auch mal beim Zeitungslesen im Liegestuhl sein. Dann lasse ich die Zeitung fallen und bewege mich ins Haus und schreibe auf. Wenn ich mir die Sachen nicht sofort notiere, weiss ich zwar noch, dass mir etwas Lustiges in den Sinn kam - was es war, hab ich aber vergessen (lacht). Das ist noch schlimmer, als wenn mir gar nichts einfällt.

Man kennt Sie in der Öffentlichkeit als Witzbold. Wann ist Peach Weber ernst?
Ich bin den halben Tag ernst. Wenn man 24 Stunden nur Sprüche klopft und den Clown spielt, wird man nicht mehr ernst genommen. Die Leute, von denen ich in der Öffentlichkeit angesprochen werde, fragen selten, ob ich ihnen einen Witz erzähle.

In der Mitteilung Ihrer Promotions-Agentur werden Sie als "Knallfrosch aus dem Aargau" betitelt...
...alle Beleidigungen über mich habe ich selber verfasst!


Weber zuhause in seiner Villa im Aargau. (Bild: Marco Lüthi)

Als was sehen Sie sich dann selbst? Als Sänger, Comedian, oder...?
Comedian ist heute ein Modewort. Komiker trifft am ehesten zu. Ich habe in der Schweiz Stand-Up-Comedy erfunden. Einfach im Sitzen (lacht). Als ich damit angefangen habe, wusste auch ich nicht, dass es in Amerika bereits eine Szene gab.

Wie waren Ihre ersten Schritte als Komiker?
Das Ganze ist aus einem Blödsinn heraus entstanden und war nie so geplant. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich meinen Lebensunterhalt mit Lieder singen und "Gäx" erzählen verdiene, hätte ich ihn ausgelacht. Ich wollte immer ein Instrument spielen, das ich auf Anhieb beherrsche, ohne dafür zu übenAls ich mir eine Gitarre kaufte, hat mir jemand drei Blues-Griffe gezeigt, welche ich schnell lernte. So nahm ich einen Song auf und habe ihn an einen Talentwettbewerb in Zürich eingesendet. Plötzlich stand ich im Halbfinale. Es war mir peinlich, dass ich mein Lied selber geschrieben habe. So erzählte ich den Leuten, dass ich gar nicht Gitarre spielen kann. Alle dachten es sei ein Gag und haben ständig weitergelacht. Ich erzählte und erzählte, trug ein Lied mit bestimmt 30 Strophen vor. Danach ging alles von alleine. Leute haben mich angesprochen und eingeladen, auf ihren Festen aufzutreten.

Wie sind Sie auf den Titel des neuen Programms "GäxBomb!" gekommen?
Ich hatte schon ab und zu das Wort "Gäx" im Titel. Das ist so was wie mein Markenzeichen. Eigentlich ist es wahnsinnig, dass ich nochmals einen mit "Gäx" fand. Ich frage mich, warum mir der Titel nicht schon früher in den Sinn kam. Es hat ja einen Zusammenhang mit "Sex Bomb" von Tom Jones, und das ist schon einige Jahre her.

Welches Zielpublikum wollen Sie mit Ihrem Programm ansprechen?
Das überlege ich mir nicht. In den letzten 38 Jahren hatte ich ein gemischtes Publikum, und immer wieder sind Kinder und Jugendliche dazugekommen - sicherlich ein Grund, dass es solange funktioniert hat bisher. Wenn ich ein homogenes Publikum zwischen 30 und 45 gehabt hätte, wären die mir schon lange weggestorben. Ich spreche ein Dorffest-Publikum an. Vom Bankchef über den Metzger bis zum Lehrer sind alle vor Ort.


Weber bei einem Auftritt mit "Gäxpresso" im Jahr 2005. (Bild: Keystone)

Sie nehmen sich auch in "GäxBomb!" immer wieder selber auf die Schippe. Finden Sie sich selbst noch lustig?
Ich lache meistens nicht, weil ich mich lustig finde, sondern weil ich Freude an der Reaktion der Leute habe. Ich erzähle denselben Gag hundert Mal, da ist es klar, dass ich nicht mehr darüber lache. Das Schönste ist, wenn man vorher weiss, jetzt kommt einer, den die Leute nicht auf Anhieb verstehen. Ich erzähle die Pointe, es ist zunächst ruhig - und dann kommen sie. Da muss ich jeweils selber lachen. Eine schöne Vorfreude! Die Show ist ein Zusammenspiel zwischen mir und dem Publikum. Manchmal kommt aber auch keine oder eine ganz andere Reaktion des Publikums, als ich erwartet hätte.

Sie witzeln auch über Ihre Freundin. Lässt sie das kalt?
Da ich jede Woche eine andere habe, müssen sie sich jeweils gar nicht daran gewöhnen (lacht). In meinen ersten Programmen machte ich mich fast zu 100 Prozent über mich selber lustig. Eines Tages habe ich gemerkt, dass ich nicht ständig nur über mich witzeln kann. Doch wenn ich von meinem Nachbar, meinem Onkel oder meiner Tochter spreche, sind jeweils nicht sie direkt gemeint, die Witze haben keinen Bezug zu realen Menschen.

Hat Sie jemals irgendjemand verklagt?
Verklagt nie. Es gab in den 38 Jahren genau vier Briefe von Personen, die in ihrer Situation etwas empfindlich waren. Ich hatte beispielsweise einmal einen Spruch über die Organspende gemacht und den Leuten erzählt, dass ich mein Doppelkinn gespendet habe, da ich ja eines vorig habe. Danach schrieb mir jemand, dessen Verwandter auf ein Organ wartete, dass man über solche Dinge keine Witze machen soll. Ich habe nie bösartige Inhalte verbreitet. Ich will die Leute nicht wütend machen - ich will, dass sie lachen. Aber man kann nicht verhindern, dass es vereinzelte Leute gibt, die einen einzelnen Spruch unsinnig oder unverhältnismässig finden.

Hat sich der Humor in den letzten 38 Jahren verändert?
Zumindest ist alles schneller geworden. Ich habe den Leuten von Beginn weg immer eine Pointe nach der anderen an den Kopf geschmissen. Das war früher noch nicht so im Trend. Ich sagte mir immer, wenn ich schon Unterhaltung mache, dann möglichst viel. Früher gab es auch noch Jongleure, Zauberer, Schattenspieler und so weiter. Das ist heute alles verschwunden, da die Leute - je länger, je mehr - einfach nur noch lachen wollen. Heute gibt es auch nur ganz wenige Zauberer der Spitzenklasse, und der ganze Rest macht einfach auf lustig.

Sie haben für 2027 Ihre Abschiedstournee geplant. Wie entstand die Idee, diese bereits jetzt zu planen und dafür Tickets zu verkaufen?
Die Idee stammt von meinem Bruder. Wir dachten zu Beginn, das sei nicht durchführbar. Er hörte sich danach beim Hallenstadion um, wobei die Verantwortlichen relativ schnell dabei waren. Ticketcorner musste ebenfalls zuerst abklären, ob man nach 18 Jahren auf diesen Tickets überhaupt noch was sieht. Zum Schluss fragten wir das Guinness-Buch an. Als diese auch überzeugt waren, begannen wir. Ich habe mir aber immer gesagt, dass ich die ganze Sache abblase, wenn nach einem Jahr erst 200 oder 300 Tickets verkauft worden wären. Relativ schnell wurden dann 1500 Tickets abgesetzt, und als die Marke von 3000 erreicht wurde, war klar, dass ich es durchziehe.


Peach Weber - verkleidet als alter Mann - unterzeichnet am 11. November 2008 den Vertrag für sein Abschiedskonzert mit Vertretern von Guinness-Buch, Ticketcorner und Hallenstadion. (Bild: Keystone)

Wie ist der momentane Stand?
7600. Somit ist die Vorstellung eigentlich ausgebucht. Da es ein Weltrekordversuch zum längsten Vorverkauf aller Zeiten ist, wäre es peinlich gewesen, wenn dieser nach einer halben Stunde schon ausverkauft gewesen wäre. Genau deshalb wollte ich auch von Beginn weg keine Werbung machen. Das Ganze wurde nur über die Medien bekannt, die froh waren über eine solche Geschichte. Wenn man zum 13. Mal mit einem neuen Programm daherkommt, fallen ihnen langsam keine Fragen mehr ein.

Weshalb wählten Sie genau einen Tag nach Ihrem 75. Geburtstag als Datum Ihrer Abschiedsvorstellung aus?
Es musste eine lange Zeit sein bis zum Event. Fünf Jahre waren mir zu wenig, zehn ebenfalls. Ich dachte mir, es wäre noch lustig, statt mit 65 erst mit 75 pensioniert zu werden. Zudem kam uns entgegen, dass dieser Tag ein Freitag sein wird. Ich habe sogar gehört, dass 2027 eine Landesausstellung sein könnte. Dann werden sich alle fragen, wie hat Peach gewusst, dass dieses Jahr zu einem besonderen wird!

Der Name des Abschieds-Programms ist bereits bekannt. Sind schon Ideen oder Gags für "Fertig Lustig" im Kasten? Sparen Sie besonders gute Witze für die Abschiedsvorstellung auf?
Ganz zu Beginn meiner Karriere habe ich Gags aufgespart, weil ich dachte, dass einem Menschen nur eine bestimmte Anzahl guter Ideen pro Leben in den Sinn kommen. Ich merkte aber schnell, dass aufgesparte Ideen nicht mehr dieselben sind, wenn man sie dann hervorzieht. In diesem Moment kommen mir jeweils fünf andere gute Witze in den Sinn. Ich werde mir über das Programm von 2027 frühestens 2026 Gedanken machen.

Was ist für die Zeit bis dahin noch alles geplant?
Es wäre schön, wenn ich weiter im momentanen Rhythmus Programme machen könnte. Das 20. Programm zum Abschluss wird wahrscheinlich schwierig, aber das 17. wäre schön und auch realistisch.

Sie sind vor einiger Zeit bei den Schweizer Vorausscheidungen des European Song Contest (ESC) angetreten. Verfolgen Sie diesen heute noch?
Ich habe jeden ESC verfolgt, denn dieser hat immer sein eigenes Gesetz. Richtig mitgemacht habe ich aber nie. Ich habe ein Lied eingesandt, wobei ich ziemlich sicher der einzige war, der dieses noch nicht ganz fertig produziert hat. Ich wollte nicht drei Wochen für einen Song arbeiten, der am Schluss gar nicht in die Show kommt.

Was halten Sie von Conchita Wurst?
Ich sah sie vor vier oder fünf Jahren zum ersten Mal in einer Casting-Show. Als ich erfuhr, dass sie am ESC mitmacht, habe ich mir den Song auf Youtube angehört und ihn auf Anhieb super gefunden. Wenn du solch ein Stück machen kannst, bei dem alle gerade an James Bond denken, bist du ein Genie. Die Diskussionen über die Homosexuellen in den letzten Jahren und die Frage, wer ist Mann, wer Frau, wer ist irgendwo dazwischen, wurde stets salonfähiger. Wurst verkörpert diese Diskussion so genial. Man merkt, dass alles von Herzen kommt und echt ist. Ich freute mich, dass Wurst auch aus dem Balkan so viele Punkte bekam. Das heisst, dass der Song der Hammer ist. Und genau das haben die Schweizer noch nicht begriffen. Auch ein kleines Land wie Österreich oder die Schweiz hat Chancen. Wenn der Song richtig gut ist, kann ich auch "füdliblutt" oder im Kopfstand daher kommen. Ein Hammer-Song mit einer visuell perfekten Darbietung setzt sich immer durch. Die Schweiz hat aber keine Chance, wenn wir so eine Studenten-Truppe schicken.

Immerhin haben sie im Vergleich zu den letzten Jahren viel mehr Punkte gesammelt.
Das täuscht. Als DJ Bobo bereits im Halbfinale ausschied, habe ich immer gesagt, dass er es in die ersten Zehn geschafft hätte, stünde er im Finale. Leider aber hat er derart falsch gesungen - ich wusste, dass DJ Bobo nicht singen kann, aber so kreuzfalsch, das war auch beinahe Weltrekord (lacht).

Interview: Marco Lüthi//Bilder: Marco Lüthi, Keystone



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