07.01.2015

Udo Jürgens

"Man muss in solchen Situationen einfach funktionieren"

Völlig überraschend erlag am Sonntag vor Weihnachten Udo Jürgens bei einem Spaziergang im thurgauischen Gottlieben einem akuten Herzversagen. Sein Tod hatte ein breites Echo zur Folge und bedeutete eine Ausnahmesituation für Thomas Weber. Gegenüber persoenlich.com spricht der langjährige Mediensprecher von Udo Jürgens über den Umgang der Medien mit der Todesnachricht und schildert persönliche Erlebnisse mit dem begnadeten Musiker.
Udo Jürgens: "Man muss in solchen Situationen einfach funktionieren"

Herr Weber, wie haben Sie die ganzen Feiertage erlebt?
Na ja – einigermassen hektisch, würde ich sagen. Einfach nicht so, wie man die Feiertage verbringen möchte. Aber wir waren alle dermassen geschockt, dass wir keine Zeit hatten, über unsere Befindlichkeit nachzudenken. Man muss in solchen Situationen einfach funktionieren. Das ist nicht so einfach, denn da sind ja auch die persönliche Betroffenheit, die Zweifel und schliesslich die Trauer.

Wann haben Sie von seinem Tod erfahren?
Sein Manager Freddy Burger hat mich, unmittelbar nach dem er von Udos Zusammenbruch erfahren hatte, noch aus dem Auto kontaktiert. Aus den Beschreibungen der Personen, die vor Ort anwesend waren, mussten wir davon ausgehen, dass es sich um einen sehr ernsthaften Vorfall handeln musste. Da wir mitten in einer weitgehend ausverkauften Konzerttournee steckten, habe ich unmittelbar begonnen, verschiedene Kommunikations-Szenarien zu entwickeln und entsprechende Pressemitteilungen zu verfassen.

Wie viele Medien haben sich bei Ihnen gemeldet?
Mehr als genug, aber nicht so viele, wie Sie vielleicht denken. Aber das war ja auch mein Ziel. In der knappen Pressemeldung waren alle Fakten bereits enthalten, so dass die Leitmedien nur noch eine Bestätigung einholten, dass die Meldung keine Fehlmeldung ist. Durch meine lange berufliche Tätigkeit als PR-Berater kenne ich natürlich sehr viele Medienschaffende aus dem gesamten deutschsprachigen Raum persönlich. Aber es war für mich im Alltagsgeschäft längst nicht mehr möglich, alle Medienwünsche zu berücksichtigen. Deshalb haben wir vor längerer Zeit gemeinsam beschlossen, Udo etwas aus dem Medienrummel rauszuhalten. Er wollte sich einfach nicht mehr andauernd in der Presse erklären. Und er wollte schon gar nicht mehr andauernd sein Privatleben ausbreiten und kommentieren. Also haben wir nach dem Prinzip gelebt „so viel wie nötig, aber so gut wie möglich“. In Krisensituationen ist eine individuelle Kommunikation aber ohnehin der falsche Weg, da die Zeit dazu schlicht fehlt und alles im Chaos endet.

Wie beurteilen Sie rückblickend die Berichterstattung?
Aus meiner Sicht haben wir die traurige Nachricht sehr schnell, das heisst innerhalb weniger als einer Stunde, über die Agenturen verbreitet. Das war notwendig, weil bereits erste Gerüchte die Runde machten. Das ist allerdings nicht verwunderlich, denn Udo war in Gottlieben kein Unbekannter. Es war wichtig, die Familienangehörigen vorher zu erreichen und direkt zu informieren. Die folgende Welle der Anteilnahme und der Ehrerbietung aus der Öffentlichkeit und auch von den Medien war grenzenlos und hat uns alle enorm berührt. Das war auch für die Angehörigen ein grosser Trost.

Gab es viele Falschmeldungen?
Falschmeldungen sind ja nun schlecht möglich bei einem akuten Herzversagen. Wir haben ja keinen Spekulationsspielraum geboten. Die Frage wäre eher so zu stellen: Was haben die Medien aus der Todesmeldung gemacht? Es ist kein Geheimnis, dass Boulevardmedien versuchen, die Geschichte weiter zu drehen und noch ein paar fette Schlagzeilen dazu zu texten. Das war leider auch bei Udo so. Ich sprach von „Einäscherung und Verabschiedung im engsten Familienkreis“. „Bild“ titelte „Udo heimlich verbrannt“. Einige wollten nach Tagen von Udos Ableben bereits einen Erbschaftsstreit ausgemacht haben oder konnten partout nicht verstehen, dass nach 48 Stunden das Datum der Urnen-Beisetzung noch nicht feststand. Aber im Grossen und Ganzen wurden die Regeln der Pietät respektiert.

Wie lange waren Sie für Udo Jürgens tätig?
Ich habe meinen Job als Pressemann für die Freddy Burger Gruppe 1985 begonnen. Damals waren neben Udo Jürgens noch Künstler wie Rolf Knie, Hazy Osterwald, Walter Roderer, Nina Corti und viele andere mehr bei FBM unter Vertrag. Später habe ich als Partner von Freddy Burger 15 Jahre lang die PR-Agentur Publicum pmi AG geführt. In dieser langen Zeit habe ich viele höchst spannende Phasen, Hochs und Tiefs an der Seite von Udo erleben dürfen. Mit unserer Agentur durften wir allerdings dann mit unseren sechs Mitarbeitenden neben allen FBM-Projekten auch grosse externe Kunden wie den Cirque du Soleil, UBS, Coop, Masterfoods, Unilever etc. betreuen.

Wie war er persönlich?
Udo Jürgens gerecht zu werden, ist sehr schwierig. Auch wenn der Privatmann Udo Jürgens Bockelmann früh in die Identität des Künstlers Udo Jürgens geschlüpft war, gab es aus meiner Sicht doch einen Unterschied zum Künstler. Meine Arbeit begann als Dienstleister und mit der Zeit entwickelt sich eine Freundschaft. Sein Charisma war körperlich spürbar, wenn er den Raum betrat. Wenn man Udos Vertrauen einmal erworben hatte, war seine Loyalität grenzenlos. Udo war sehr anspruchsvoll und fokussiert. Er war einerseits harmoniesüchtig und trotzdem oft ungeduldig. Und er ertrug absolut keinen Dilettantismus. Als Sänger, Komponist und Musiker war er ein kreativer Profi und ein gnadenloser Perfektionist. Konservative Werte wie Pünktlichkeit, Benimmregeln und Kultiviertheit waren ihm heilig. Trotzdem kannte er wenig Schwellenängste, liebte die Patina der Szene, die spontane Situationskomik und das tägliche Mass an Lebensgenuss. Udo liebte die philosophischen Gespräche am Abend nach den Arbeitseinsätzen und er sog die Themen des Lebens auf wie ein Schwamm. Als politischer Weltbürger war er überzeugter Demokrat und gegen jegliche Zwänge und Dogmen unserer Zeit. Zuerst war der Privatmann getrieben durch den ruhelosen Bühnenmaniac. Im Alter trat immer mehr die Demut für das Erreichte in den Vordergrund. Damit habe ich jetzt erst etwas an der Oberfläche des Menschen Udo Jürgen gekratzt, aber das Thema ist endlos!

Was war für Sie die spannendste Begebenheit?
DIE spannendste Begebenheit gibt es nicht. Wir waren zusammen in China, in New York, in der Ukraine. In die vergangenen 30 Jahren fielen unzählige Tourneen, Plattenveröffentlichungen, Ehrungen, Preisverleihungen, Fotosessions, Reportagen, Interviews und private Probleme, die immer wieder Medienstürme entfachten. Udo trug sein Herz auf der Zunge und er hat den Rat seines PR-Mannes auch nicht immer befolgt. Wenn ich meine Bedenken anmeldete, hat er manchmal gesagt: „Pass auf, wenn ich nicht sagen darf, was ich denke, gebe ich auch keine Interviews mehr“.  Nun, meistens haben wir uns dann gefunden, oft genug sind wir zurückgerudert. Aber ich glaube, dass es gerade diese Ehrlichkeit und das grosse Sendungsbedürfnis war, das den Künstler Udo Jürgens so glaubwürdig machte. Sein Credo war „Die Leute lieben dich für deine Fehler und nicht für deine Grossartigkeit“. Da ist sicher etwas dran, aber seine Haltung mochte er darob nie aufgeben.

Wie sind Sie eigentlich Udo Jürgens Pressemann geworden?
Ich habe als Co-Herausgeber und Chefredakteur der Musikzeitschrift „Music Scene“ mit Freddy Burger als Generalimporteur von Puma ein Interview zum Thema Sponsoring geführt. Nach relativ kurzer Zeit wechselte Freddy das Thema und fragte mich, ob ich sein Pressechef werden möchte. Da ich nach sechs Jahren als Kleinverleger und Musikproduzent Lust darauf hatte, mal die Seite zu wechseln, habe ich zugesagt.

Wann findet die Beisetzung statt?
Es wird öffentliche Veranstaltungen mit der Auflage von Kondolenzbüchern geben. Als letzte Ruhestätte ist ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof vorgesehen (Anm. d. Red.: Details vgl. persoenlich.com).

Ist mit seinem Tod Ihre Arbeit auch zu Ende?
So lange man mich noch braucht, stehe ich dem Management selbstverständlich zur Verfügung. Danach wird man sehen. Ich lasse alles auf mich zukommen. Wenn ich daran denke, wie viele Pläne Udo beruflich und privat noch hatte, relativieren sich viele Prioritäten des eigenen Lebens. Ich hoffe, dass seine Botschaften durch die Lieder noch sehr lange weiterleben werden. Er hat es ja selbst nicht geschafft, diesen oft sehr hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Aber er hat sich mit den positiven Gedanken der eigenen Lieder immer wieder Mut gemacht. Auf der permanenten Suche nach Anerkennung und der Angst vor dem Versagen hat Udo trotz seiner unglaublichen Karriere auch viele Momente der Niedergeschlagenheit und des Selbstzweifels gekannt. Momente, in denen er kaum den Mut fand, vor das Publikum zu treten. Das sollte man sich vor Augen halten, wenn man allzu schnell versucht ist, mit purem Neid auf die Erfolgreichen dieser Welt zu reagieren.

Fragen: Matthias Ackeret; Bilder zVg

 

 



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