20.10.2014

Zach Braff

"Ich habe oft das Gefühl, nicht ganz anwesend zu sein"

Der Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur über seinen neuen Film "Wish I Was Here".
Zach Braff: "Ich habe oft das Gefühl, nicht ganz anwesend zu sein"

Jedes Kind kennt ihn als tagträumenden J.D. aus der Krankenhaus-Serie "Scrubs". "Garden State", sein letzter Spielfilm, spielte mehr als 35 Millionen Dollar ein – und das mit einem Budget von gerade mal 2,5 Millionen. Am Donnerstag läuft sein neuer Film "Wish I Was Here" in den Schweizer Kinos an. Und trotzdem fragt sich Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Zach Braff, 39, wann sein Leben endlich anfängt. Wieso bloss?

Zach Braff, heute Morgen bin ich am Apple Store an der Zürcher Bahnhofstrasse vorbeigefahren. Dort stehen die Menschen gerade Schlange, um das neue iPhone 6 zu erstehen. Wofür würden Sie Schlange stehen?
(Lächelt und zückt sein neues iPhone 6) Dafür muss ich nicht mehr anstehen! Aber für ein Theaterstück oder ein Konzert, das mich interessiert, würde ich jederzeit längere Wartezeiten in Kauf nehmen.

Sie sind in Zürich, um Ihren neuen Film "Wish I Was Here" zu bewerben. Das Geld für die Produktion sammelten Sie via Crowdfunding. Wieso hat jemand wie Sie das nötig?
Aus zwei Gründen: Erstens gibt auch mir niemand einfach so Geld. "Garden State" ist zehn Jahre her. Niemand in Hollywood interessiert es, was du vor zehn Jahren gemacht hast. Zweitens muss jeder Filmemacher, egal wie er heisst, Kompromisse eingehen, sobald er mit einem Studio zusammenarbeitet.

Wirklich jeder?
Wirklich fast jeder. Mal abgesehen von den absoluten Top Shots wie Steven Spielberg oder David Fincher. Aber selbst die kommen irgendwann an Grenzen. Nirgends bedeutet Zeit mehr Geld als beim Film.



Was sind das für Kompromisse, die man eingehen muss?
Das können ganz unterschiedliche Dinge sein. Bestimmte Schauspieler, die vorkommen müssen oder das Recht beim Schnitt Einfluss zu nehmen. Bei mir ging es unter anderem darum, dass ich den Film in Vancouver statt in Los Angeles hätte drehen sollen.

Und das wollten Sie partout nicht.
Nein, denn Los Angeles ist eine Figur in diesem Film. Die Stadt gehört zwingend dazu.

Der Film ist ein komplettes Eigenprojekt: Das Drehbuch entstand gemeinsam mit ihrem Bruder, sie führten Regie und spielten die Hauptrolle.
Richtig. Und irgendwie handelt der Film ja auch von mir und meiner Familie. Deswegen hätte ich es nicht ertragen, wenn irgendwelche Banker am Schluss daran herumgeschnipselt hätten.

Sie haben eine überraschende Alternative gefunden: Auf ihren Spendenaufruf auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter reagierten über 46'000 Personen. Es kamen rund 3,1 Millionen US-Dollar zusammen. Eine gigantische Summe.
Ja, das war auch für mich kaum zu fassen. Ich habe eine sehr treue Fangemeinde im Internet.

Beim Crowdfunding erhält der Spender ja eine Gegenleistung. Was haben Sie angeboten?
Alles Mögliche! Signierte T-Shirts, signierte Poster, Tickets für Vorpremieren bis hin zu von mir gesprochenen Voicemail-Nachrichten. Wir werden noch eine ganze Weile damit beschäftigt sein, unsere "Schulden" abzuarbeiten.

"Garden State" mit Natalie Portman war ein rührender Film. Sehr persönlich. Ihr neuer Film spielt auf einer ähnlichen Ebene. Wieso haben Sie überhaupt zehn Jahre gewartet mit dem Nachfolgeprojekt?
Spielfilme zu produzieren, ist verdammt harte Arbeit, darum. Ausserdem sind mehrere Projekte gescheitert. Beim einen steigt dir ein Financier aus, beim anderen der Hauptdarsteller. Es ist wie beim Leiterspiel: Schwubs! Und schon steht man plötzlich wieder am Anfang. Ausserdem bin ich kein sehr produktiver Autor. Ich bin nicht Woody Allen. In letzter Zeit habe ich acht Vorstellungen pro Woche am Broadway gegeben. Vorher war ich zehn Jahre bei "Scrubs" engagiert.

Ihr neuer Film dreht sich um einen erfolglosen Schauspieler und Familienvater und die Frage, wann das Leben wirklich anfängt. Der letzte Film beschäftigte sich mit ähnlichen Fragen. Machen Sie immer wieder den gleichen Film?
Meine Lieblingsregisseure waren immer diejenigen, die einen unverkennbaren Stil haben. Leute wie Wes Anderson oder David Fincher. Ihre Filme haben eine eigene Bildsprache, eine eigene Stimme.

Wann fängt Ihr Leben endlich an, Mr. Braff?
Es gibt ein wunderbares Lied von Colin Hay namens "Waiting For My Real Life To Begin". Ich habe mir die Frage immer wieder gestellt, mit 25, mit 35 und auch jetzt mit 39.

In welchen Situationen?
Ich habe oft das Gefühl, nicht ganz anwesend zu sein. Ich hänge oft noch irgendwie in der Vergangenheit fest. Aber ich nehme schwer an, dass ich damit nicht alleine bin. Das nicht geniessen und nicht richtig vorwärts schauen Können, ist sehr menschlich.

Sie haben es immerhin zum Serienstar gebracht und zwei sehr persönliche Filme gedreht.
Ja. Aber das ist doch alles sehr relativ. Ich bin sicher auch Bill Gates sagt sich ab und zu: "Verdammte Scheisse, heute habe ich nichts zustande gebracht."

Wovon träumen Sie?
Davon, dass meine Filme so erfolgreich werden, dass ich sie problemlos finanzieren kann.

Interview: Adrian Schräder//Bild: Lukas Mäder

"Wish I Was Here" von Zach Braff ist ab Donnerstag in den Schweizer Kinos zu sehen.



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