25.04.2013

"Züri wie neu"

"Menschen haben überall die gleichen Hauptprobleme: Schlaglöcher und Abfall."

Das Mängel-Melde-Portal "Züri wie neu“ erfreut sich grosser Beliebtheit. Das Pilotprojekt wurde vergangene Woche lanciert und kann bis heute über 400 Meldungen verbuchen. Wo wohnen die meisten "Mäkel"-Polizisten und über was ärgern sich die Zürcher insbesondere? persoenlich.com hat bei Mike Sgier, stellvertretender Leiter Kommunikation der Stadt Zürich Tiefbau- und Entsorgunsdepartement, nachgefragt und erfahren, welches Zürichs "Problemquartier" ist, warum auch Bagatellen ernst genommen werden und wie die Kommunikation zum Bürger stetig verbessert wird. Das Interview:
"Züri wie neu": "Menschen haben überall die gleichen Hauptprobleme: Schlaglöcher und Abfall."

Herr Sgier, International läuft die Kampagne "Züri wie neu" unter dem Motto "fix my street". Warum hat sich Zürich für eine Sonderlösung entschieden?
Fix my Street ist eine Open Source Software der britischen Stiftung mySociety. Es handelt sich dabei nicht um eine Kampagne. Es steht den Software-Nutzern frei, ihre Anwendung zu nennen, wie sie möchten. In Deutschland läuft sie beispielsweise unter dem Namen Mängelmelder. In Zürich haben wir uns für "Züri wie neu“ entschieden, da die Stadtverwaltung die Strategie verfolgt, Anglizismen möglichst zu vermeiden.

Was für Überlegungen führten dazu, das Angebot auch in Zürich zu lancieren? Was ist das Ziel?
"Züri wie neu“ ist ein Siegerprojekt aus dem Publikumswettbewerb des Legislaturschwerpunkts eZürich. Darüber hinaus unterstützt die Aktion auch die Anliegen eines zweiten Legislaturschwerpunkts: Stadt und Quartiere gemeinsam gestalten. Ziel von "Züri wie neu“ ist es, die Stadt Zürich mithilfe der Bürgerinnen und Bürger noch ein bisschen schöner zu machen.

Was für eine Botschaft will Zürich mit der Aktion vermitteln?
Zürich ist eine bürgerfreundliche Stadt, die sich um die Anliegen der Bevölkerung kümmert.

Will die rot-grüne Regierung mit der Aktion die Kommunikation zumrger verbessern - im Hinblick auf das Wahljahr 2014?
Der Stadtrat ist immer bestrebt, die Kommunikation mit den Zürcherinnen und Zürchern zu optimieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Wahljahr ansteht oder nicht.

Die Stadt ist bereits jetzt für ihre ausserordentliche Sauberkeit berühmt. Braucht es nicht auch gewisse "Mäkel", damit eine Stadt "lebt"?
Wie schon Stadtrat Andres Türler an der Medienkonferenz zu "Züri wie neu" sagte, kann man auch Schönes immer noch ein bisschen schöner und Gutes noch ein bisschen besser machen. Genau das ist das Ziel: Zürich noch ein Quäntchen schöner zu machen.

Steht Zürich im Vergleich zu dem Projekt in anderen Städten wie Montreal oder Dublin vor anderen Herausforderungen bzw. hat die Limmatstadt mehr Vorteile? Findet überhaupt ein Austausch mit diesen Städten statt?
In Konzeptphase gab es einen Austausch mit Städten in Deutschland und England. Dabei ging es darum, wie sich die Zahl der Meldungen entwickelt und ob sie zusätzliches Personal einstellen mussten. Darüber hinaus fand kein Austausch statt. Unsere Erfahrungen bisher zeigen, dass die Menschen überall die gleichen Hauptprobleme haben: Schlaglöcher und Abfall.

Die Bevölkerung scheint das Angebot rege zu nutzen. Bereits über 300 Anregungen sind eingegangen. Was war die sonderbarste Anregung bis jetzt?
"Züri wie neu“ bestätigt unseren Eindruck, wie stark sich die Zürcherinnen und Zürcher mit ihrer Stadt identifizieren. Wir gehen davon aus, dass alle Meldungen für die jeweils Meldenden wichtig sind – auch subtilere Dinge: Zum Beispiel, dass am "Züri-Leu“ am Verwaltungszentrum Werd in der Nacht zwei Beine nicht leuchten, dass ein Brunnen überläuft oder dass ein Gehweg in der Nähe eines Altersheims uneben und damit potenziell gefährlich ist. Eine Bewertung der Meldungen ist nicht angebracht.

Sind bereits Tendenzen ersichtlich, über was sich die Zürcher am meisten ärgern?
"Züri wie neu“ wird nicht als Ventil angesehen, wo man seinem Ärger Luft macht. Vielmehr schätzen es die Leute, dass sie dank der Plattform ein niederschwelliges Instrument zur Verfügung haben, mit dem sich sehr einfach Mängel an der öffentlichen Infrastruktur melden lassen. Am meisten gemeldet werden zurzeit saisonalbedingt Frostschäden im Asphalt. Mit dem Beginn der warmen Jahreszeit werden vermutlich Meldungen über liegengelassenen Abfall den Hauptteil der Meldungen ausmachen.

Aus welchem Quartier stammt der Grossteil der Meldungen? Hat sich durch die Aktion ein sogenanntes "Problemquartier“ herauskristallisiert? 
"Züri wie neu" gibt auf der Meldungsseite einen Überblick über alle eingegangenen Meldungen. Demnach betreffen die meisten Meldungen die Innenstadt. Das ist ja nicht weiter verwunderlich, weil sich hier die meisten Menschen aufhalten und so natürlich auch am meisten Mängel entdeckt werden.

Jeder wird dank "Züri wie neu" zum Ordnungshüter. Da freut sich der Detektiv im Bünzlischweizer. Muss man jetzt befürchten, dass man von seinem Nachbarn wegen Falschparken und falschem Deponieren von Abfallsäcken denunziert wird? Ist der Datenschutz gewährleistet?
Der städtische Datenschützer ist bei „Züri wie neu“ selbstverständlich im Boot. So werden beispielsweise Bilder, auf denen Personen erkennbar sind, nicht veröffentlicht. Gleiches gilt für Nummernschilder. Das Projekt dient dazu, Mängel an der städtischen Infrastruktur zu melden. Wir weisen auf der Website ausdrücklich darauf hin. Natürlich kann man jeden x-beliebigen Inhalt via "Züri wie neu“ melden, berücksichtigt werden aber nur Meldungen, für die "Züri wie neu“ gedacht ist.

Das Ganze ist mit einem hohen personellen Aufwand verbunden. Viele Meldungen stellen aber totale Bagatellen dar. Zu lesen ist zum Beispiel "Dieses defekte Velo versperrt seit Monaten den Platz für funktionsfähige Velos" oder "Loser, hervorstehender Randstein". Setzt man somit nicht falsche Prioritäten?
"Züri wie neu“ hat keine Auswirkungen auf den städtischen Stellenplan. Es gab schon immer zahlreiche Anlaufstellen, wo Meldungen über Schäden platziert werden konnten. „Züri wie neu“ stellt lediglich einen neuen Kommunikationskanal dar. Die Meldungen, die uns erreichen, sind mitnichten +totale Bagatellen“. Für Velofahrende, die ihr Gefährt gerne in einen Veloständer stellen würden, sind sogenannte "Veloleichen“, die den Platz verstellen echte Ärgernisse. Ein hervorstehender Randstein kann für ältere Menschen schnell zu einer Stolperfalle werden.

"Züri wie neu" ist ein Pilotprojekt. Wann würden sie diese als "gelungen" einstufen und entscheiden, es weiterzuführen?
"Züri wie neu“ läuft als Pilot bis im März 2014. Die Geschäftsleitung des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements entscheidet nach dieser Zeit, ob man das Angebot in den Regelbetrieb überführt wird. Messgrössen sind die Nutzung, der Aufwand und die Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit.

Interview: Corinne Bauer



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