06.01.2016

Vicafe

"Mit der Espresso Bar am Bellevue haben wir in ein Bienennest gestochen"

In Eglisau gerösteter Kaffee mit Bohnen aus Honduras oder Guatemala: Anfang September hat Vicafe am Bellevue in Zürich seine zweite Espresso Bar eröffnet. persoenlich.com hat Geschäftsführer Christian Forrer zum Interview getroffen. Ein Gespräch über die Wirkung des Standorts Bellevue, Freundlichkeit als Marketingmassnahme und das Aufspüren von Qualitätskaffee.
Vicafe: "Mit der Espresso Bar am Bellevue haben wir in ein Bienennest gestochen"

Herr Forrer, Sie sind gerade aus Südafrika zurückgekehrt. Waren Sie bei einem Ihrer Kaffeebauern zu Besuch?
Nein, in Südafika war ich privat unterwegs. Ich habe mit meiner Familie mehrere Jahre dort gelebt. Aber für Vicafe bin ich auch immer wieder auf Reisen - kürzlich habe ich Kaffeeplantagen in Peru und Tansania besucht. Im Februar reise ich mit meinem Cousin Stefan, der die Rösterei in Eglisau betreibt, nach Honduras und Guatemala. In Honduras besuchen wir eine Frauenkommune, von der wir die Kaffeebohnen beziehen. In Guatemala schauen wir uns nach neuen Partnern um. Und im Sommer planen ich und unser Barista Ramon zusammen eine Reise irgendwo in Asien oder Brasilien.

Weshalb ist Ihnen die persönliche Beziehung zu den Kaffeebauern so wichtig?
Wir wollen uns selbst von der Qualität des Kaffees überzeugen. Zudem wollen wir sicherstellen, dass die Farm anständig geführt wird und die Menschen dort gut leben. Wir verlassen uns weniger auf Label, sondern sagen unseren Kunden: Dieser Kaffee ist extrem gut und wir waren da und haben gesehen, unter welchen Bedingungen er hergestellt wurde.

Und das verkauft sich natürlich auch gut.
Das stimmt. Aber das ist nicht der Hauptgedanke, sondern mehr eine gute Nebenerscheinung.

Ihre Kaffees tragen kein Bio-Label. Wäre das für den Verkauf nicht hilfreich?
Es wäre sicher nicht schlecht. Aber unser Unternehmen ist zu klein dafür. Damit sich das Label lohnt, muss man gewisse Mengen produzieren und separate Röster für Bio- und anderen Kaffee verwenden. Unser Kaffee aus Honduras zum Beispiel ist ein Biokaffee, aber wir dürfen das nicht auf die Verpackung schreiben. Da wir in unseren Espresso Bars die Kunden im intimen Rahmen bedienen, können wir solche Dinge erklären. Würde das Produkt in einem Regal im Globus stehen, wäre der Stempel wichtiger.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Kaffeefarmen aus, mit denen Sie zusammenarbeiten?
Wir halten nach guten Bohnen Ausschau und orientieren uns an anderen Röstereien auf der ganzen Welt. Am Schluss geht es einfach ums Probieren.

Aber wie läuft das konkret ab? Man fliegt ja nicht nach Lima und findet dort einen Stand mit allen guten Kaffeebauern vor.
Noch ist das nicht so, aber wer weiss (lacht). Eine Kaffeereise muss gut geplant sein. Ich recherchiere im Voraus intensiv indem ich Kontakt zu verschiedenen Leuten in der Kaffeewelt aufnehme und versuche mir auf dem Internet einen Überblick zu verschaffen. Im Land selbst können sich aber dann auch spontane Kontakte entwickeln. Dort ist man durchaus auch wie ein Spürhund.

Schliesslich hält man die Bohnen in der Hand. Wie weiss man, dass die nicht nur gut riechen, sondern auch schmecken?
Die Mitarbeiter auf solchen Kaffeefarmen haben wohl noch nie eine Espresso-Maschine gesehen. Die Bohnen werden grob gemahlen, mit Wasser aufgegossen und wenn das Pulver abgesunken ist, probiert man. In der Kaffeewelt nennt man das Cuping.

Anfang September haben Sie die Espresso Bar am Bellevue eröffnet. Vor dem Fenster sind häufig Warteschlangen zu sehen. Wie viele Kaffees verkaufen Sie am Tag?
Über diese Zahlen geben wir keine Auskunft. Mit dem Laden am Bellevue haben wir in ein Bienennest gestochen. Wir stehen ganz schön unter Beobachtung. Aber sagen wir es so: Es läuft gut und wir haben Freude.

Das muss es wohl auch. Die Mieten in der Gegend sind sehr hoch.
Ja klar, wir sind am Bellevue. Aber wir haben auch Kundschaft. Es ist nicht so, dass ich klönen muss. Aber es ist schon hart.

Das Vicafe am Goldbrunnenplatz gibt es bereits seit mehreren Jahren. Nun sind Sie am Bellevue und alle kennen das Unternehmen. Ist das rückblickend nicht etwas frustrierend?
Es zeigt, was der Standort ausmacht. Hätten wir eine Querstrasse weiter vom Bellevue entfernt oder etwas weiter mehr in Richtung Seefeld eröffnet, wäre das Interesse wohl nicht halb so gross. Mit dem gleichen Produkt und dem gleichen Service - wohlangemerkt.

Wie gross ist das Interesse denn?
Plötzlich melden sich diverse Medien, Restaurants wollen unseren Kaffee anbieten, Konkurrenten werden aufmerksam und Unternehmen wollen eine Kaffeemaschine von uns in die Mensa stellen. Das ist natürlich erfreulich.

Wie sind Sie überhaupt zu dem Standort gekommen?
Durch Glück, die Lokalität war nie ausgeschrieben. Der Verwalter ist ein Fan von Vivikola, unserem Tochterunternehmen und wir standen deshalb in Kontakt. Als der Vormieter rausging, hat er uns angerufen. Das Haus gehört einer Erbengemeinschaft mit fünf etwas älteren Geschwistern. Sie mussten wir mit unserem Konzept überzeugen.

Auf welche Marketingmassnahmen setzt Vicafe hauptsächlich?
Alle Aufmerksamkeit nützt nichts, wenn wir schlechten Kaffee verkaufen. Wir wollen guten Kaffee ausschenken und freundlich zu den Kunden sein - das ist unser Marketingkonzept. Dafür investieren wir viel in die Ausbildung unserer Barrista, die werden regelrecht trainiert auf unseren Kaffee. Und: Jeder Kunde erhält sein Getränk in einem handgestempelten Becher, so zusagen ein Signature Cup. Zudem machen wir mit Tafeln vor den Läden auf uns aufmerksam.

Wie nutzt Ihr die sozialen Medien?
Wir wollen eine Community allgemein zum Thema Kaffee aufbauen. Dafür haben wir ein Konzept erstellt und zwei unserer Barista sind für den Facebook-Kanal zuständig. Dort machen wir zirka alle drei Tage mit verschiedenen Themen auf uns aufmerksam

Wie wichtig ist der Online-Shop als Verkaufskanal?
Noch nicht so wichtig. Aber da wollen wir auch investieren. Bisher gibt es vereinzelte Kunden, die regelmässig ihre fünf Kilogramm Kaffee bei uns bestellen. Der Preis ist der selbe. Wir wollen die Kunden, die bei uns vorbeikommen, nicht bestrafen.

Sie sind gelernter Grafiker und haben das Logo sowie die Verpackungen gestaltet. Auch das Interieur der Espresso Bars ist von Ihnen. Da steckt viel Christian Forrer drin.
Genau, man muss sich stetig herausfordern (lacht). Der definitive Entscheid fällt aber grundsätzlich im Team. Ich habe lange bei einer Werbeagentur gearbeitet und dort hauptsächlich für Finanzdienstleister Broschüren erstellt. Da werden oftmals Bergsteiger oder Schachspieler gezeigt, weil kein Produkt zum Anfassen dahinter steht. Das ist jetzt anders, und das schätze ich sehr.

Interview und Bilder: Michèle Widmer



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