22.03.2015

zip.ch

"Wir wollen das erste Social Media Directory der Schweiz werden"

Kurz vor der möglichen Zusammenlegung von local.ch und search.ch drängt ein neuer Player auf den Markt der Verzeichnisdienste. zip.ch-Gründer Alexander de Senger übt im Interview scharfe Kritik an der Swisscom, sagt, wie er sich gegenüber dem mächtigen Konkurrenten Google behaupten will, und wie er das "gute alte Telefonbuch" digital zum Weiterleben bringen will.
zip.ch: "Wir wollen das erste Social Media Directory der Schweiz werden"

Herr de Senger, am Mittwoch ging das Adressverzeichnis zip.ch online. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Wir haben ein sehr positives Feedback bekommen. Viele haben uns zu unserem Mut gratuliert und wünschen uns Glück für dieses Projekt.

Bisher hatten Swisscom und Tamedia mit local.ch und search.ch das Monopol in der Branche der Schweiz. Weshalb gibt es in dem Markt so wenige Player?
Diesen Markt aufzumischen ist ein Kampf David gegen Goliath. Doch die Aussicht auf Erfolg war wohl noch nie so gross wie heute. Es besteht eine echte Nachfrage. Viele Leute haben das Gefühl, dass sie für die Dienste der Swisscom-Verzeichnisse zu viel bezahlen müssen.

Noch im März soll die Weko über die Zusammenlegung von local.ch und search.ch entscheiden. Inwiefern ist der Beschluss für zip.ch massgebend?
Wir gehen davon aus, dass die Weko die Fusion von local.ch und search.ch absegnen wird. Wir finden aber, dass die im Januar 2014 veröffentlichten Vorgaben des Preisüberwachers umgesetzt werden müssen, wenn der Zusammenschluss bewilligt wird. Darunter ist sicher einer der wichtigsten Punkte, dass auch die bezahlpflichtigen Einträge der Kunden von Swisscom Directories den potentiellen Mitbewerbern zur Verfügung stehen müssen. Ohne diese Regelung bleibt Konkurrenz auf diesem Gebiet nur ein Wunschtraum.

Kommt es zum Zusammenschluss, könnte es für zip.ch schwierig werden. Wie wollen Sie sich auf dem Markt halten?
Die Fusion wird nichts an unseren Ambitionen ändern. Der Erfolg basiert auf einer ausgezeichneten Search Engine Optimization (SEO,), und der bestmöglichen Benutzerfreundlichkeit. Derzeit kommt mehr als die Hälfte des Traffics bei local.ch und search.ch von Google - dank der SEO.

Zum Start von zip.ch haben Sie die Swisscom stark kritisiert. Die Preise für Daten seien zu hoch. Man wolle Wettbewerber vom Markt abschrecken.
Heute kaufen wir die Daten der öffentlichen Telefonverzeichnisse zu Preisen, wie sie vermeintlich durch das Telekommunikationsgesetz festgeschrieben sind. Aber wir erhalten die Kundendaten mit kostenpflichtigen Einträgen von Swisscom Directories nicht. Fügt eine Privatperson oder eine Firma ihren Adressdaten eine zusätzliche Rubrikangabe hinzu, ein Restaurant zum Beispiel den Zusatz Pizzeria oder auch die Adresse der Website – so verschwindet dieser Kunde aus dem öffentlichen Verzeichnis. Das ist ein großes Hindernis für den Eintritt eines neuen Wettbewerbers in den Markt und ein Missbrauch seiner privilegierten Stellung durch Swisscom Directories.

Sie wollen gerichtlich gegen diesen "Missstand" vorgehen. Wie konkret sind diese Pläne?
Ja, wenn im Rahmen der Weko-Untersuchung Swisscom Directories nicht verpflichtet wird, alle von ihr gesammelten Daten weiterzugeben, gelangen wir unsererseits an die Weko oder gegebenenfalls auch an die zuständigen Gerichte.

Auf zip.ch sind alle Dienste gratis. Wie soll sich die Plattform finanzieren?
Uns stehen genügend Mittel zur Verfügung, um unsere Ziel umzusetzen. Die Betriebskosten für zip.ch sind gesichert. Einnahmen generieren wir durch Werbung und Premium-Services.

Das jetzige zip.ch ist eine erste Version – eine zweite soll bald folgen. Was bietet sie mehr?
Die zweite Version ist in Entwicklung. Sie bietet jeder Person oder jedem Unternehmen mit einer Telefonnummer in der Schweiz die Gelegenheit, ihren Eintrag selber zu erstellen und zu bearbeiten. Zusätzlich zum Grundeintrag, wird der Teilnehmer die Möglichkeit haben, unentgeltlich Rubriken zu wählen, Logo oder eine Beschreibung des Geschäfts einzufügen sowie Web-Adressen, Social-Media-Angaben wie Facebook, LinkedIn, Google+, Skype, etc. Unserer Ziel ist es, das erste Social Media Directory der Schweiz zu werden.

Werden kostenpflichtige Dienste angeboten?
Wir werden in erster Linie die SEO weiter verbessern und zum Beispiel beliebte Schlüsselwörter wie Adwords versteigern. Die Preisgestaltung der Premium-Dienste steht noch nicht fest.

Sie steigen in eine Branche ein, die auch international hart umkämpft ist. Vor allem Google macht den lokalen Playern das Leben schwer und frisst einen Grossteil des Schweizer Werbebudgets. Wie wollen Sie sich mit zip.ch abheben?
Diese Einschätzung teilen wir nicht. Internet-Werbung macht in der Schweiz erst 10 Prozent der Werbeausgaben aus, aber die Wachstumsraten in den kommenden Jahren werden immens sein. In Grossbritannien fliessen bereits 50 Prozent der Werbegelder ins Internet. Swisscom und Tamedia begründen die Fusion von local.ch und search.ch mit der Marktmacht von Google. Das ist aber ein Vorwand. Zuerst, weil local.ch von seinem Umsatz nur einen kleinen Teil mit Werbung macht, und das Funktionieren von local.ch und search.ch von Google abhängig ist, über 50 Prozent kommt Google. Die Zahl der direkten Besucher ist sogar rückläufig. Unser primäres Ziel ist das Wachstum der Besucherzahlen, unsere künftigen Einnahmen werden vom Trafficabhängig sein.

Immer mehr Haushalte verzichten auf ein Festnetz – wichtiger sind Email und Handynummer. Damit sind die Leute in Telefonbüchern aber vorsichtig. Wie begegnend Sie dieser Herausforderung?
Wir müssen zwischen zwei Arten von Abonnenten unterscheiden. Für Berufsleute und Unternehmen bleiben die Verzeichnisse ein sehr effektives und beliebtes Kommunikationsmittel. Wenn Privatpersonen sich einfach und gratis registrieren und ihre Daten individuell ergänzen und kostenlos verwalten können, wird das gute alte Telefonbuch digital weiterleben. Davon bin ich überzeugt. In diesem Sinn wollen wir zip.ch. entwickeln.

Interview: Michèle Widmer, Bild: zVg.

 



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