23.07.2015

Auto Illustrierte

"Im Nachhinein ist man immer schlauer"

17 Kündigungen musste Reto Feurer aussprechen, teilweise an langjährige Mitarbeiter, die zu Kollegen oder gar Freunden geworden waren. Warum war die Schliessung der "Auto Illustrierten" unumgänglich? Laut dem Geschäftsführer von Motor Presse Schweiz lag es nicht am eigenen Produkt, sondern an den Werbeauftraggebern. Sie hätten die redaktionellen Leistungen zu wenig honoriert.
Auto Illustrierte: "Im Nachhinein ist man immer schlauer"

Herr Feurer, Sie mussten 17 Mitarbeiter entlassen. Warum haben Sie stattdessen nicht gespart und z.B. den Ausgabe-Rhythmus reduziert?
Eine Reduktion des Ausgabe-Rhythmus haben wir durchgerechnet und sie wäre auf Kostenseite interessant gewesen. Im deutlich Performance-Marketing geprägten Werbemarkt wären die Erlös-Chancen aber überdurchschnittlich geschmälert worden. 

Stand die Übernahme durch einen anderen grösseren Verlag zur Diskussion?
Für das primäre Wunschszenario, einen Verkauf der "Auto-Illustrierten" mit Übernahme der Mitarbeiter, liess sich kein geeigneter Käufer finden. 

Sie begründen die Schliessung mit "wirtschaftlicher Not". Was genau führte zum Einnahmenrückgang?
Rund 80 Prozent unserer redaktionellen Texte handelten von Neufahrzeugen, also Vergleichsteste oder Einzelberichte. Die erste Euro-Krise 2010/11 setzte die gesamte Automobilbranche unter Druck. Die Importeure versuchten anfangs, diese Situation auszusitzen. Eine erhebliche Anzahl von Neuwagenverkäufen realisierten Herr und Frau Schweizer im grenznahen Ausland und profitierte von günstigen Wechselkursen. Die Preise für Neufahrzeuge mussten dem Ausland angeglichen werden, um den florierenden Parallelimporten entgegenzuwirken. Alleine bis Dezember 2014 sanken die Schweizer Neufahrzeugpreise über die letzten fünf Jahre gesehen um rund 20 Prozent. 

Mit der Aufgabe der Euro-Anbindung im Januar 2015 stieg der Druck auf die Importeure nochmals und sie fingen überraschend schnell an, Neuwagen-Währungsrabatte von bis zu 18 Prozent zu gewähren. Insgesamt, über die letzten sieben Jahre hinweg, wurden die Neuwagen also um bis 40 Prozent günstiger. Wurden vor 2008 noch jährlich rund 250'000 Neufahrzeuge verkauft, waren es 2014 deutlich über 300'000 Fahrzeuge, die neu in den Markt hineingedrückt wurden.

Darum blieb den Autoimporteuren weniger Budget übrig für Werbung.
Genau. In diesem Jahr kam noch ein weiterer Effekt hinzu. Die heute angebotenen Neufahrzeuge wurden noch zu den alten Wechselkursen eingekauft. Nach Aufhebung der Euro-Anbindung im Januar erwarteten die Konsumenten sofort einen Währungsrabatt. Dies führt auch zur Absurdität, dass selbst Importeure, die die Einkäufe im Yen oder US-Dollar tätigen, einen Euro-Bonus geben müssen. Die Importeure sind gezwungen, alle firmeninternen Prozesse anzupassen. Sie stehen unter grossem finanziellen Druck. Zudem wurde aus einem Margenmarkt ein Volumenmarkt, der mit Discounten operiert.

Und diese Discount-Inserate werden nicht bei der "Auto-Illustrierte" geschaltet.
Nein, weniger. Die Importeure fokussieren auf die schnelle und reichweitenstarke Kommunikation von Preisvorteilen und konzentrieren ihre Media-Budgets auf kurzfristig belegbare oder reichweitenstarke Medien. Die Logik ist doch folgende: Wenn wir im redaktionellen Teil mehrheitlich über Neufahrzeuge berichten, müssten auch 80 Prozent der Inserate aus diesem Bereich kommen.

Mit diesem Modell haben Sie sich zu stark von einer einzigen Branche, der Autobranche, abhängig gemacht.
Das ist ein guter Punkt. Selbstverständlich versuchten wir andere Werbeumfelder anzubieten. Letztendlich zielen wir auf Männer, und damit auf eine Werbezielgruppe, die weniger attraktiv ist als die Frauen. Rund 70 Prozent der investierten Werbegelder richten sich bekanntlich an Frauen. Somit bedienen wir schon einmal eine schwierigere Zielgruppe. Versicherungen und die Finanzindustrie inserieren heutzutage vor allem online. Uhren hätten wir noch mehr machen können, aber Alkohol, Schmuck und Parfüm wären schwierig gewesen.

Wie andere Magazine verloren Sie laufend an Reichweite. Wohin wanderten die Leser ab?
Im Einzelhandel brach der Verkauf von allen Autozeitschriften in den letzten Jahren über 50 Prozent ein. Hierbei sind verschiedene Faktoren wirksam. Erstens hat das Auto als Statussymbols an Strahlkraft eingebüsst. Zweitens ist der Automobilmarkt extrem aufgesplittert. Jede Tageszeitung oder jedes Quartierblatt bietet redaktionelle Werbeumfelder, um die die Autowerbung optimal zu platzieren. Das ergibt ein Überangebot an Inventar. Dieser Effekt an oftmals kostenlosen Content machte uns das Leben bestimmt nicht leichter.

Warum haben Sie nicht frühzeitig ins Online investiert?
Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer. Doch ich bin erst seit Anfang 2014 Geschäftsleiter. Unsere Erlöse setzen sich mehrheitlich aus Print und wenig Digital/Events zusammen. Der Schritt ins Online wäre schon viel früher nötig gewesen, also vor über zehn Jahren. Als Ersatz für die im Print wegfallenden Rubrikeninserate hätten wir eine Classified-Plattform aufbauen sollen, so etwas wie autoricardo.ch oder autoscout.ch. Ich glaube aber, dass Online komplett überbewertet wird. Nutzerseitig hat es eine Berechtigung, doch das Digitalgeschäft ist einfach nicht rentabel.

Was haben Sie sonst noch probiert?
Im letzten Jahr stellten wir uns nochmals neu auf, haben eine TV-Sendung und Events initiiert sowie im Corporate-Publishing-Angebote gemacht und so versucht, neue Geschäftsfelder zu erschliessen.

Was können die weiter bestehenden Fachmagazine besser machen?
Um sozusagen Überlebenstipps zu geben, muss ich etwas ausholen: Historisch gesehen war die Automobilrevue das nationale Sprachrohr der politischen Anliegen der Automobilimporteure. Auch an uns, an die "Auto Illustrierte", gab es diese Anforderung. Im Gegenzug aber wurde unsere Leistung durch die Branche zu wenig honoriert. Hier merkt man, dass die Schweiz kein Auto-Hersteller-Land ist, sondern Autos importiert. In der Schweiz spielt das Image eine untergeordnete Rolle, primär wichtig ist der Absatz. In der aktuellen Rabattschlacht zählt für die Konsumenten der Deal und nicht das Produkt. Die verbleibenden Fachmagazine sehen sich mit der Herkulesaufgabe konfrontiert, den Autoimporteuren klar zu machen, dass die Interessenvertretung auch finanziell wertgeschätzt werden muss.

Machen Sie es sich nicht etwas einfach, wenn Sie die Schuld an die Werbeauftraggeber abschieben?
Nein, Sie haben Recht, ich kann den Schwarzen Peter nicht einfach der Automobilbranche zuschieben, denn sie steht ja selber unter grossem Druck.

Was hätten Sie strategisch oder redaktionell anders angehen sollen?
Selbstkritisch muss ich sagen: Wir hätten im Online mehr machen sollen, wie ich vorhin schon angetönt habe. Mit "Motorsport aktuell" in Deutschland haben wir eine durchdachtes crossmediales Angebot, doch auch hier: Die Musik spielt immer noch im Print.

Wie geht es für Sie persönlich weiter?
Ich bleibe Geschäftsführer von Moto Presse Schweiz. Zuerst muss ich den Restruktuierungsprozess über die Bühne bringen. Nachdem ich jetzt dann alles auf eine Schiene gebracht habe, werde ich ein, zwei Wochen Ferien machen, um den Kopf zu lüften.

Interview: Edith Hollenstein, Bild: zVg

 

 

 

 

 



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