30.07.2015

Gerhard Schwarz

"Ich könnte mir auch eine
 Privatisierung der SRG vorstellen"

Gerhard Schwarz war während vielen Jahren das liberale Aushängeschild der NZZ. Vor fünf Jahren wechselte der promovierte Ökonom zu Avenir Suisse, wo er mit seinen Studien immer wieder
für Schlagzeilen sorgt. So zum Beispiel letztes Jahr mit dem Vorschlag zur Umstrukturierung der SRG. Auf dieses Paper habe er viele positive Redaktionen bekommen, sagt Schwarz im Gespräch mit "persönlich", sogar von SRG-Mitarbeitern, die dies aber nicht laut sagen wollen.
Gerhard Schwarz: "Ich könnte mir auch eine
 Privatisierung der SRG vorstellen"

Herr Schwarz, Avenir Suisse ist gerade in der Vergangenheit als pointierter SRG-Kritiker aufgefallen. Hat Sie das knappe Resultat vom 14. Juni überrascht? 
Ja, es hat mich schon überrascht. Ich hatte erwartet, dass die SRG das Referendum relativ leicht gewinnen würde. Noch lieber wäre mir natürlich gewesen, die SRG-Kritiker hätten obsiegt.

Was war nach Ihrer Ansicht der Grund für diese ablehnende Haltung?

Es kamen wohl mehrere Strömungen zusammen. Da waren jene, die sich schlicht dagegen wehrten, dass die SRG künftig über eine Spezialsteuer finanziert werden soll, noch dazu eine Steuer, die man nicht als das bezeichnete. Das haben die Leute durchschaut. Dann roch das Ganze auch etwas zu sehr nach Schlaumeierei; das haben die Leute nicht gern. Was meine ich damit? Das billige Argument, ganz viele müssten dank der Vorlage weniger zahlen, kam wohl nicht gut an. Und schliesslich wurde die Abstimmung zunehmend zu einem Plebiszit über die Qualität des SRG-Service-public.

Nun entbrennt eine heftige Diskussion
um den Service public. Wird sich am Ende wirklich etwas ändern?

Ich glaube und hoffe schon: Gemessen an der anfänglichen Siegesgewissheit von Bundesrätin Doris Leuthard und von Generaldirektor Roger de Weck ist das schon ein ziemlicher Schuss vor den Bug. Da nichts zu machen, wäre unverantwortlich und unklug.

Wie sieht Ihr Idealmodell einer "neuen" SRG aus?

Unser Langfristmodell ist ein Unternehmen,
 das explizit und transparent vom Staat finanziert wird und spezifisch in der Schweiz interessierende Inhalte produziert, die im Markt
nicht produziert würden. Diese Gesellschaft
 würde Sendungen produzieren, aber nicht 
mehr selbst senden. Das überliesse man den Privaten. Ich könnte mir auch eine veritable
 Privatisierung der SRG vorstellen, also eine
 SRG, die von privaten Aktionären gehalten 
wird und gewinnorientiert ist. Die besonde
ren Inhalte, um die es beim Service public
 geht und die der Markt nicht hergibt, könn
ten dann durch öffentliche Zuschüsse (ähnlich wie im Kulturbetrieb) ermöglicht werden. Was nicht geht, ist, dass die SRG einerseits zwangsfinanziert wird, also bevorteilt ist, und anderseits im gleichen Teich fischt wie die privaten Medienunternehmen, die sich ihr Geld im Markt verdienen müssen. Genau das findet wegen der Konvergenz der Medien aber zunehmend statt. Das ist der wichtigste Anstoss für unsere Reformvorschläge.

Gleichzeitig dürfte eine so radikale Veränderung der SRG praktisch unmöglich sein.
Einverstanden, das ist ein verdammt schwieriges Unterfangen.

Hat Ihnen SRG-Generaldirektor Roger de Weck Ihre Thesen übel genommen?

Ich kenne Roger de Weck sehr lange. Wir hatten ein enges Verhältnis, als wir als Auslandkorrespondenten in Paris arbeiteten, er für die Zeit, ich für die NZZ. Wir hatten schon damals oft unterschiedliche Auffassungen. Möglicherweise hat sich die Differenz im Lauf der Jahre verschärft.

Wer hat sich mehr verändert?
Das ist schwierig zu beantworten, wahrscheinlich verlief die Entwicklung parallel. Aber unserer Beziehung tut dies keinen Abbruch, eine gute Freundschaft verträgt auch unterschiedliche politische Auffassungen. Wichtig ist mir aber, dass es erstaunlich viele positive Reaktionen auf das SRG-Paper gab, auch von SRG-Mitarbeitern, die dies nicht laut zu sagen wagen.

Was stört Sie an der SRG?
Wir stellen ein grosses Unbehagen gegenüber der SRG fest. Geht man davon aus, dass wirtschaftlicher Wettbewerb besser ist als staatlicher Interventionismus, ist der Status quo die schlechteste Option von allen. Einerseits steht die SRG in einem Wettbewerb, anderseits ist sie aber – obwohl kein Staatsbetrieb – durch Zwangsgebühren finanziert. Am wichtigsten scheint uns der technologische Wandel. Früher war die Medienwelt klar zwischen Print und elektronischen Medien aufgeteilt, und die unterschiedliche Finanzierung reflektierte das. Im Internet ist nun aber eine direkte Konkurrenzsituation entstanden – mit völlig ungleichen Spiessen. Das ist nicht akzeptabel und führt zu äusserst unbefriedigenden Lösungen.

Eine letzte Frage: Ihr Name wurde verschiedentlich als NZZ-Verwaltungsrat gehandelt. Könnten Sie sich dies vorstellen?

(Lacht.) Ich würde der Zeitung, der ich so viel verdanke, gewiss gerne etwas zurückgeben, aber keinesfalls als Sprengkandidat, sondern nur, wenn der Verwaltungsrat glaubt, dass ich einen Beitrag leisten kann. 

Interview: Matthias Ackeret, Bild: Keystone, Ennio Leanza

Das vollständige Gespräch mit Gerhard Schwarz lesen Sie in der aktuellen "persönlich"-Printausgabe

 



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240425