06.10.2015

Nachrichtendienst

Menschenrechtskommissar kritisiert das neue Gesetz

Es handle sich um eine "ernsthafte Bedrohung für das Recht auf Respekt des Privatlebens", sagt Nils Muiznieks.

Die Gegner des neuen Nachrichtendienstgesetzes haben am Dienstag mit der Unterschriftensammlung für das Referendum begonnen. Das Gesetz stösst nicht nur in der Schweiz auf Kritik: Bedenken äussert auch der Menschenrechtskommissar des Europarats.

Nicht nur die Zielpersonen sind betroffen
 
Wie die Zeitungen "Tages-Anzeiger" und "Bund" am Dienstag bekannt machten, hat sich Kommissar Nils Muiznieks in einem Brief an Verteidigungsminister Ueli Maurer sowie an die Präsidenten von National- und Ständerat gewandt. Im Schreiben, das der Nachrichtenagentur sda vorliegt, zeigt er sich besorgt. Der 
Menschenrechtskommissar spricht von einer "ernsthaften Bedrohung für das Recht auf Respekt des Privatlebens".
 
Seine Kritik richtet sich gegen die neuen Kompetenzen, die der Nachrichtendienst mit dem Gesetz hätte - vor allem gegen den Einsatz von Abhörwanzen und von Staatstrojanern, mit welchen der Dienst in Computer eindringen und diese manipulieren könnte. Davon betroffen wären nicht nur die jeweiligen Zielpersonen, sondern auch jene, die mit diesen kommunizierten, arbeiteten oder sich in deren Nähe befänden, schreibt der Kommissar.
 
"Massive Datensammlung"

 
Kritik übt Nils Muiznieks zudem an der geplanten Kabelaufklärung. Dürfe der Nachrichtendienst den Internetverkehr nach Stichworten absuchen, könne das zu einer massiven Datensammlung führen. Es drohe ein soziales Klima, in dem alle potenziell verdächtig seien.
 
Dass Massnahmen wie das Verwanzen von Privaträumen von einem Richter bewilligt werden müssten, begrüsst Muiznieks. Positiv äussert er sich auch zur unabhängigen Aufsichtsbehörde, welche das Parlament ins Gesetz eingebaut hat. Der Menschenrechtskommissar hatte den Brief verschickt, bevor die Räte definitiv darüber befanden. Alle Bedenken seien damit allerdings nicht 
ausgeräumt, hält er fest.


"Fragwürdige Einmischung"
 
In der Schweiz sehen sich die Gegner des Nachrichtendienstgesetzes durch das Schreiben bestätigt. Auch sie warnen vor Massenüberwachung und der Einschränkung der Grundrechte. Die Befürworter des Gesetzes dagegen messen dem Brief wenig Bedeutung bei.
 
Muiznieks disqualifiziere sich mit dem Schreiben selbst, sagt Thomas Hurter, Schaffhauser SVP-Nationalrat und Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates. Offensichtlich habe er sich mit dem Gesetz nicht auseinandergesetzt. Die unabhängige Aufsichtsinstanz, die er fordere, sei vorgesehen. Ohnehin sei die Einmischung aus Europa fragwürdig.
 
Das Verteidigungsdepartement (VBS) bestätigte, den Brief erhalten und beantwortet zu haben. Zu dessen Bedeutung und zum Inhalt der Antwort an den Kommissar will es sich nicht äussern. Der "Chaos Computer Club Zürich", der zu den Gegnern des Nachrichtendienstgesetzes gehört, kündigte daher an, gestützt auf das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip Einsicht in die Antwort zu beantragen. (sda)



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