06.06.2014

Natalie Rickli

"Die SRG berichtet oft neutraler als die Printmedien"

SVP-Nationalrätin Natalie Rickli gehört zu den profiliertesten Medienpolitikerinnen der Schweiz und ist seit Kurzem Präsidentin der Aktion Medienfreiheit, die für mehr Wettbewerb und eine Reduzierung des staatlich finanzierten Medienangebots einsteht. Persoenlich.com hat sich am Rande der Sommersession im Bundeshaus mit ihr über die SRG und SRF, linke Journalisten und Doris Leuthard als Medienministerin unterhalten.
Natalie Rickli: "Die SRG berichtet oft neutraler als die Printmedien"

Natalie Rickli, Sie sind seit kurzem Präsidentin der Aktion Medienfreiheit (persoenlich.com berichtete). Was wollen Sie mit dieser Vereinigung erreichen?
Ich will vor allem Medienpolitik zu einem Thema machen und für unabhängige und freie Medien einstehen. Mehr Wettbewerb und weniger Staat ist mein Motto.

Finden Sie, es wird zu wenig über Medien und Medienpolitik diskutiert?
Es ist ein Thema, das viele Politiker und die breite Bevölkerung nicht besonders interessiert. Generell wird die Bedeutung der Medienfreiheit und der Medienvielfalt für die Demokratie unterschätzt.

Ich habe den Eindruck, dass sich viele Leute ärgern über die Medien.
Wenn die Leute sich aufregen, können sie das Abo kündigen oder nutzen den entsprechenden Kanal nicht mehr. So funktioniert der private Markt – Angebot und Nachfrage. Man sollte nicht durch staatliche Subventionen oder die geplante Medienförderung künstliche Strukturerhaltung betreiben.

Eine Sonderstellung haben die staatlichen Radio- und Fernsehsender. Was wollen Sie hier bewirken?
Zuerst müssen wir endlich klären, was Service public in diesem Land genau bedeutet. Für mich gehört nur die Grundversorgung dazu, also Leistungen, die der Staat zwingend erbringen muss und die nicht von Privaten erbracht werden können. Dazu gehören sicher Informationsangebote in den verschiedenen Landessprachen und etwas Kultur. Unterhaltung sollte den Privaten überlassen werden. Eigentlich auch der Sport. Bisher war es für Private aber oftmals nicht möglich mitzubieten, da die SRG mit Millionen von Gebührengeldern Lizenze und Rechte einkaufen kann. Zur Erfüllung des Grundauftrags reicht ein staatlicher Radio- und Fernsehsender pro Sprachregion. Den Rest kann man den Privaten überlassen.

Wie soll das finanziert werden? Würden Sie das Gebührenmodell ganz abschaffen?
Zur Erfüllung des Grundauftrages des Service Public kann man Gebühren erheben - für den Rest nicht. Die SRG macht im Informationsbereich über das Ganze einen guten Job. Sie zeigt qualitativ hochstehende Sendungen. Wenn man den Grundauftrag der SRG auf einen Sender pro Region beschränkt, können die Gebühren halbiert werden.

Wäre es möglich, dass nicht nur die Printmedien, sondern auch Fernsehen und Radio vollständig privat sind?
Es wäre sicher wünschenswert. Medien sind nur dann frei, wenn sie vom Staat unabhängig sind. Ich bin aber gegen die Abschaffung der SRG. In unserem kleinen viersprachigen Land wird kaum ein privater Medienunternehmer gewinnbringend ein gutes Informationsangebot sicherstellen können. Aus diesem Grund braucht es sicher für die Westschweiz, das Tessin und den rätoromanischen Teil ein Grundangebot an Information. Den Rest - wie zum Beispiel Unterhaltung - kann man den Privaten überlassen. Wir müssen nun genau definieren, was die SRG im Rahmen des Service public erbringen soll.

Sie sagen, die SRG mache einen guten Job - Ihre Parteikollegen Christoph Mörgeli und Ueli Maurer wären da wohl anderer Meinung: Sie haben sich in letzter Zeit namentlich über die "Rundschau" sehr geärgert.
Im Informationsbereich macht die SRG insgesamt einen guten Job. Ich stelle in meinem Medienkonsum sogar fest, dass sie oft neutraler berichtet als die Printmedien. Einige Journalisten sind aber klar als Linke zu erkennen und machen tendenziöse Berichterstattung. Ueli Maurer hatte völlig recht, und ich finde es gut, dass er mal auf den Tisch geklopft hat. Politiker sind ja keine Roboter. Erstaunlicherweise sagt SRG-Ombudsmann Achille Casanova bei Beschwerden immer, dass er das Problem sehe, heisst sie aber praktisch nie gut. Der Ombudsmann wie auch andere SRG-Gremien sind der SRG gegenüber zu wenig kritisch.

Was würden Sie denn ändern?
Die SRG ist verpflichtet, ausgewogen zu berichten. Wer Gebühren erhält, muss vom Staat mehr kontrolliert werden. Das will die Mehrheit des Parlaments aber nicht. Es heisst dann: Die SRG ist unabhängig, wir dürfen ihr nicht dreinreden, sie hat Programmfreiheit. So können sie machen, was sie wollen, ohne jegliche Kontrolle und Transparenz über die Rechnung oder genaue Verwendung der Gebühren. Gleichzeitig werden Private – mit und ohne Gebühren – vom zuständigen Bundesamt genaustens kontrolliert. Da stimmt doch etwas nicht. Die Privaten ohne Gebühren müssen wir von der Bürokratie befreien.

Christoph Mörgeli hat kürzlich den Vorschlag gemacht, die Führungsebene von SRG und SRF solle vom Parlament gewählt werden und die stärkste Partei den Generaldirektor stellen. Ist das realistisch?
Er wird sicher nicht mehrheitsfähig sein. Er wollte vor allem auf das Problem aufmerksam machen. Eigentlich sollte die SRG völlig entpolitisiert werden.


Natalie Rickli an einer Medienkonferenz der neu gegründeten Aktion Medienfreiheit am 11. Juli 2008, zwischen Gregor Rutz und Filippo Leutenegger; ganz rechts CVP-Nationalrat Thomas Müller.

Die Schweizer Medienlandschaft wird neben der SRG von drei grossen Zürcher Konzernen dominiert. Wie nehmen Sie deren Produkte wahr?
Die nationale Berichterstattung ist oft sehr eintönig und im Mainstream. Immer mehr wird in Mantelredaktionen geschrieben und produziert, und auch bei wichtigen nationalen Themen werden einfach die SDA-Meldungen abgedruckt. Ich verstehe aber, dass die Medienunternehmen Synergien nutzen, und es ist gut, dass sie neue Ideen entwickeln. Im lokalen Bereich gibt es viele positive Beispiele, schliesslich abonnieren die Leute ihre Zeitung immer noch oft wegen der regionalen Berichterstattung. Auch die vielen Internetangebote sind ein Gewinn für die Medienvielfalt. Die Sonntagszeitungen dagegen sind immer mehr auf Skandale und Sensationen aus und konstruieren Geschichten, weil sie die Zeitung am Sonntag füllen müssen. In den letzten Jahren haben Artikel mit anonymen Quellen zugenommen. Während das in einzelnen Fällen Sinn macht, werden so mittlerweile ganze Geschichten konstruiert: "Hinter vorgehaltener Hand…", "Ein nicht genannt sein wollender Parteikollege…", "Eine anonyme Quelle…", "Ein enger Freund…", "Ein Vertrauter…" Der Journalist kann sich hinter dem Quellenschutz verstecken, obwohl es diese Quellen bei vielen Storys gar nicht gibt. Und wenn es sie gibt, ist eine Berichterstattung, die auf anonymen Quellen aufbaut, in den meisten Fällen nicht seriös. Und generell stelle ich fest, dass viele Medien links unterwandert sind.

Das ist ja ein Lieblingsthema der SVP, dass die Medien und die Journalisten alle so links seien.
Das stimmt auch grösstenteils! Früher erkannte man die Gesinnung des jeweiligen Journalisten, wenn er einen Kommentar schrieb oder sich eine Zeitung rechts oder links positionierte. Heute vermischt sich die Berichterstattung mit der persönlichen Gesinnung des Journalisten. Das ist gefährlich. Ich stelle fest, dass die SVP extrem kritisch hinterfragt wird, die Regierung und die anderen Parteien hingegen deutlich weniger. Dabei wäre es gerade die Aufgabe der Medien, die Regierung und die Politik kritisch zu hinterfragen.

Die SVP kommt sehr oft vor und profitiert davon ja auch.
Ich erwarte eine ausgewogene und kritische Berichterstattung – die findet aber meistens nicht statt. Statt seine politische Gesinnung offen zu deklarieren, verstecken sich die meisten Zeitungen hinter dem Deckmantel der "Mitte". Die Stimmbürger lassen sich glücklicherweise meistens nicht für dumm verkaufen. Die Zeitungen müssen sich einfach nicht wundern, wenn die Abonnements zurückgehen. Im Radio- und Fernsehbereich können sich die Leute leider nicht wehren: Sie müssen die 462 Franken Billag-Gebühren bezahlen, haben aber nichts dazu zu sagen. Darum sage ich, das Beste ist Wettbewerb: Dort entscheiden Nachfrage und Angebot den Markt. Und ich bin überzeugt, dass es mit mehr Wettbewerb mehr Qualität gibt.

Christoph Blocher hat kürzlich in einem Interview gesagt, er habe nie Mühe gehabt, seine Themen in den Medien zu platzieren.
Das ist sicher so. Die Medien schreiben zwar gegen ihn an, aber trotzdem wollen alle ein Quote oder ein Interview. Er ist eine politische Ausnahmeerscheinung, auch in diesem Sinne. Natürlich kommt die SVP oft vor in den Medien. Aber man kommt ja gerne so vor, wie man es gesagt hat.

Die SVP sucht die Öffentlichkeit auch auf anderen Wegen: Sie via Social Media, Christoph Blocher mit TeleBlocher, die Partei macht gerade auf dem Land sehr viel Plakatwerbung. Versuchen Sie so die traditionellen Medien zu umgehen?
Wenn man im redaktionellen Inhalt zu wenig differenziert rüberkommt, muss man Gegensteuer geben – zum Beispiel mit Werbung oder mit den neuen Möglichkeiten, die die Sozialen Medien bieten. Auf Facebook kommt meine Meinung unzensiert zum Ausdruck und meine 15'000 "Fans" sehen 1:1, was ich sage. Die SVP erlebt es oft, dass ein Communiqué in den Medien totgeschwiegen wird. Oder ein Zitat wird verzerrt oder eingebettet in einen Artikel, der dann in eine ganz andere Richtung geht. Darum sind die Sozialen Medien wie die verschiedenen Internetportale wichtig, sie bieten Medien- und Meinungsvielfalt.


Natalie Rickli und Christoph Blocher am 7. Mai 2014 im Bundeshaus.

Christoph Blocher investiert auch über die Medienvielfalt Holding in Zeitungen. Was halten Sie davon?
Ich finde es gut, wenn es Leute gibt, die mit ihrem privaten Geld die Medienvielfalt sicherstellen.

Aber wenn Christoph Blocher zum Beispiel die "Basler Zeitung" ohne unternehmerische Ziele unterstützt, hält er sie doch auch auf eine künstliche Art hoch. Finden Sie das sinnvoll?
Er hat verstanden, dass Medienvielfalt und Meinungsvielfalt wichtig sind. Meines Wissens wollte er, dass die "Basler Zeitung" eine unabhängige Tageszeitung bleibt und nicht auch noch von einem der Zürcher Medienkonzerne aufgekauft wird. Das begrüsse ich.

Zuerst stand er aber nicht dazu.
Das fand ich nicht gut. Aber ich verstehe seine Argumentation: Sobald die Leute wussten, dass  er dahintersteht, haben sie zum Abo-Boykott aufgerufen. Am Anfang hätten sie vielleicht den Kauf verhindert. Soweit ich informiert bin, berichtet die "Basler Zeitung" ausgewogen und lässt verschiedene Meinungen zu Wort kommen. Sie trägt also zur Medienvielfalt bei.

Bundesrätin Doris Leuthard hat kürzlich vorgeschlagen, die SDA stärker zu fördern, damit sie eine Art Grundversorgung im Informationsbereich sicherstellt und so den Verlegern mehr Freiraum gibt (persoenlich.com berichtete).
Die Verleger wehren sich zu Recht gegen eine direkte staatliche Medienförderung, wie sie von linker Seite und aus der Verwaltung gefordert wird. Ich habe aber Angst, dass die Verleger das eventuell akzeptieren könnten, wenn der Staat die SDA fördert. Dabei ist das keine Staatsaufgabe. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es mehrere Nachrichtenagenturen gäbe. Oder die Medien wieder vermehrt direkt in die nationale Berichterstattung investieren würden. In der letzten Zeit – zum Beispiel im Rahmen der Pädophilen-Initiative – berichtete die SDA leider oft unseriös und die Journalisten vermischten die eigene politische Gesinnung mit dem Inhalt. 


Die für Medienpolitik zuständige Bundesrätin Doris Leuthard bei ihrer Rede am Swiss Media Forum in Luzern am 9. Mai 2014.

Wie beurteilen Sie generell die Arbeit von Leuthard als Medienministerin?
Sie legt sich genauso wenig mit der SRG an wie ihre Vorgänger und hindert sie nicht daran, private Angebote zu konkurrenzieren. Dass sie angeordnet hat, dass die Verleger und die SRG an einen Tisch sitzen müssen, um eine Lösung betreffend Onlinewerbung zu finden, konnte ich nicht verstehen. Das Internet ist das beste Beispiel für Wettbewerb: Hier braucht es keinen Service public, keine Gebühren und natürlich auch keine Online-Werbung für die SRG.  Mit der Einsetzung der Eidgenössischen Medienkommission schiebt sie meiner Meinung nach die Verantwortung für die Medienpolitik und die Definition des Service public ab.

Was erwarten Sie von der Medienkommission?
Ich finde sie unnötig. Es ist nicht Staatsaufgabe, die Medienlandschaft zu analysieren, das soll die Branche selber machen. Die Politik sollte da nicht dreinreden – denn wenn sie das tut, bedeutet das mehr Subventionen, mehr Kontrolle und staatlich verordnete "Qualität". Die unzähligen ausserparlamentarischen Kommissionen sind sowieso ein Unding unserer Zeit.

Wie sind Sie eigentlich zur Medienpolitik gekommen? Vor allem über Ihren Beruf?
Ich arbeite seit meiner Lehre in der Medienbranche. Es ist ein Vorteil des Milizsystems, dass man sein berufliches Know-how direkt einbringen kann. Das wird mir oft genug vorgeworfen – dabei weiss ich, wovon ich rede. Ich selber bin auch froh, wenn sich ein Arzt zur Gesundheitspolitik, ein Lehrer zur Bildungspolitik oder ein Unternehmer zur Wirtschaftspolitik äussert. Man sollte das als Gewinn sehen.


Natalie Rickli ist seit 2007 Nationalrätin des Kantons Zürich. Im Parlament ist sie Mitglied der Kommission für Rechtsfragen sowie Vize-Präsidentin Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen. Seit 2005 arbeitet sie bei der Werbevermarkterin Goldbach Group, momentan als Partner Relation Manager.

Die Aktion Medienfreiheit wurde 2008 von bürgerlichen Politikern gegründet. Erster Präsident war FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger, der nach seiner Wahl in den Zürcher Stadtrat zurücktrat. Seine Nachfolgerin ist Natalie Rickli, die seit der Gründung als Vize-Präsidentin dabei war. Weitere Vorstandsmitglieder sind neben anderen SVP-Nationalrat Gregor Rutz, FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, CVP-Nationalrat Marco Romano und Pierre Bessard vom Liberalen Institut.

Interview: Lukas Meyer//Bilder: Keystone



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