13.05.2014

Newsweek

"Print wird es als Premium-Produkt immer geben"

Jim Impoco hat im Herbst 2013 die Chefredaktion von "Newsweek" übernommen. Das traditionsreiche Magazin machte Ende 2012 Schlagzeilen, als es die gedruckte Ausgabe einstellte und eine "digital only"-Strategie fuhr. Diese Entscheidung wurde inzwischen revidiert, seit einigen Monaten gibt es "Newsweek" wieder am Kiosk. Am Swiss Media Forum in Luzern berichtete Impoco von seinen Erfahrungen. Im Interview mit persoenlich.com spricht er über die Lage der Medien und seine Zeitschrift und erklärt, warum er die "Huffington Post" unerträglich findet und selbstverliebten Medienleuten auf Twitter nicht mehr folgt.
Newsweek: "Print wird es als Premium-Produkt immer geben"

Mr. Impoco, heute morgen kaufte ich am Kiosk die neuste in der Schweiz verfügbare Ausgabe von "Newsweek". Vor mir kaufte ein älterer Herr ebenfalls eine und beschwerte sich über den Preis: Früher hätte das Heft nur acht Franken gekostet, heute sind es zehn. Auf jeden Fall hat er es gekauft. War es die richtige Entscheidung, "Newsweek" wieder zu drucken?
Wir werden es sehen! (lacht) Ich glaube schon. Wir haben einen guten Plan, und es ergibt Sinn.

Die Marke "Newsweek" steht für ein hochwertiges Printprodukt...
...richtig...

...die aber offenbar nicht stark genug ist, um eine reine Online-Ausgabe zu tragen?
Nein, es ging uns auch "digital only" sehr gut. Aber Print hat einfach so viel mehr Kraft. Es wird zwar nie mehr unser grösstes Publikum anziehen, wir erreichen viel mehr Leute über die digitalen Kanäle. Wir haben momentan zwei Millionen Unique Clients im Monat, bald werden wir hoffentlich zehn Millionen erreichen. Es wäre unmöglich, zehn Millionen gedruckte Ausgaben zu verkaufen - auf jeden Fall zu diesem Preis.

Warum gingen Sie dann überhaupt zurück zur gedruckten Ausgabe?
Sehen Sie (seufzt) - das war eine Entscheidung der Besitzer. Viele ehemalige Kunden und Partner vermissten die gedruckte Ausgabe. Nun haben wir ein neues Geschäftsmodell und ein neues Budget erarbeitet. Wir können "Newsweek" nun zu einem Fünftel der Kosten produzieren, die Tina Brown hatte (Impocos Vorgängerin, Anm. d. Red.). Das sind gute Nachrichten, finden Sie nicht?

Sicherlich. Sind eigentlich Ihre Print-Leser die gleichen wie die Online-Leser, oder sind das ganz verschiedene Gruppen?
Ich weiss es nicht, aber es gibt sicher Überschneidungen. Ich selber lese momentan ja alles digital, auf dem Tablet oder iPhone, aber eher aus professionellen Gründen.

Was macht "Newsweek" einzigartig? Warum sollten die Leute es lesen?
Weil es eine der wenigen tiefergehenden Publikationen ist, die über News-Themen berichtet. Es gibt viele Publikationen für lange, narrative Geschichten, aber die sind meist nicht sehr aktuell. "Newsweek" kombiniert die Aktualität eines Wochenmagazins mit der Tiefe, die man von einem Monatsmagazin erwartet. Ich sage gerne: Wir sind das einzige Monatsmagazin, das wöchentlich erscheint!

Sind Tageszeitungen für die Aktualität nicht besser?
Wochenmagazine kamen auf, weil man bei Tageszeitungen oft das Gefühl hat, mitten in eine Konversation hinein zu platzen. Man fühlt sich, als hätte man den ersten Teil verpasst und hat keine Ahnung, wie es weitergeht. Zeitungen sind schlecht darin, den Kontext herzustellen. Es braucht Magazine, die einen Schritt zurücktreten und die einzelnen Punkte verbinden und Zusammenhänge herstellen. Wir fügen die grossen Geschichten unserer Zeit zusammen und bringen sie in den richtigen Kontext. Zeitungen sind viel besser geworden, aber generell sollten sie das machen, was wir machen – dann bräuchte es uns nicht mehr.

Was für Leute schreiben für "Newsweek"? Welche Fähigkeiten müssen sie haben?
Sie müssen sich in ihren Themen richtig gut auskennen. Sie müssen den Dingen auf den Grund gehen können. Wir haben keinen Platz für oberflächliche Berichte. Und sie müssen schreiben können – und zwar spezifisch für ein Magazin. Zeitungsartikel sind oft ein Wirrwarr ohne Anfang und Ende. Magazingeschichten haben eine klare Struktur und einen Spannungsbogen.

Schreiben eigentlich all Ihre Leute für Print und Online?
Wir haben einige Leute, die wir "Hybride" nennen, die für Online und auch für Print schreiben. Manchmal ist Online wie ein Training für Print. Wenn sie gut genug werden, kommen sie irgendwann ins Heft.

Und was ist Ihre Aufgabe als Chefredaktor von "Newsweek"?
Ich bestimme die Titelgeschichte und das Titelbild. Ich wähle die grossen Geschichten aus. Ich lese alles, was reinkommt.

Wie entscheiden Sie, was auf den Titel kommt und was die wichtigste Geschichte ist?
Das ist hauptsächlich Instinkt. Oft ist es nicht unbedingt die wichtigste Geschichte, sondern die beste, die wir haben. In dieser Ausgabe ist es die Krim-Krise, darüber redet momentan jeder. Wir schauen sie von einem anderen Blickwinkel aus an und fragen, was das heisst für die nukleare Bewaffnung, und erinnern an vergessene Verträge, über die niemand geredet hat. Aber man will ja sehen, wie sich die Geschichte entwickelt und was dahintersteckt.

Sie haben in einem Interview neue Partnerschaften in Europa angekündigt. Wie ist der aktuelle Stand?
Das Interesse ist sehr gross. Wir führen gerade Gespräche mit verschiedenen Partnern, über die ich nicht momentan nichts weiter sagen kann. Aber Europa ist generell sehr wichtig für "Newsweek", es ist ein sehr grosser Markt für uns.

"Newsweek" hat in den letzten Jahren mehrmals den Besitzer gewechselt und gehört jetzt zu International Business Times Media. Inwiefern ist das für Sie als Chefredaktor wichtig?
Sie zahlen jeden Monat meinen Lohn, das ist alles.

In letzter Zeit haben einige Milliardäre Zeitungen gekauft oder eigene publizistische Projekte gestartet. Was halten Sie davon?
Ich finde das gut. Wir brauchen eine neue Generation von reichen Leuten, die in die Medien investieren. Da gibt es ja eine lange Tradition von Hearst an...

...damals lohnte sich das aber, sie wurden damit noch reicher.
Das stimmt. Momentan ist es wohl mehr die Eitelkeit. Aber sie werden ein Geschäftsmodell finden.

Es gibt auch Stiftungen wie Pro Publica, die Journalismus finanzieren. Finden Sie das gut?
Ja. Man muss sehen, was funktioniert, und neue Modelle finden - auch wir. Wenn es nicht funktioniert, funktioniert es halt nicht.

Wie lange wird es überhaupt noch Print-Produkte geben?
Ich glaube, Print wird es als Premium-Produkt immer geben. Zeitungen wie die "New York Times" werden bald auch zum Boutique-Modell kommen. Aber billige Massenware wird es schwer haben. Das heisst: Qualität ist im Journalismus wichtiger denn je.

Was halten Sie von Portalen wie Buzzfeed? Werden sie wichtig für den Journalismus?
Momentan geben sie viel Geld aus für Dinge, die nicht zu ihrem Markenkern gehören. Sie kaufen sehr teure Investigativreporter und Experten. Ich bin nicht sicher, ob das gut geht. Buzzfeed als Seite wird sicher funktionieren. Aber Leute, die ernsthaften Journalismus und investigative Leistungen wollen, werden wohl nicht auf Buzzfeed gehen.

Zu viele Kätzchen?
Ja, zu viele Kätzchen, zu viele Listicles. Haben Sie je probiert, die "Huffington Post" zu lesen? Das ist unerträglich. Und schlussendlich könnten sie gar nicht existieren, wenn sie nicht von anderen kopieren würden.

Die Huffington Post hat jetzt auch eine deutsche Seite...
...
und wie machen sie sich?

Von den Klicks her ziemlich gut, aber Inhalt und Aufmachung stossen - zumindest in den Medien - auf starke Ablehnung.
Interessant. Ja, Arianna (Huffington, Anm. d. Red.) hat da was gestartet. Ich musste ihr auf Twitter aber entfolgen, ebenso wie all den anderen Medienleuten mit ihren unausstehlichen, selbstverliebten Tweets.

Interview: Lukas Meyer//Bild: zVg, Swiss Media Forum



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