20.04.2015

NZZ Geschichte

"Das positive Feedback ist fast schon unheimlich"

Das neueste Produkt aus dem Hause NZZ ist vor einer Woche erstmals erschienen. persoenlich.com hat mit NZZ-Geschäftsführer Steven Neubauer und Peer Teuwsen, der das Magazin "NZZ Geschichte" publizistisch leitet, gesprochen - über die Verbesserungsmöglichkeiten im Rezensions-Bereich, die fehlende digitale Umsetzung und die Gefahr, im Magazinjournalismus einzuschlafen.
NZZ Geschichte: "Das positive Feedback ist fast schon unheimlich"
Das neue Magazin soll Gegensteuer zur Fiktionalisierung von Geschichtsthemen geben. Historisches ist oftmals trocken. Wie wollen Sie die Informationen in "NZZ Geschichte" für den Leser attraktiv aufbereiten?
Teuwsen: Das ist tatsächlich ein Problem. Im deutschsprachigen Europa ist die Erzähltradition im historischen Bereich wenig ausgeprägt. Und was die Verbindung von der Geschichte mit der eigenen Lebensgeschichte angeht, sind die Angelsachsen uns um Längen voraus. Wir haben uns lange umgeschaut, um Autoren zu finden, die über Geschichtsthemen so schreiben können, dass man sie gerne liest. Es gibt nicht viele in der Schweiz, die das können.
 
Sie haben Martin Beglinger vom Magazin geholt.
Teuwsen: Genau, als Historiker und hervorragnder Magazin-Journalist ist er prädestiniert für 'NZZ Geschichte'. In Zusammenarbeit mit unserem wissenschaftlichen Beirat haben wir nach weiteren Autoren gesucht. Dass unsere Suche erfolgreich war, zeigen die vieldiskutierte Hauptstory von Thomas Maissen, aber auch die Arbeiten von Claudia Mäder, Christophe Büchi, Martin Meyer, Birgit Schmid und den anderen. Wir hatten viele Anfragen von Journalisten.
 
Viel Zeit dafür hatten Sie nicht. Die Idee "NZZ Geschichte" entstand im letzten Dezember.
Neubauer: Die letzten Monate waren ein heisser Ritt, sowohl aus publizistischer Sicht, als auch was die Produktion und die Vermarktung angeht. Aber das Tempo passt in unsere neue Strategie, schneller neue Produkte auf den Markt zu bringen. Als Peer Anfang Dezember mit der Idee zu mir und Markus Spillmann (ehemaliger NZZ-Chefredaktor) kam, waren wir sofort begeistert. Der Titel passt perfekt zur Marke NZZ.
 
Das erste Heft ist nun seit einer Woche auf dem Markt. Wie sind die Reaktionen ausgefallen?
Teuwsen: Wir haben sehr viel Feedback erhalten - fast ausschliesslich positives. Das ist fast schon etwas unheimlich. Denn wenn etwas Neues auf den Markt kommt, schauen es sich die Leute ganz genau an. Gerade Journalisten halten gerne den Finger auf etwas, das sie nicht gut finden. Im Fall von 'NZZ Geschichte' loben sie also, oder sie schweigen. Das Heft kann also nicht so schlecht sein.
 
Nur Lob und kein Tadel also. Wie beurteilen Sie als Macher das Magazin?
Teuwsen: Ich finde die erste Ausgabe sehr gelungen. Sie ist wohl etwas vom besten, was ich je gemacht habe. Der Themenmix und die Heftarchitektur sind ideal. Einzig im Rezensions-Bereich können wir noch besser werden.

Das positive Feedback bestätigt sich in den Verkaufszahlen. Die Ziele sind bei Weitem übertroffen worden. Wie viele Abos und wie viele Einzelausgaben wurden verkauft?
Neubauer: Über detaillierte Zahlen sprechen wir nicht. Wenn ich die Verkaufs- und Abozahlen jedoch mit denjenigen der Konkurrenzprodukte am Kiosk vergleiche, sind wir mit 'NZZ Geschichte' bereits mit der ersten Ausgabe das grösste Geschichtsmagazin in der Schweiz.
 
Die erste Ausgabe wurde in einer Auflage von 20’000 produziert. Wird die Zahl für das nächste Heft angepasst?
Neubauer: Wir werden die Zahlen analysieren und dann entscheiden. Für die erste Ausgabe wurden auch einige Exemplare für Werbe- und Marketingmassnahmen produziert.
 
Die Lancierung des Magazins fällt in ein geschichtsträchtiges Jahr für die Schweiz. Ist der gute Start vielleicht damit zu erklären?
Teuswen: Wir haben das Projekt deshalb schneller vorangetrieben, um von der Aufmerksamkeitsblase zu profitieren. In der zweiten Jahreshälfte wäre es zu spät gewesen.
 
Was passiert, wenn das Jubiläumsjahr vorbei ist?
Neubauer: Darüber machen wir uns keine Sorgen. Wir haben ein sehr gutes Produkt. Das wird die zweite Ausgabe bestätigen. Die Schweizer Geschichte ist reichhaltig und bietet mehr Stoff als für nur vier Ausgaben.
 

Apropos zweite Ausgabe. Sie erscheint im Juli. Stehen die Themen bereits?
Teuwsen: Im Januar haben wir beschlossen, dass Thomas Maissen die Titelgeschichte der ersten Ausgabe schreibt. Auch die Titelthemen von der zweiten und der dritten Ausgabe sind bereits gesetzt. Aber weiter hinaus planen wir nicht. Das finde ich gefährlich.

Wie meinen Sie das?
Teuwsen: Wer zu weit vorausplant, läuft Gefahr einzuschlafen. Ich erinnere mich an meine Zeit beim 'Magazin'. Chefredaktor René Bortolani hinterliess der Redaktion einen riesigen Berg an Manuskripten. Die Texte allein hätten das Magazin für ein Jahr lang gefüllt. Bei 'NZZ Geschichte' wollen wir soweit es geht auch aktuelle Themen aufgreifen und mit den Inhalten jonglieren können.

Das Heft kostet am Kiosk 18 Franken pro Ausgabe. Wer ist die Zielgruppe?
Neubauer: Generell richtet sich das Magazin an alle Geschichtsinteressierten in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum. Bei den Marketingmassnahmen haben wir uns stark auf die bestehenden NZZ-Abonnenten fokussiert. Aber wir sind auch ausserhalb unserer Abonnenten erfolgreich. 

In Deutschland, England und Frankreich haben Geschichtsmagazine Konjunktur. Weshalb kam in der Schweiz bisher kein anderer Verlag auf die Idee?
Teuwsen: Ehrlich gesagt, habe ich mich das auch gefragt. Einerseits hat es wahrscheinlich mit der Grösse des Schweizer Marktes zu tun. Die Deutschschweiz ist klein, das Risiko ist hier sicherlich grösser als im riesigen Deutschland. Andererseits glaube ich, dass die anderen Verlagshäuser gar nicht mehr auf eine solche Idee kommen. Sie verfolgen ein anderes Geschäftsmodell. Sie haben sich sozusagen ins Hundefutter-Geschäft verabschiedet.

Was unterscheidet "NZZ Geschichte" von den Konkurrenzprodukten im Ausland?
Teuwsen: Die meisten Magazine im Geschichtsbereich sind monothematisch. Wir haben zwar ein klares Schwerpunktthema, behandeln aber auch noch andere Themen im Heft, um ein bereites Publikum anzusprechen.
 
Während Ringer und Tamedia immer mehr Geld mit digitalen Produkten machen, bringt die NZZ-Gruppe ein gedrucktes Geschichtsmagazin heraus - ohne digitale Umsetzung. Weshalb?
Neubauer: Wir glauben an den publizistischen Inhalt, aber nicht nur im Print. Die Idee 'NZZ Geschichte' ist - wie gesagt - erst im Dezember entstanden. Wir wollten aber schnell damit auf den Markt gehen, weil wir an das Produkt glauben. Ob Print oder Online ist für uns am Ende des Tages egal, solange wir das richtige Medium für den Leser finden. Und da sprechen die Zahlen für sich.
Teuwsen: Wir werden aber sicher ein E-Paper nachliefern - voraussichtlich auf die zweite Ausgabe. Es ist klar, dass wir das machen müssen.
 
Gestaltet wurde das Magazin von Designer Tyler Brûlé. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Teuwsen: Für das Layout haben wir drei Agenturen zu einem Pitch eingeladen. Das Rennen gemacht hat am Schluss die Agentur Winkreative, die bereits das neue 'Magazin Z' gestaltet hat. Überzeugt hat uns vor allem das besondere Format. Ich kenne kein anderes Geschichtsheft, das so aussieht. Das Team um Tyler Brûlé hat hervorragende Arbeit geleistet. 
 
Jedes Quartal ein neues Produkt: nzz.at, nun "NZZ Geschichte" - was kommt als nächstes?
Neubauer: Lassen Sie sich überraschen. Das nächste Produkt lässt nicht mehr lange auf sich warten.
 
Wird es gedruckt oder digital sein?
Neubauer: Es wird etwas im Digitalbereich sein.
 
Interview und Bild: Michèle Widmer
 

 
Die NZZ lud zum Launch des neuen Heftes "NZZ Geschichte" zu einer Podiumsdiskussion im Landesmuseum. Die SP-Politikerin Rebekka Wyler, SVP-Nationalrat Peter Keller und Historiker Thomas Maissen führten die Debatte um die Schweizer Geschichte hitzig fort. Das Video dazu finden Sie hier.

 



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