25.10.2014

NZZ-Gruppe

"Ich führe mit klaren Zielsetzungen und eher langer Leine"

Jürg Weber ist der neue starke Mann innerhalb der NZZ-Gruppe. Als Leiter des Geschäftsbereichs "Regionalmedien" verantwortet er zusätzlich zu den Medien der Zentralschweiz neu auch die St.Galler Tagblatt Medien AG, wie am Freitag bekannt wurde. Auf welchen Führungsstil müssen sich die rund 350 Ostschweizer Mitarbeiter gefasst machen? Und was passiert mit TVO und FM1? Im Interview spricht Weber, der sich der Region durch seine Studienzeit verbunden fühlt, zudem übers "Hebel ansetzen", die regionale Verankerung und Synergiepotential.
NZZ-Gruppe: "Ich führe mit klaren Zielsetzungen und eher langer Leine"

Herr Weber, anstelle von Daniel Ehrat leiten Sie neu die Mitarbeiter der St. Galler Tagblatt AG. Wie wurden Sie in St.Gallen empfangen?
Wir haben am Freitag die Geschäftsleitung und die Belegschaft vor Ort über die neue Organisation und den personellen Wechsel orientiert. Änderungen dieser Art schaffen natürlich eine gewisse Verunsicherung. Das ist nachvollziehbar und ernst zu nehmen. Es ist aber auch Verständnis spürbar, dass die neue Organisation eine logische Weiterentwicklung in der Konsolidierung ist, und dass das Zusammenrücken von zwei starken regionalen Medienhäusern Chancen für die Zukunft schafft.

Mit wem werden Sie besonders eng zusammenarbeiten?
Ich werde in St.Gallen natürlich sehr eng mit meinen neuen Kollegen bzw. meiner neuen Kollegin in der Geschäftsleitung zusammenarbeiten und projektbezogen mit Kader und Mitarbeitern.

Auf welche Art Führungsstil müssen die Mitarbeiter sich einstellen?
Ich führe gern mit klaren Zielsetzungen und eher "langer Leine", ich höre zu, diskutiere gerne verschiedene Optionen und versuche, im Gespräch zu motivieren. Ich schätze den persönlichen Kontakt und Leute, die in der Veränderung Chancen sehen.

Ihr Vorgänger Daniel Ehrat war stark in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft der Ostschweiz vernetzt. Haben Sie ähnliche Bestrebungen vor oder ist dies nicht so zentral für Ihre neue Aufgabe?
Vernetzung ist ein sehr spannendes, aber auch langwieriges Thema. Es braucht Zeit. Aber selbstverständlich werde ich mich diesem Thema annehmen, und zwar sehr gern, weil man interessante Menschen kennen lernt. Mir kommt zu Gute, dass ich offen und neugierig bin. 

Ist es Ihre Aufgabe einen Sparauftrag umzusetzen? Falls ja: Wie lautet dieser konkret?
Die klassischen Medien stehen unter Druck. Unser Ziel ist es, dass wir das klassische Angebot so schlank wie möglich, dank Synergien aber qualitativ nach wie vor hochstehend, anbieten können. Zudem sollen Ressourcen für die Markenportale und für Zusatzgeschäfte frei geschaufelt werden.

Ziel ist, laut NZZ-Mitteilung, dass die Regionalmedien enger zusammenarbeiten. Wo konkret sehen Sie Synergiepotential? a) ... im redaktionellen Bereich? b) ... in der Lesermarktbearbeitung? c) ... bei der Generierung von Zusatzgeschäften?
Wir werden systematisch in allen Bereichen die Frage prüfen, ob wir mit einer engeren Zusammenarbeit Doppelspurigkeiten beseitigen oder aber kraftvoller und innovativer auftreten können. Das "goldene" Entscheidungskriterium ist dabei, dass der regionale Bezug und USP nicht verloren geht. Insbesondere die regionale Verankerung darf auf keinen Fall beschädigt werden. Das bezieht sich auf alle drei Bereiche, die Sie erwähnen. Dafür wollen wir unser Angebot in Zukunft kanalspezifischer gestalten und hier auch investieren. Zusammengefasst setzen wir dort den Hebel an, wo es dem Kundennutzen nicht schadet, damit wir nicht plötzlich gezwungen sind, am falschen Ort zu schneiden.

Die Absicht war eigentlich, dass Sie die drei Fragen einzeln beantworten. Nun: Wie wollen Sie vorgehen, damit langfristig die regionale Verankerung der Tagblatt Medien nicht leidet? 
Ich habe die Antwort zusammengefasst, weil bei allen drei Bereichen die Synergiefindung nach den gleichen Kriterien geprüft wird. Wenn wir redaktionelle Themen betrachten, werden wir darauf achten, dass der lokale und regionale Fokus erhalten bleibt. Auch bei überregionalen Themen muss selbstredend darauf geachtet werden, dass der regionale Bezug oder Impact des Themas nicht verloren geht - ebenso wie die regionalen Stimmen und Kommentare von lokalen Politikern und Vertretern der Wirtschaft. So kann z.B. die Ecopop-Iniative übergreifend behandelt werden, gleichzeitig aber mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen auf die jeweiligen Regionen ergänzt werden. In der Lesermarktbearbeitung werden wir Aktionen einheitlich lancieren können und gleichzeitig einen starken regionalen und klar auf die Marke vor Ort fokussierten Auftritt haben, z.B. an der Olma oder Zuger Messe. Bei den Zusatzgeschäften wie Leserreisen können wir Reisen in beiden Regionen anbieten, und, und, und.

Die regionale Verankerung ist unser Erfolgsmodell und das wollen wir sicherlich nicht gefährden. Die Produkte und die dahinter stehenden Teams werden ihren regionalen und lokalen Fokus behalten. Wir optimieren diejenigen Aktionsfelder, die den Leser und User nicht direkt betreffen, z.B. die Vereinheitlichung der Technologie und Struktur für die Markenportale. Die neu geschaffene Funktion des Leiters Regionalmedien soll sicherstellen, dass wir alle Aktivitäten darauf hin prüfen, ob wir sie gemeinsam nicht effektiver erbringen können oder aber ganz bewusst mit dem Blick auf den regionalen Kunden lokal schärfen müssen.

Wie die NZZ-Mediengruppe weiter informiert, werden die elektronischen Medien in der Ostschweiz, Radio FM1 und TVO, nicht Teil Ihres neuen Geschäftsbereichs, sondern mit einem Projektteam Digitale Reichweiten zu einer Innovationszelle zusammengeschlossen. Warum diese Aufteilung?
Diese Aufteilung ergibt sich aus unserer Strategie: Wir wollen ein Reichweitenportal mit Blick auf ein FM1-affines Publikum entwickeln, das dem Zusammenwachsen des audiovisuellen Nutzungsverhalten Rechnung trägt. Eine organisatorische Separierung ist sicher förderlich für den innovativen Charakter.

Warum gehören Tele1 und Radio Pilatus weiterhin unter Ihre Verantwortung?
In der Ostschweiz heisst die Versuchsanordnung Innovation, in der Zentralschweiz wollen wir vorläufig den eher klassischen Weg des Medienangebots aus einer Hand gehen. Auch das ist ein Vorteil des Zusammenrückens, wir können gegenseitig von unterschiedlichen Konstellationen lernen.

Freuen Sie sich auf Ihre neue Aufgabe und worauf besonders?
Selbstverständlich freue ich mich auf die neue Aufgabe, sonst hätte ich sie nicht angenommen. Ich freue mich darauf, neue Leute kennen zu lernen, neue Ideen verwirklichen zu können, den Grundstein legen zu können, dass wir auch zukünftig schlagkräftig bleiben: Und nicht zuletzt freue ich mich auch auf die Region, wo ich meine Studienzeit verbracht habe.

Fragen: Edith Hollenstein, Bild: zVg

 



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