20.03.2014

Quottom

"Es ist auch ein Ausdruck unserer Generation"

Das halbjährlich erscheinende Magazin "Quottom" ist 250 Seiten dick und enthält Essays, Interviews, Fotografie und Kunst. Vor einem Jahr ins Leben gerufen, ist soeben ist die dritte Ausgabe der Zeitschrift erschienen. Im Gespräch mit persoenlich.com geben die Mitgründer Ruben Feurer (rechts) und Nicolas Walker (links) Auskunft über die Entstehung und das Geschäftsmodell von "Quottom" und sagen, wie sie weitermachen wollen.
Quottom: "Es ist auch ein Ausdruck unserer Generation"

Nicolas Walker, Ruben Feurer, vor einem Jahr haben Sie "Quottom" gegründet, soeben ist die dritte Ausgabe erschienen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Print-Magazin zu machen?
Nicolas Walker: Mich hat das schon immer interessiert. Zuerst wollte ich Texter werden, bin dann aber doch Grafiker geworden. Das Magazin ist eine Fusion von beidem. Wir wollten auch all unsere Freunde, die schreiben oder Kunst machen, zusammenbringen. Wir fanden, die beste Form dafür wäre ein Print-Magazin.

Wie haben Sie das Heft dann entwickelt?
Walker: Vieles ist intuitiv entstanden. Unser Konzept ist sehr offen, wir probieren ständig neue Sachen aus. Wir haben nur wenig festgelegt: Der Umfang beträgt 250 Seiten, es wird ein Themenheft mit Dualthematik, und wir wollen junge Leute drin haben.
Ruben Feurer: Dann haben wir einfach angefangen – nicht zu viel überlegt, sondern einfach mal gemacht. Es ist innerhalb dieser Strukturen, die wir uns selber gesetzt haben, dann gewachsen.

Wie oft wurden Sie schief angesehen dafür, dass Sie als junge Leute ein Print-Magazin gründen?
Walker: Erstaunlich wenig. Es war mehr so, dass die Leute es extrem cool fanden, dass wir als Junge, die mit dem Internet aufgewachsen sind, nun Print machen.
Feurer: Einige haben schon gesagt, dass das schwierig zu finanzieren sei. Aber niemand fand, "spinnt Ihr eigentlich, macht lieber etwas im Netz".

Sie haben das Startkapital mit Crowdfunding auf wemakeit.ch gesammelt. Was sind Ihre Erfahrungen damit?
Feurer: Wir waren erstaunt, wie gut das funktioniert hat. Das war damals in der Schweiz noch ganz neu. Wir wollten 15'000 Franken, das ist viel Geld. Weil viele Leute involviert sind – etwa 50 pro Ausgabe –, wurde der Kreis schnell sehr gross. Wir haben auf eine sehr persönliche Art versucht, das Geld zu sammeln. Wir hatten ja nichts in der Hand, sondern nur eine Idee – die hat die Leute offenbar gepackt.

Wie finanzieren Sie sich jetzt? Machen Sie genug Umsatz, um das Heft von alleine zu tragen?
Feurer: Leider nicht. Mit dem Startkapital haben wir jetzt schon drei Ausgaben gemacht. Doch die Produktionskosten sind sehr hoch, das Heft ist 250 Seiten stark und hat schönes Papier. Diese Qualität war uns wichtig, sonst hätten wir kein Print-Magazin machen müssen. Doch die Finanzierung ist sehr schwierig. Die Branche steckt wirklich in einer schwierigen Lage. Den Anzeigenmarkt kann man sowieso vergessen. Wir haben bei allen Schweizer Media-Agenturen angefragt – alle fanden es super, aber niemand hat etwas gebucht. Es gibt einfach fast keine Auftraggeber mehr. Viele Magazine setzen auf Advertorials, aber das halten wir für eine gefährliche Entwicklung. Die Leute merken dabei gar nicht, dass das versteckte Werbung ist. Der Kioskverkauf ist auch schwierig:  Die Konditionen sind für uns so hart, da machen wir keinen Rappen. Wir haben auch Stiftungen angefragt, da gibt es in der Schweiz ja einige. Wir machen etwas, mit dem wir junge Talente fördern. Doch wir haben leider nichts bekommen, obwohl alle es super fanden, aber irgendwie passten wir nicht ins Reglement. Das hat uns schon enttäuscht. Wir bringen ja viele Leute zusammen und bewegen einiges.

Wie schlagen Sie sich denn durch?
Feurer: Wir kommen nur durch, weil wir so viele Leute haben, die einfach gratis mitarbeiten. Für jede Ausgabe haben wir 50 Autoren und Künstler gefunden – darunter grosse Namen wie Walter Pfeiffer, die mitmachen, weil sie uns toll finden. Wir können etwas machen, das mittlerweile doch einen Impact hat und speziell ist, ohne ein riesiges Budget zu haben.

Haben Sie konkrete Ideen, wie Sie weitermachen wollen?
Feurer: Ich denke, wir müssen über unsere Leser gehen. Am Launch-Event vom letzten Samstag sind 1500 Leute gekommen – es gibt wohl kein anderes Magazin, das so etwas hinkriegt. So hat schliesslich auch das Crowdfunding funktioniert.

Ist "Quottom" eher ein Medien- oder ein Kunstprodukt?
Walker: Es ist eine Mischung – obwohl es von Aussenstehenden eher als Kunstprodukt denn als klassisches Magazin wahrgenommen wird. Es ist Ausdruck von vielen verschiedenen Leuten, darum ist es wohl auch nicht so einfach zuzuordnen.
Feurer: Auch inhaltlich: Wir haben ganz verschiedene Themen. Es ist kein Fashion-Magazin, es ist kein Kunst-Magazin, und es sind auch nicht einfach Geschichten aus dem Alltag – es ist eine Mischung.
Walker: Es ist ein Abbild der Interessen aller Beteiligten, die zusammenkommen.

Wie kommen Sie auf die Themen und wie finden Sie die Künstler und Autoren?
Walker: Zuerst legen wir im Kernteam das Thema fest. Wir überlegen schon weit im Voraus, was wir machen könnten. Dann setzen wir uns zusammen und diskutieren unsere Ideen. Vieles erarbeitet sich in diesem Dialog. Erst wenn wir das Thema haben, suchen wir die Leute.
Feurer: Wir versuchen, den Flow des Magazins zu planen. Darum schreiben wir für künstlerische und fotografische Beiträge auch ein Briefing. Wir arbeiten eng zusammen mit den Leuten.
Walker: Es sind aber keine Auftragsarbeiten. Wir geben eher eine Art Moodboard vor. Manchmal sind wir dann überrascht, weil etwas völlig Unerwartetes reinkommt. Durch die Zusammenarbeit entsteht oft etwas ganz Neues und Erfrischendes. Diese grosse Freiheit ist für uns und für die Leute, die mitmachen, auch sehr wichtig. Gerade weil sie gratis arbeiten, soll es auch für sie etwas sein, dass sie gut finden, auf das sie stolz sein können.

Das Heft wirkt ja, als sei es aus einem Guss – ist das die Aufgabe des Kernteams?
Feurer: Genau. Wir beiden sind zusammen mit David Khalat aus Berlin Herausgeber. Die Redaktionsleitung machen Tanja Luchsinger und Rebecca Gisler. Das ganze Kernteam – inklusive Magazin, Events und Promotion - besteht aus 12 Leuten. Dann kommen pro Ausgabe 50 neue Leute hinzu, die Inhalt schaffen. Was wir machen, ist vor allem die Kommunikation, mit diesen Leuten in Kontakt zu bleiben. Und natürlich die Gestaltung des Hefts. Wir sind beide Grafiker, es ist uns ein Anliegen, dass es schön daherkommt. Man soll aber auch stundenlang darin lesen können.

Wer sind Ihre Leser? An wen richtet sich "Quottom"?
Walker: Wir haben keine Zielgruppe definiert. Am Anfang war es viel Zürich, eher jüngere Leute, die sich mit Kultur auseinandersetzen. Es gibt aber auch ältere Leute, die uns spannend finden und sagen, mit 20 habe ich ähnlich gedacht.
Feurer: Es ist auch ein Ausdruck unserer Generation.

Aber die Autoren und Künstler sind teils einiges älter.
Feurer: Nur wenige. Die meisten sind zwischen 20 und 25. Aber wir wollen uns nicht abkapseln, wir arbeiten gerne mit älteren Generationen.

Ist "Quottom" für Sie ein Hobby – oder wollen Sie damit ins Mediengeschäft einsteigen?
Feurer: Es ist ein Hobby, das ein Vollzeitjob ist. Vielleicht wird es das irgendwann für einen von uns, vielleicht auch nicht. Wir haben auch noch unsere Jobs als Grafiker, die wir gerne machen.
Walker: Hobby tönt manchmal so abschätzig – aber ja, grundsätzlich ist es schon ein Hobby.
Feurer: Es ist sicher kein Business, aber das ist auch nicht das Ziel. Ein Magazin ist im Moment wohl das Blödste, was man machen kann, wenn man Geld verdienen will.

Wie sind Sie eigentlich auf den Namen des Heftes gekommen, und was bedeutet er?
Walker: Er bedeutet nichts. Ich weiss gar nicht mehr, wie wir drauf gekommen sind. Ich habe früher immer erzählt, dass ich einen Pulli hatte, auf dem hinten „Quotto“ stand, und dann haben wir ein M angehängt. Aber als ich nachgeschaut habe, stand da gar nichts. Schlussendlich ist "Quottom" das, was entsteht. 


Quottom wurde 2012 von Tanja Luchsinger (im Bild Mitte), Nicolas Walker und Ruben Feurer gegründet. Mit einer Crowdfunding-Kampagne auf Wemakeit.ch nahmen sie 16'757 Franken ein und gaben Anfang 2013 die erste Ausgabe mit dem Thema "Angst und Sehnsucht" heraus. Im Herbst folgte Nummer 2 zu "Sexualität und Gewalt". Im März 2014 kam schliesslich Nummer 3 mit dem Thema "Chaos und Fortschritt".

Das Kernteam besteht aus Nicolas Walker (Editor-in-Chief, Art Director, Partner), Ruben Feurer (Managing Director, Art Director, Partner), David Khalat (Associate Editor, Partner), Yves Sinka (Marketing & Advertising), Tanja Luchsinger (Managing Editor), Rebecca Gisler (Managing Editor), Iluska Grass (Online Editor), Julia Skof (Online Editor), Fabian Keller (Consultant), Stella Feurer (Event Manager) und Jonathan Jäggi (Consulting Editor).

Interview: Lukas Meyer//Bilder: Quottom



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