28.10.2014

Rainer Maria Salzgeber

"Sport darf nicht zu einem 'Sauglattismus' werden"

20 Jahre im Leutschenbach: Rainer Maria Salzgeber feiert ein rundes Jubiläum bei SRF Sport. 1994 startete der damals 25-Jährige seine Karriere beim Schweizer Fernsehen und ist heute weder von den Studiosendungen noch den SRF-Gala-Events wegzudenken. Der gebürtige Walliser und begeisterte Modefreak galt in den letzten Jahren zusammen mit Gilbert Gress als "Traumduo" der Fussballberichterstattung. Damit ist seit Sommer aber Schluss: Denn Gress musste gehen. Wie geht es nun weiter Rainer Maria Salzgeber? Der Sportliebhaber im Gespräch über seine Zukunftspläne, seinen Einstieg als "Beizer" sowie seine bunten Hosen und Socken.
Rainer Maria Salzgeber: "Sport darf nicht zu einem 'Sauglattismus' werden"

Herr Salzgeber, Sie sind seit 20 Jahren als Moderator und Berichterstatter bei SRF Sport. Wie verlief damals Ihr Einstieg beim Schweizer Fernsehen?
Das hab ich nicht mehr so präsent, denn damals war alles noch ganz anders organsiert. Es gab noch keine tägliche Sportsendung und die Sportredaktion bestand damals gerade mal aus 15 bis 20 Leuten. Jeweils am Montag hat man sich zur Redaktionssitzung getroffen, den Rest der Woche verlor man sich dann aus den Augen. In einem der ersten Einsätze lief ich mit Beni Thurnheer mit. Ich begann im November, erst im Januar oder Februar durfte ich jedoch zum ersten Mal eine Nachricht verkünden. Danach ging es "peu a peu" weiter. Mein Tutor war Peter Minder.

1997: Salzgebers erster Auftritt bei SRF Sport

Beni Thurnheer plant langsam seinen Rücktritt. Sie könnten ja in seine Fussstapfen als Moderator des "Sportpanoramas" treten?
Man muss immer die Bedürfnisse der Redaktion zusammen mit der eigenen Planung betrachten. Ich bin happy mit dem Weg, welchen ich bestritten habe. Mein Glück hängt nicht davon ab, ob ich jemals "Sportpanorama" moderieren werde. Ich habe mich mit dieser Frage auch gar noch nie auseinandergesetzt. Mein Job macht mir, unabhängig vom Gefäss und der Anzahl Zuschauer, Spass.

Zusammen mit Gilbert Gress galten Sie über Jahre als "Traumduo" bei SRF Sport. Seit dieser Saison ist aber für Gilbert Gress Schluss. Hätten Sie gerne noch länger mit ihm zusammengearbeitet?
Wir telefonieren regelmässig und gehen immer wieder zusammen essen. Aber du kannst nur neues anpacken, wenn du woanders loslässt. Ganz egoistisch gesagt, bin ich froh, dass unsere erfolgreiche Zusammenarbeit zu einem Zeitpunkt beendet wurde, wo alle noch sagen: "Wow". Auch hier läuft es nicht so, dass ich wählen kann, mit wem ich zusammenarbeiten will. Es ist eine Entscheidung der gesamten Abteilung Sport, welche ich mittrage und zu 100 Prozent umsetze. Ich hatte über zehn Jahre eine sehr schöne und interessante Zeit mit Gilbert Gress und bin froh, was wir alles zusammen erreicht haben. Dieses Gefühl überwiegt.

Sind Sie nun endlich per "Du"?
(Lacht) Das wird sich nie ändern. Er ist und bleibt für mich "Herr Gress". Das geht einfach nicht anders.

2002: Der aufstrebende Moderator in jungen Jahren

Zusammen mit "Herr Gress" haben Sie die Leute nicht nur informiert, sondern auch unterhalten. Was macht für Sie guten Sportjournalismus aus?
Unterhaltung gehört zu einem grossen Punkt dazu. Aber die Kompetenz ist schlussendlich immer noch entscheidend. Wenn die Herren Gress und Salzgeber nicht auch noch kompetent in Sachen Fussball gewesen wären, hätte man unseren Stil nicht akzeptiert. Wenn man nur auf Unterhaltung setzt, könnte man einen Clown als Moderator anstellen. Es geht darum, dass man den Sport lust- und humorvoll präsentiert.

Das Ziel ist also optimales Infotainment?
Sport geht immer mehr in diese Richtung. Für mich wäre es schlimm gewesen, wenn wir mehr über die unehelichen Kinder von Hakan Yakin gesprochen hätten, als über seine Freistösse. Sport darf nicht zu einem "Sauglattismus" werden und auf Kosten der Inhalte abfallen. Zu Beginn, bis ich das richtig justiert habe, schoss ich mit Herrn Gress sicherlich das eine oder andere Mal übers Ziel hinaus. Wenn man lustig sein möchte, ist die Gefahr gross, dass man sich gegenseitig mit Humor versucht zu übertrumpfen. Ich habe gelernt, ab und zu Dinge so stehen zu lassen und nicht weiter darauf herumzureiten. Dieser Prozess brauchte seine Zeit. Trotzdem will ich, dass gelacht und eine animierte Diskussion geführt wird. Einen Stammtisch auf hohem Niveau. Genau das strebe ich an. Das grösste Kompliment für mich ist, wenn jemand sagt: "Diese Frage hätte ich auch gestellt".

Die Sendung "Viva Brasil" im Rahmen der WM-Berichterstattung im vergangenen Sommer mit Marc Sway war aber schon ein bisschen viel "Tralala" und Musik?
Das kann ich so nicht stehen lassen. Unsere Rückmeldungen fielen komplett anders aus. Die "Hardcore"-Fussballfans fanden in "Viva Brasil" sicherlich etwas zu viel "Tralala", aber diese Leute holst du mit dem Match und den Analysen um die Partie herum ab. Bei solch einem Turnier musst du versuchen, auch noch andere, oftmals weibliche Zuschauer, anzusprechen.

Ist es für Sie ein Ziel oder Traum eines Tages nur noch auf Unterhaltungsformate zu setzen?
Wenn Sie mir diese Frage vor zehn Jahren gestellt hätten, hätte ich sie mit einem bedingungslosen Ja beantwortet, oder mit einem Ja, unter der Bedingung, dass ich weiterhin auch Sport machen könnte. Heute ist mir das völlig egal. Ich bin derart zufrieden mit meinen Sportsendungen, dass ich es mir sehr gründlich überlegen müsste, falls eines Tages eine Anfrage käme. Heute haben wir auch im Sport Sendungen ("Viva Brasil", "Credit Suisse Sports Awards"), bei welchen ich mich in diesen Materien bewegen kann.

2012: Im SRF-Studio anlässlich der EM in Polen und der Ukraine

Sie treten im Studio oft modisch sehr elegant auf. Ihr Markenzeichen sind farbige Hosen und ausgefallene Socken.
(Salzgeber krempelt seine orangefarbenen Jeans hoch und zeigt seine bunt gestreiften Socken) Das ist der Beweis, dass ich nicht nur vor laufender Kamera so angezogen bin (lacht).

Ist es Ihnen wichtig, aufzufallen?
Mode ist mir wichtig. Auffallen ist dabei nicht mein Ziel. Ich trug schon früher im Wallis immer grüne Hosen. Im Fernsehen brauchte ich eine gewisse Zeit, bis ich dies auch umsetzen konnte. Bei meiner ersten Sendung konnte ich ja nicht mit rosaroten Hosen und einem grünen Hemd daherkommen. Das hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Ich mache dies nicht um zu provozieren, sondern aus meinem modischen Verständnis.

Reagieren Ihre SRF-Kollegen heutzutage komisch, wenn Sie mit klassischen schwarzen Hosen daherkommen?
Ja. Aber das ist auch privat so.

Seit der neuen Saison haben Sie von Matthias Hüppi die Berichterstattung rund um die Fussball-Nationalmannschaft übernommen und begleiten diese zusammen mit Ihrem Kantonsgenossen Raphael Wicky. Inwiefern durften Sie Ihren Kollegen selber auswählen?
Überhaupt nicht. Es gibt in der Schweiz nur ganz wenige kompetente Experten. Wicky hat die Begabung, komplexe Zusammenhänge aus dem Fussball auf einfache Art und Weise zu erklären, was beim Publikum gut ankommt. Dass er zudem noch sehr gut aussieht, ist bestimmt auch kein Nachteil. Zusammen mit Alain Sutter gibt das eine neue Dynamik. Bei Gilbert Gress wusste ich jeweils, dass einmal pro Abend das Thema Strassburg aufkommen würde. Das ist nun wieder anders und auch eine neue Herausforderung für mich als Moderator.

2008: Zusammen mit den SRF-Kommentatoren vor der EM im eigenen Land

Die SRF-Fussballkommentatoren werden in der Öffentlichkeit oftmals kritisiert. Weshalb hört man Sie nicht als Kommentator?
Ich habe zu Beginn ebenfalls kommentiert (Fussball-WM 1998), musste mich dann aber zusammen mit meinen Vorgesetzten in eine Richtung entscheiden. Der Live-Kommentator ist für mich jedoch immer noch die Königsdisziplin. Das ist der ursprüngliche Traum von jedem, der in diesen Job eintritt. Meine Kollegen und ich haben alle kein Problem mit negativen Rückmeldungen, solange sie sich auf einem anständigen Niveau befinden. Im Nachhinein betrachtet, bin ich froh, dass sich mein Weg so entwickelte und verschwende keine Sekunde nur einen Gedanken daran, was geworden wäre, wenn ich eher in Richtung Kommentator gegangen wäre.

1998: Die einzige WM als Kommentator

In den letzten 20 Jahren hat sich sicherlich die eine oder andere Anekdote angesammelt. Können Sie uns von einer speziellen berichten? Was war Ihr Highlight in all den Sport-Jahren?
Das wurde ich oft gefragt, kann mich jedoch nicht auf eine einzelne begrenzen. Es ist immer ein Highlight, wenn man eine EM oder WM begleiten darf. Aber die eigentlichen Highlights sind für mich die Menschen, die ich durch meinen Job kennenlernen durfte. Das Privileg, dass ich Lionel Messi oder Pélé treffen durfte, finde ich toll. Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen und das ist grossartig.

Spielen Sie noch aktiv Fussball?
Nein, ich bin aber Junioren-Trainer des FC Bassersdorf.

2008: Spielte mit jungen Jahren zwei Saisons als Torwart beim FC Brig

Sie sind als Moderator auch ausserhalb des SRF anzutreffen. Wie sieht dabei Ihr Pensum aus?
Bei SRF bin ich zu 80 Prozent angestellt. Ich bin verpflichtet meinen Vorgesetzen zu berichten, was ich daneben noch mache und brauche eine entsprechende Bewilligung. Wichtig für sie ist, dass ich eine gewisse Wertigkeit aufrecht erhalte. Ich liebe den direkten Publikumskontakt. Es freut mich auch immer wieder, wenn ich für Sachen angefragt werde, die nicht in meiner Kernkompetenz Sport liegen.

Werden Sie in Zukunft ihre Augen vermehrt auf Moderatorenjobs ausserhalb des SRFs richten?
Nein. Ich habe überhaupt kein Interesse, an der momentanen Situation etwas zu verändern.

2011: Bei den "Credit Suisse Sports Awards"

2013: Zusammen mit Steffi Buchli anlässlich der "Credit Suisse Sports Awards"

Seit Juni sind Sie auch "Beizer" und sind an der "Baracca" in Kloten beteiligt. Haben Sie überhaupt Zeit für die Gastronomie?
Es war seit je her mein Traum, in der Gastro-Branche tätig zu sein. Die Gelegenheit war günstig und hängt mit meiner Walliser Herkunft zusammen. Operativ bin ich nicht tätig. Ich gehe auch nicht Kochen oder Servieren (lacht). Es macht mir einfach Spass. Was daraus in 10 oder 15 Jahren wird, weiss ich nicht. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo ich dem Fernsehmachen den Rücken kehren werde.

Wollen Sie damit auch den Heimweh-Gefühlen etwas entgegenbringen?
Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn ich in die "Baracca" gehe und weiss, dass ein Teil davon mir gehört - eine andere Verantwortung als im Fernsehen. Hier habe ich Verantwortung gegenüber dem Publikum und den Leuten, die im Hintergrund arbeiten. Die Gastronomie bereitet mir einfach zusätzliche Freude.

2008 erhielten Sie den Fernsehpreis in der Kategorie "Star National" und wurden zum "Sportjournalisten des Jahres" gekürt. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?
Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass sie mir nichts bedeuten. Andererseits kann ich mir heute mit diesen Preisen nichts mehr kaufen. Dennoch bin ich stolz darauf. Matthias Gnädinger sagte einmal: "Auszeichnungen sind wie Hämorrhoiden. Mit dem Alter bekommt sie jeder einmal." Ich habe den Preis auch erhalten, da ich 2008 mit der Europameisterschaft die entsprechende Plattform erhalten habe. Und ich bin ehrlich: Die Skulptur, die ich damals erhalten habe, ist derart schön, dass sie in meinem Büro einen Ehrenplatz erhalten hat.

20 Jahre hinter und noch 20 Jahre vor sich. Gewähren Sie uns noch einen Blick in die Zukunft. Wie sieht diese bei Rainer Maria Salzgeber aus?
Ich habe das Glück, dass ich mich privat oft mit Rolf Knie treffe und beruflich mit Beni Thurnheer zu tun habe. Beide sind ca. 20 Jahre älter und haben noch solch eine Power, dass ich sie als Vorbilder ansehe. Was ich dann genau machen werde, ist nicht so entscheidend. Dass ich weitere 20 Jahre Fernsehen machen werde, denke ich nicht. Man weiss aber nie, wohin es einen führt. Ich suche bestimmt keine zwanghafte Veränderung. Viele Leute verstehen nicht, dass ich es auch heute noch spannend finde, wenn ich mir Aarau gegen St. Gallen anschaue. Ich weiss ja nie, wie die Partie ausgeht. Das wichtigste Gut des Sports ist für mich, dass man nie weiss, was passiert. Die Herausforderung für mich ist, und bleibt, die sich immer verändernde Materie Sport.

Interview: Marco Lüthi, Bilder: zVg. 



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