10.12.2013

Ralph Büchi

Ganz oben angekommen

Der Schweizer Verleger Ralph Büchi hat mehrere Koffer in Berlin: Seit Januar 2012 ist der 56-Jährige im Vorstand des Axel Springer Verlages. Seine Bühne ist Europa, aber auch Zürich, wo er immer noch das Schweizer Geschäft des deutschen Verlagshauses leitet. "persönlich" hat ihn in der deutschen Hauptstadt besucht und sich mit ihm über die neusten WEMF-Zahlen und den Medienmarkt der Zukunft unterhalten.
Ralph Büchi: Ganz oben angekommen

Herr Büchi, vor zehn Jahren beeinflussten mit Roger Schawinski und Roger Köppel gleich zwei Schweizer das deutsche Mediengeschäft. Mittlerweile sind Sie der Einzige. Fühlt man sich da nicht manchmal ein bisschen einsam in Berlin? 
(Lacht.) Ich glaube, der Schweizer Botschafter ist auch noch hier. Die Anzahl von Schweizern in deutschen Chefpositionen ist nicht von Gesetzmässigkeiten abhängig. Ich wurde jedenfalls in Berlin freundlich empfangen und fühle mich keineswegs einsam. Meine Aufgabe ist schon deswegen interessant, weil man hier einen ganz anderen, erweiterten Fokus hat als in Zürich.

Umgekehrt gefragt: Stört es Sie nicht, dass man in der Schweiz viel zu wenig realisiert, welche "Nummer" Sie in Deutschland spielen? 
Nein, das raubt mir wirklich nicht den Schlaf. In der Schweiz neigt man vielleicht etwas zur Nabelschau.

Inwiefern? 
Abgesehen von Ringier hat kaum ein Schweizer Verlag den Sprung ins Ausland geschafft. Man beschränkt sich – aus welchen Gründen auch immer – gerne auf das heimatliche Marktumfeld.

Für wie viele Länder sind Sie zuständig? 
Weltweit sind wir in zwanzig Ländern direkt aktiv. Die Aktivitäten konzentrieren sich in Mittel- und Osteuropa auf Russland und Ungarn sowie – mit dem Joint Venture Ringier Axel Springer Media – auf Polen, Serbien, die Slowakei und die Tschechische Republik. In Westeuropa sind wir in der Schweiz, in Grossbritannien, Irland, den Benelux-Staaten, in Frankreich und in Spanien präsent. Viele Medienangebote von Axel Springer erscheinen in Form von Lizenzausgaben zudem in über zwanzig weiteren Ländern. Perspektivisch sind für uns auch die Märkte USA, Indien und Brasilien von Interesse. Hier sehen wir Entwicklungsmöglichkeiten.

Interessiert Sie das Schweizer Geschäft, für 
das Sie auch noch zuständig sind, überhaupt
 noch?
 
Selbstverständlich. Unsere volumenmässig wichtigsten westeuropäischen Märkte sind Grossbritannien und Frankreich, wo wir führende Digitalunternehmen besitzen. Als Schweizer freue ich mich aber besonders, dass ich beim Auf- und Ausbau von Axel Springer Schweiz massgeblich mitwirken durfte und das Geschäft weiter aktiv mitgestalten kann.

Momentan erleben Sie in der Schweiz stürmische Zeiten. Ihr Vorzeigetitel "Bilanz" hat nach der neusten WEMF-Befragung massiv an Lesern verloren. Worauf führen Sie dies zurück? 
Sprechen wir nun über die Qualität der "Bilanz" oder über diejenige der WEMF-Studie?
 Ich hege offen gesagt einige Zweifel an der 
Plausibilität dieser jüngsten Erhebung. Für
 uns stellen diese Zahlen keinen verlässlichen Richtwert für Erfolg oder Misserfolg dar. Entscheidend ist für uns die Anzahl der Abonnenten, der Kioskverkäufe und der Werbekunden. Und die konnten bei der "Bilanz" auf hohem Niveau gehalten werden. Die "Bilanz" als führendes Wirtschaftsmagazin wird in den Chefetagen nach wie vor überaus geschätzt.

Reden Sie sich den ganzen Einbruch nicht ein bisschen schön? 
Alle Wirtschaftstitel haben nach der Finanzkrise an Lesern verloren. Trotz dieser Rückschläge bleiben unsere beiden Wirtschaftstitel "Bilanz" und "Handelszeitung" auch in dieser schwierigen Zeit profitabel. Unsere Titel erzielen sowohl im Leser- wie auch im Werbemarkt wieder steigende Erträge.

Axel Springer Schweiz fokussiert vor allem auf den Printmarkt. Gleichzeitig machte 
Ihr Mutterhaus in diesem Frühjahr durch den Verkauf verschiedener Traditionsblätter wie der "Berliner Morgenpost" oder des "Hamburger Abendblatts" von sich reden. Besteht da nicht ein gewaltiger Widerspruch in der Strategie?  
Axel Springer bleibt auch nach dieser Transaktion ein eindeutig journalistisch geprägtes Haus auf dem Kurs zum führenden digitalen Verlag. Dies gilt für Deutschland und genauso international. Und unsere Strategie der digitalen Transformation, die auf die Bereiche Inhalte, Vermarktung und Rubriken setzt, gilt nach wie vor. Trotzdem sollte man dabei jeden geografischen Markt differenziert betrachten. Ich kann verstehen, dass sich unsere Mitarbeiter dazu Gedanken machen.

Sie sehen also den Widerspruch ... 
Nur auf den ersten Blick, denn beide Märkte und unsere jeweiligen Positionen im Wettbewerb muss man differenziert betrachten. Zuerst möchte ich die Frage beantworten, warum Axel Springer in Deutschland seine Regionalzeitungen und die Frauen- und TV- Zeitschriften in andere Hände gelegt hat. Die Antwort lautet: Wir haben in Deutschland aufgrund unserer Position im Wettbewerb keine Möglichkeit gesehen, in diesen Segmenten die Marktführerschaft zu übernehmen. Die Funke-Mediengruppe hingegen, welche die Zeitungen und Zeitschriften erwirbt, kann dank diesem Zukauf in Zukunft eine führende Position einnehmen. In der Schweiz präsentiert sich die Situation umgekehrt: Im Bereich der TV-Zeitschriften decken wir beinahe hundert Prozent des Marktes ab, bei den Wirtschaftspublikationen liegen wir auch bei weit über fünfzig Prozent Marktanteil, und bei den Publikumszeitschriften sind wir dank dem "Beobachter" ebenfalls Marktführer. Deswegen ist die Ausgangslage in der Schweiz eine völlig andere als in Deutschland.

Nun gibt es Gerüchte, wonach Sie Ihr Schweizer Geschäft verkaufen wollen? 
Wir führen keine Verkaufsgespräche. Die ganze Medienindustrie befindet sich aber in einem grundlegenden Wandel, der wohl nur mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar ist. Produkte, Markt und Wettbewerb entwickeln sich dynamischer als je zuvor. Vor diesem Hintergrund werden wir strategische Optionen auch immer wieder prüfen.

Wo steht der Schweizer Medienmarkt in zehn Jahren?  
Auffallend ist, dass einige Schweizer Verleger in den vergangenen Jahren stark in regionale Tageszeitungen investiert haben. In diesem Segment beispielsweise könnte es in den nächsten Jahren zu Konsolidierungen kommen. Aufgrund der begrenzten Märkte und der Umschichtungen im Werbemarkt wird man das jetzige Angebot aus meiner Sicht kaum halten können. Dass kaum jemand den Schritt ins Ausland gewagt hat, könnte sich nachträglich als limitierender Faktor erweisen. Die grossen Schweizer Verlagshäuser lassen aber mittlerweile erkennen, dass sie sich digital offensiver aufstellen wollen, um erfolgreich am Markt zu bestehen. Deswegen wurden für Internetportale wie jobs.ch auch sehr hohe Preise bezahlt. Als international tätiges Unternehmen hatten wir hingegen die Möglichkeit, in anderen Ländern Nummer-eins-Portale zu moderateren Bewertungen zu erwerben.

2002 wäre es angeblich beinahe zu einer Fusion zwischen Ringier und Axel Springer gekommen. Ist dies heute noch ein Thema?
(Lacht.) Wir haben mittlerweile unsere Kinder verheiratet. Im Ernst: In Osteuropa funktioniert unsere Partnerschaft mit Ringier ausgezeichnet. Michael Ringier hat mehrfach betont, dass Ringier nicht zum Verkauf steht. Somit erübrigt sich diese Frage. 

Wie muss man sich Ihr Leben in Berlin vorstellen? 
Viel Arbeit! Am Wochenende versuche ich jeweils, bei meiner Familie in Zürich zu sein. Die erste Hälfte der Woche verbringe ich meist in Berlin, die zweite Wochenhälfte bin ich oft auf Reisen. Ich wohne mitten in der Stadt, was mir erlaubt, zu Fuss in mein Büro zu gehen. Und wenn es meine Verpflichtun- gen zulassen, besuche ich jeweils zu nächtlicher Stunde noch ein Fitness-Studio. 

Interview: Matthias Ackeret, Bilder: Axel Springer Verlag, Keystone

Den vollständigen Text finden Sie in der aktuellen persönlich-Printausgabe.



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