04.01.2011

"Seit ich in der Öffentlichkeit für mein Recht kämpfe, geht es mir besser!"

Die erfolgreiche Wirtschaftsanwältin und vierfache, alleinerziehende Mutter Caroline Bono erleidet einen Auffahrunfall. Danach gleicht ihr Leben einem Scherbenhaufen: Arbeitsunfähig wegen der Schmerzen verliert sie den Job, das Geld wird knapp. Bis heute kämpft die 47-jährige vor Gericht um Versicherungsleistungen - vergeblich. In der Verzweiflung macht Caroline Bono ihre Geschichte öffentlich. Was die Medienkampagne auslöst, erzählt sie auf persoenlich.com. Zum Interview:
"Seit ich in der Öffentlichkeit für mein Recht kämpfe, geht es mir besser!"

Caroline Bono, vor einigen Monaten berichtete der "Tages-Anzeiger" in einer dreiteiligen Serie über Ihren Unfall und seine Folgen. Wie waren die Reaktionen darauf?

Nur positiv. Ich wurde überrollt von einer Sympathiewelle. Am ersten Tag der Serie bekam ich rund 300 E-Mails. Leute mit einem ähnlichen Schicksal oder ihre Angehörigen gratulierten mir zu meinem Mut und teilten mir ihre Geschichten mit. Am eindrücklichsten war, dass die Mehrheit trotz Unfallfolgen keine Versicherungsleistungen hat.

Bis heute kämpfen Sie vor Gericht gegen die Zürich-Versicherung um Geld. Sie sagen, der einzige Grund für das Verlieren der Prozesse sei ein biomechanisches Gutachten, welches aufgrund falscher Unfallbilder durch die Zürich erstellt worden sei. Ein Problem, das auch andere Schleudertrauma-Patienten erwähnen?

Das schrieben sie mir in ihren Mails. Sie denken, dass auch bei ihnen aus versicherungstechnischen Gründen bei der Schadensermittlung, den Arztgutachten und den biomechanischen Berechnungen manipuliert wurde. Ich habe sie ermutigt, ihre Geschichten öffentlich zu machen. Die Mehrheit getraut sich nicht. Sie haben Angst vor Nachteilen in den laufenden Gerichtsverfahren.

Welches war die schönste Reaktion?

Jemand, der die Geschichte gelesen hat, hat mir einen Scheck geschickt und geholfen, eine Stiftung zum Schutze von Unfallopfern zu gründen.

Privat gab es keine negativen Reaktionen. Dafür in den Medien. Zum Beispiel von Markus Schär im "Schweizer Journalist". Er wirft den Medien vor, dass sie sich von Leuten wie Ihnen instrumentalisieren liessen und glaubt Ihnen nicht. Wie reagieren Sie darauf?

Überhaupt nicht. Seine Haltung ist nicht neu. Bisher wurden die Medien instrumentalisiert, um schwer beeinträchtigte Schleudertraumaopfer zu diffamieren. Haftpflichtversicherungen haben dadurch Milliarden von Kosten auf die IV geschoben. Die IV führt aber die Regressprozesse nicht.

Diese Journalisten handeln aufgrund falscher Informationen. Sie berufen sich auf Studien über Schleudertrauma-Patienten, die von Versicherungsseite stammen und schlicht und einfach nicht stimmen, d.h. dem Stand der weltweiten medizinischen Forschung widersprechen. HWS Verletzte haben nicht psychische Probleme, auch nicht psychosomatische, sondern körperliche. Ich und die anderen Schleudertrauma-Patienten simulieren in der Regel nicht. In der Obduktion haben 98% einen Verletzungsnachweis, der die zu Lebzeiten geklagten Beschwerden nachweist. Bei mir sieht man das ganz eindeutig auf den Röntgenbildern und alle Ärzte bestätigen das auch.

Das bestreitet die Zürich-Versicherung ja auch nicht. Sie sagt bloss, dass Ihre Schmerzen nicht vom Unfall herrühren, sondern von einer Überbelastung. Sie seien zur Zeit des Unfalls als alleinerziehende Mutter und Gechäftsfrau überfordert gewesen. Das Bundesgericht sieht das auch so.

Dann hätte just am Unfalltag meine Halswirbelsäule und mein Kopf strukturelle Schäden durch eine nicht vorhandene psychische Überlastung bekommen. Diese strukturellen Schäden waren gar nicht Gegenstand des Prozesses vor Bundesgericht, weil sie der Assistenzarzt im Notfall übersehen hat. Aber ich kämpfe weiter für mein Recht - und wenn ich dafür bis an den Menschenrechtshof nach Strassburg muss. Zwei Revisionsverfahren, dieses Mal mit dem gesamten Verletzungsbild, sind noch hängig.

Der Artikel wurde auch online beim Tages-Anzeiger.ch/Newsnetz veröffentlicht. Dort gab es kritische Kommentare.

Ja. Es gab einige Leser, die nicht verstanden, dass ausgerechnet eine Juristin am Unfallort nicht die Polizei einschaltet. Das kann ich absolut verstehen. Aber ich war für ein paar Minuten bewusstlos und mein Hirn wurde geschädigt. Danach wäre niemand fähig, logisch zu denken und richtig zu handeln. Das wäre Sache der Unfallverursacherin gewesen.

Ihren Kampf kann man seit letztem Frühling ausführlich im Buch "Allein gegen Goliath" nachlesen. Wie lässt es sich verkaufen?

Bis jetzt gut. Von den 6'000 gedruckten Exemplaren ist die Hälfte weg. Darin ist das Weihnachtsgeschäft noch nicht berücksichtigt…

Was sagt Ihre Familie dazu, dass jeder über Ihr Schicksal mitreden kann?

Sie stehen zu mir und unterstützen mich. Meine Kinder haben sich kürzlich dafür eingesetzt, dass mein Buch im Laden schön prominent aufgestellt wird. Das ist sehr herzig. Auch meine Eltern versuchen mir zu helfen, wo es nur geht.

Kippt der Mitleidbonus nicht irgendwann in Neid um, weil sie nun "prominent" sind?

Auf was soll man neidisch sein? Kein Mensch würde mit mir tauschen, wenn er mit meinen Einschränkungen leben müsste. Ich habe alles verloren. Man kann mir nichts mehr wegnehmen. Daher denke ich nicht, dass die Stimmung der Leute mir und meiner Familie gegenüber kippen könnte. Übrigens: Noch heute bekomme ich täglich rund zehn Mails von Unfallopfern, die keine Leistungen haben und mit Selbstmordgedanken konfrontiert sind. Das ist ein Thema, das leider nie aufhört, eines zu sein…

Vor dem Unfall waren Sie eine geachtete Geschäftsfrau. Heute tragen Sie in der Öffentlichkeit den Stempel "Opfer". Stört Sie das nicht?

Das ist eine Frage der inneren Einstellung. Lange fühlte ich mich tatsächlich als Opfer. Ich konnte meinen Beruf als Anwältin nicht mehr ausüben, musste zwei meiner vier Kinder vorübergehend abgeben und mein Körper war ein schmerzgeplagtes Wrack. Seit ich in der Öffentlichkeit gegen die Zürich-Versicherung kämpfe, weil sie bis heute nicht zahlt, fühle ich mich besser. Ich bin meinem Schicksal nicht mehr tatenlos ausgeliefert, sondern kann etwas dagegen tun. Das motiviert mich und gibt mir eine innere Kraft. Heute bin ich eine Unfall-Geschädigte, aber kein Unfall-Opfer mehr.

Dank der Auftritte in verschiedenen Medien konnten Sie letztes Jahr die Stiftung "Schutz ohne Grenzen - Hilfe für Unfallopfer" aufbauen. Wie hat sie sich entwickelt?

Wir wollen Menschen ohne Rechtsschutz langfristig helfen. Das können wir tun, indem wir ihnen den Prozess ermöglichen, Therapien finanzieren und Gutachten anfertigen lassen. Die Nachfrage ist riesig. Bis heute fehlt aber das Geld. Wir machen nun ein Fundraising. Einerseits bitten wir Bekannte um Unterstützung, andererseits schreiben wir schlafende Stiftungen an, die einen ähnlichen Zweck wie wir haben.

Geht es Ihnen heute gesundheitlich besser als vor der Medienkampagne?

Nein. Meine Heilungsphase ist abgeschlossen. Sobald ich mich körperlich oder geistig anstrenge, sind die Schmerzen zurück. Ich bekomme migräneartiges Kopfweh, Nacken- und Schulterschmerzen und meine Hirnleistung ist sehr eingeschränkt. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.

Aber Sie haben trotzdem wieder Arbeit?

Weil ich über ein Jahr vollständig arbeitsunfähig war, wurde mir der Job in einer renommierten Anwaltskanzlei gekündigt. Auch meine Dozententätigkeit habe ich verloren. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbstständig zu machen. Dieses Projekt muss ich jedoch als gescheitert erklären. Aufgrund der geringen Arbeitsfähigkeit konnte ich im Schnitt nur die Kosten der Kanzlei decken, ohne Einkommen zu erzielen. Ohne fremde Hilfe könnte meine Familie nicht überleben.

Welchen Wunsch wollen Sie sich im Neuen Jahr erfüllen?

Ich wünsche mir die Kontaktnahme durch eine grosse Haftpflichtversicherung, welche entscheidet, auch die Halswirbelsäulen- und am Kopf verletzten Unfallopfer fair zu behandeln. Ich wäre bereit, aufzuzeigen, wo was schief läuft. Der Zulauf für diese Versicherung müsste enorm sein.

Interview: Christine Schnyder

Caroline Bono liest aus ihrem Buch: Allein gegen Goliath



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