01.07.2015

Serbien

Der Staat verkauft einen Teil seiner Staatsmedien

Unter anderen wir die Nachrichtenagentur Tanjug privatisiert.

Nach langem Drängen der EU privatisiert Serbien nun 38 Staatsmedien, darunter die Nachrichtenagentur Tanjug. Es ist aber fraglich, ob dadurch Regierung und Behörden die Zeitungen, Radio- und TV-Stationen wirklich aus der Hand geben werden. Die altehrwürdige frühere jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug, einst das mächtigste Medium in Südosteuropa, wird privatisiert. Die im Zweiten Weltkrieg gegründete Agentur ist für den Spottpreis von 761 000 Euro zu haben, berichteten die Zeitungen am Mittwoch in Belgrad unter Berufung auf eine entsprechende Ausschreibung des Staates.

Zum Teil sehr günstig

Sollte sich kein Käufer finden, wird den Mitarbeitern das Kapital angeboten. Wenn auch die kein Interesse zeigen, wird das Unternehmen geschlossen. Wie Tanjug ergeht es 37 weiteren Medien im Besitz von Staat und Stadtverwaltungen. Darunter sind wahre Schnäppchen: Nur 2800 Euro muss ausgeben, wer das Radio der Stadt Medvedja im Süden kaufen will. Ähnlich günstig wird mit 3400 Euro der Radiosender in der Kreisstadt Valjevo angeboten. Knapp 600'000 Euro kostet der Regionalsender in der Grossstadt Sabac. Der TV-Sender in der zweitgrössten Stadt Nis ist für 75'000 Euro zu haben.
 
Brüssel dürfte mit seinem Beitrittskandidaten Serbien zufrieden sein. Doch die Privatisierung ändert nur wenig daran, dass der Staat weiter der dominante Player in der Medienszene bleibt.
 
Staatsmedien verschwinden nicht
 
Die grossen nationalen Medien sind weiter im Staatsbesitz: Das Fernsehen RTS ebenso wie die meinungsbildende Zeitung "Politika" und das grösste Blatt "Novosti". Einige Boulevardzeitungen wie "Informer" erscheinen tagtäglich als eine Art Kampfblatt für die Sache der Regierung - mit bösen Angriffen unter der Gürtellinie auf alle ihre Kritiker.
 
Und selbst bei den jetzt zum Verkauf freigegebenen Medien ist nicht sicher, ob sie damit wirklich dem Staatseinfluss entzogen werden. "Aus eigener Erfahrung würde ich niemals Geld in serbische Medien investieren", sagt der frühere "Politika"-Direktor Hadzi Dragan Antic.
 
"Das sind alles kontrollierte Medien und das werden sie auch nach der Privatisierung bleiben", meint er. Staat und Behörden können die Medien im Land vor allem durch ihre Anzeigen beeinflussen, die in der tiefen Medienkrise für 
viele Printmedien überlebenswichtig sind. (sda/dpa)


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