28.09.2014

SonntagsZeitung

Schlankheitskur nach Tamedia-Rezept

Sie wird schlanker und ranker: die Redaktion der "SonntagsZeitung". Mindestens zwölf Redaktoren haben das Blatt seit dem Chefredaktorenwechsel im Dezember 2013 verlassen. Warum kehren langjährige Mitarbeiter der SoZ plötzlich den Rücken? "Schlechtes Arbeitsklima", "unklare Vorgaben" und "Salamitaktik", sagen Ehemalige. Chefredaktor Arthur Rutishauser sieht das anders. Er hat bereits beim Amtsantritt erwartet, dass so viele gehen werden.
SonntagsZeitung: Schlankheitskur nach Tamedia-Rezept

Dass die "SonntagsZeitung" (SoZ) abbauen muss, ist kein Geheimnis. 4,5 Millionen Franken bei Redaktion und Verlag seien einzusparen, sagte der frühere Chefredaktor Martin Spieler bei seinem Abgang (persoenlich.com berichtete). Welcher Diätplan wurde angewendet?  Jetzt, neun Monate nach dem Chefredaktorenwechsel, zeichnet sich das Rezept langsam ab: Man baut Druck auf und hofft, dass möglichst viele freiwillig gehen, um Entlassungen zu vermeiden.

Zwölf Abgänge in einem Jahr
Nach dem Start vom neuen Chefredaktor Arthur Rutishauser im Dezember 2013 verliessen bereits im Januar Matthias Halbeis und Joël Widmer die SoZ. Sie übernahmen gemeinsam die Leitung des Politik-Ressorts beim "Blick". Dann folgte ein eigentlicher Exodus. Wie persoenlich.com weiss und Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer bestätigt, sind folgende Redaktoren nicht mehr bei der SoZ: Alice Chalupny (Fenaco), Gabi Schwegler (Autorenpool Ringier), Balz Spörri (Schweizer Familie), Petra Wessalowski, Martina Bortolani (selbstständig), Martina Wacker, Karin Oehmigen (LandLiebe), Benno Tuchschmid, Claudia Gnehm (SRF, Eco). Zudem schreiben auch Katja Richard und Silvia Aeschbach nicht mehr für die SoZ, sondern für die Beilage "Encore!", resp. einen Blog auf tagesanzeiger.ch.

Kritik an der Chefredaktion
Warum kündigen in kurzer Zeit so viele? "Kein Wille, sich für die Mitarbeiter zu interessieren, geschweige das Beste aus ihnen herauszuholen", "schlechtes Arbeitsklima" und "unklare Vorgaben" – in mehreren Gesprächen mit ehemaligen SoZ-Redaktoren fallen diese Begründungen. Die vier Mitglieder der erweiterten Chefredaktion – Arthur Rutishauser und das Tandem Andrea Bleicher/Andreas Kunz und Simon Bärtschi, verantwortlich fürs Redaktionsmanagement – seien sich oft nicht einig über die Ausrichtung: "Alle hängen in der Luft". Zudem kritisieren die Mitarbeitenden die Kommunikation. Rutishauser habe seine Absichten oder den Stand im Sparprozess nie mitgeteilt, sondern betreibe Salamitaktik.

Rutishauser sieht das anders: "Schon beim Amtsantritt habe ich nicht nur intern, sondern sogar in öffentlichen Interviews gesagt, dass wir von acht auf sechs Bünde reduzieren müssen." In der Chefredaktion sieht er auch keine Probleme: "Unsere Zusammenarbeit funktioniert bestens und die Strategie ist klar: Einerseits sind Primeure wichtig, andererseits müssen die Texte sehr gut geschrieben sein. Dieser doppelte Anspruch ist vielleicht für die einen oder anderen Mitarbeitenden eine zu grosse Hürde", so Rutishauser.

Kalkül von Tamedia geht auf
Tatsächlich hatte er bei seiner Ernennung vorausgeschickt: "Ein Wechsel in der Chefredaktion ist immer auch ein Anlass, sich selbst die Frage nach dem nächsten beruflichen Schritt zu stellen." Das ergebe ihm "einen gewissen Spielraum" für Neueinstellungen, sagte Rutishauser im Interview mit persoenlich.com. Doch, ob er damals gleich mit so grossem "Spielraum" gerechnet hat? "Ja", sagt Rutishauser auf Anfrage. "Leider gingen auch einige gute Leute und natürlich hinterlässt jeder Abgang eine Lücke. Ein gewisser Know-how-Abfluss ist zwar da, doch die neuen Journalisten haben wieder andere Qualitäten."

Auch für Tamedia kommt das nicht überraschend. "Ein Wechsel in der Chefredaktion, eine neue Blattarchitektur, andere inhaltliche Akzente und ein Sparprogramm, das sind viele Veränderungen in kurzer Zeit", sagt Zimmer. Es seien ja nicht zwölf, sondern nur neun Stellen weggefallen, denn es seien neue Namen dazugekommen: etwa die frühere "Blick"-Chefredaktorin Andrea Bleicher und der Ex-"Weltwoche"-Redaktor Andreas Kunz, die als Tandem die stellvertretende Chefredaktion innehaben, sowie "Tages-Anzeiger"-Gesellschaftsredaktorin Bettina Weber und Adrian Schulthess vom "Blick". Claudia Marinka (früher "Schweiz am Sonntag") sei als feste Freie an Bord. Und dank der Zusammenarbeit mit dem "Tages-Anzeiger" in bestimmten Ressorts könne die "SonntagsZeitung" auf mehr Redaktoren zurückgreifen als bisher (persoenlich.com berichtete).

Kompliment an die Chefredaktion
Tamedia sieht die abgemagerte "SonntagsZeitung" also nicht als Sorgenkind, sondern im Gegenteil, als Erfolg der Chefredaktion. "Dass das Sparziel mit einer Ausnahme ohne Kündigungen erreicht wurde, ist eine beachtliche Leistung", so die Interpretation des Sprechers. Und auch Rutishauser ist zufrieden: "Mit der schlankeren Redaktion haben wir nun eine Kostenbasis erreicht, die keine weiteren Abbaumassnahmen mehr erfordert. Unsere Redaktion ist jetzt zwar etwas kleiner, aber immer noch sehr schlagkräftig und in Bezug auf die Mitarbeiterzahl weit besser aufgestellt als andere Sonntagszeitungen."

Weiter abbauen will er also nicht. Auch für Tamedia ist "der Prozess der Neuorganisation weitgehend abgeschlossen", wie Zimmer sagt. In den nächsten Tagen will die SoZ verschiedene Neuzugänge ankündigen.

Text: Edith Hollenstein, Symbolbild: Keystone, Herbert Neubauer (APA) 



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