05.02.2014

Tages-Anzeiger

"Projekte von dieser Komplexität verlangen eine gewisse Demut"

Im März ist es soweit: Nach der NZZ wird auch der "Tages-Anzeiger" die Paywall einführen und gleichzeitig das Layout auffrischen. Wie funktioniert die Tagi-Bezahlschranke und was passiert bei bazonline.ch, derbund.ch und bernerzeitung.ch? Wird man dort weiterhin gratis lesen können? Tagi-Digital-Chef Michael Marti erklärt die Details und stellt exklusiv das neue Layout vor.
Tages-Anzeiger: "Projekte von dieser Komplexität verlangen eine gewisse Demut"

Herr Marti, mit Digital-Innovationen rüsten Sie sich für die Lancierung der Paywall (persoenlich.com berichtete): Wann genau startet die "Bezahl-Einladung", wie Chefredaktor Res Strehle zu sagen pflegt?
Wir starten voraussichtlich Ende März. Es macht derzeit keinen Sinn, ein genaueres Datum bekannt zu geben. Technische Projekte von dieser Komplexität verlangen eine gewisse Demut – von allen Beteiligten. Im Moment programmiert unsere IT die neuen Layout-Templates.

Wie wird die Paywall ausgestaltet sein?
Der "Tages-Anzeiger" führt eine sogenannte Metered Paywall ein, wie sie die "New York Times" kennt oder auch die "Neue Zürcher Zeitung". Dabei werden die Nutzungsbedingungen – also beispielsweise wie viele Artikel Sie noch frei nutzen dürfen oder wann Sie aufgefordert werden, sich zu registrieren –  ähnlich ausgestaltet sein wie bei den Wettbewerbern. Die genauen Definitionen dieser Prozesse befinden sich in der abschliessenden Analysephase.

Welches sind die Hauptunterschiede im Vergleich zur NZZ-Paywall?
Prinzipiell ist unsere Paywall ähnlich aufgebaut und erfüllt letztlich denselben Zweck. Die entscheidenden Unterschiede liegen im Produkt. Nicht in der Bezahlfunktion. Es ist in etwas dieselbe Situation wie an einem Bahnhofskiosk.

Man wird also ebenfalls 20 Artikel gratis lesen können und dann zum Zahlen aufgefordert werden. 
Ich denke, in diesem Rahmen wird sich das ungefähr bewegen. Aber letztlich ist es natürlich nicht die Redaktion, die dies festlegt. 

Sie haben angetönt, dass die Tagi-Paywall flexibel bleiben soll, damit die Redaktion oder der Verlag täglich neu bestimmen kann, welche Beiträge kostenpflichtig sind und welche nicht. Setzen Sie nun tatsächlich dieses Konzept ein? 
Es ist ja kein Geheimnis, dass man eine Metered Paywall justieren muss, dass wir versuchen werden, möglichst viele Digital-Abonnenten zu gewinnen – und möglichst wenig Reichweite zu verlieren. Ob man dazu täglich oder noch öfter an den Paywall-Settings rumdrehen muss, das können wir schlicht noch nicht wissen. Dazu brauchen wir erst die entsprechenden Daten.

Würden Sie demnach das Video "Baggerunfall auf A1", das dem "Tages-Anzeiger" exklusiv vorlag, kostenpflichtig platzieren?
Ich glaube, eher das Umgekehrte würden wir tun. In solch einem Fall ist es doch viel wichtiger, dass möglichst viele Leute die Information bekommen, dass unsere Website verlinkt und zitiert wird. Das ist ein nachhaltigerer Gewinn. Zudem: Bei einer Metered Paywall werden systembedingt nicht einzelne Artikel gratis oder kostenpflichtig gesetzt.

Was passiert mit den Internetportalen von "Basler Zeitung", "Berner Zeitung" und "Der Bund"? Wird man dort diejenigen Artikel, für die man auf tagesanzeiger.ch zahlen muss, weiterhin gratis lesen können?
Die TA-Media-Titel derbund.ch und bernerzeitung.ch werden ebenfalls ein digitales Bezahlmodell einführen, derbund.ch noch in diesem Jahr. Sollten in der Übergangsphase ein paar Tagi-Leser ab und zu bei den "Bund"-Kollegen vorbeischauen, so gehört das für uns zur Porösität der Paywall. Und der Klick bleibt ja in der Titel-Familie.

Wie viel kostet ein reines Digital-Abo?
Sorry, die Preise werden wir erst Mitte März bekanntgeben.

Können bestehende Tagi-Abonnenten aufs Digital-Angebot zugreifen, resp. wie viel kostet ein Digital-Print-Kombi-Abo?
Mit dem Kauf des Print-Abonnements sind alle digitalen Produkte inbegriffen. Dabei gelten die aktuellen Print-Preise – 483 Franken pro Jahr, 274 Franken pro Halbjahr – unverändert.

Zusammen mit der Paywall-Einführung frischen Sie das Layout von tagesanzeiger.ch auf (vgl. Abb. unten). Welche Überlegungen stehen hinter dem neuen Design?
Zwei Ziele hatten Priorität. Erstens: Die Schaffung einer hohen visuellen Identität über alle Kanäle hinweg, – also von der Zeitung über das Tablet bis hin zum Smartphone-Auftritt. Unser Digital-Artdirector Matthias Saner hat da vorzügliche Arbeit geleistet. Neu wird das typische "Tages-Anzeiger"-Layout off- und online unsere konvergenten Inhalte offerieren. Dazu gehört, dass wir auch im Web die Schriften Publico und Benton verwenden. Zweitens ist das neue Digital-Layout wertiger und ruhiger. Wir verwenden mehr Weissraum, setzen die Bilder gezielter ein und beruhigen den Auftritt.

In letzter Zeit gab es Schwierigkeiten, was die Abläufe und die Arbeitsanforderungen betrifft. Halten Sie noch immer an der Konvergenz-Strategie fest?
Die grosse Mehrheit der Redaktion stellte die Konvergenz nie prinzipiell in Frage. Und tatsächlich ist die Konvergenz die richtige Strategie. Berechtigte Kritik gab es indessen insbesondere wegen der in vielen Positionen gestiegenen Arbeitsbelastung. Hier haben wir reagiert.

Wie haben Sie reagiert?
Vor allem bei den Schnittstellenfunktionen – in der Produktion etwa, aber auch in der Bildredaktion – mussten wir Workflows und Jobbeschriebe überprüfen und die Arbeitsbelastung reduzieren. Es hat ja niemand behauptet, es würde alles von Anfang an perfekt funktionieren. Die Konvergenz und die Einführung eines digitalen Bezahlmodells, das sind ausgesprochen ambitionierte Projekte. Wir stehen erst am Anfang.

 

Interview: Edith Hollenstein, Bilder: zVg



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