23.03.2015

Tagi

"Ich habe gerne den gesunden Menschenverstand gepredigt"

Matthias Schüssler hat in der "Kummerbox" jede Woche bis zu 70 verzweifelte Leser technisch beraten.
Tagi: "Ich habe gerne den gesunden Menschenverstand gepredigt"

Was tun, wenn statt Videos nur ein schwarzes Fenster erscheint? Was, wenn der Anschlag der Tastatur nicht stimmt? Oder: Hilfe, mein Computer spricht Französisch! Matthias Schüssler hat in seiner Rubrik "Kummerbox" über 15 Jahre lang verzweifelten Lesern bei technischen Problemen geholfen. Anfang März war Schluss damit. Im Interview mit persoenlich.com verrät der "Tagi"-Journalist, welche Fragen ihn in dieser Zeit am meisten genervt haben, mit was er sich künftig beschäftigen wird – und mit welchem Problem der Profi selbst zu kämpfen hat.

Herr Schüssler, in Ihrem Abschiedsinterview mit dem "Tages-Anzeiger" sagten Sie, Gefässe wie die "Kummerbox" brauche es, weil Hersteller wie Apple oder Microsoft den Support ihrer Kunden vernachlässigten. Wieso ist nun trotzdem Schluss damit?
Ich wurde zum Glück nicht gänzlich aus dem Verkehr gezogen, sondern schreibe weiterhin für den "Tages-Anzeiger". Ausserdem existiert die "Kummerbox" nach wie vor als Sendung auf dem Winterthurer Kultursender "Stadtfilter", wo ich monatlich Hörerfragen beantworte. Da gibt es sogar die Möglichkeit einer Telefonsprechstunde – etwas, das wir beim "Tagi" nie angeboten haben.

Hat Ihnen dazu die Zeit gefehlt?
Die Crux bei der "Kummerbox" lag vor allem bei meinem Perfektionismus: Mir war es ein Anliegen, möglichst allen Fragestellern innert nützlicher Frist eine persönliche Antwort zukommen zu lassen – was bei 40 bis 70 Problemen die Woche einen erheblichen Zeitaufwand mit sich brachte. Zudem ist die Digitalredaktion bei uns seit 2013 konvergent gefordert – da müssen die vorhandenen Ressourcen gezielt eingesetzt werden.

Sie bleiben dem "Tages-Anzeiger" also weiterhin erhalten. Welchen Projekten werden Sie sich in Zukunft widmen?
Ich sehe mich weiterhin als Anwalt der Anwender, der den Lesern bei ihren Expeditionen durch den digitalen Dschungel eine hilfreiche Begleitung ist. Wir wälzen auch Ideen über neue Formen der Computerberatung, aber die sind noch nicht spruchreif.

Trotzdem werden Sie die "Kummerbox" nach 15 Jahren wohl vermissen.
Ich vermisse das Gefäss sehr, ja. Die 15 Jahre haben mich geprägt. Bis jetzt konnte ich den Impuls aber unterdrücken, Fremden im Zug oder auf der Strasse meine Hilfe zu ihren Laptops und Smartphones ungefragt aufzudrängen (lacht).

Unzähligen Lesern haben Sie in den letzten Jahren geholfen. Welche Probleme haben sich immer wieder wiederholt?
Mühsam waren die Routine-Probleme, die allesamt vermeidbar wären, wenn sich die Hersteller die Mühe machen würden, ihre Produkte aus der Warte des Nutzers zu betrachten. Ich habe eine gefühlte Million Mal erklärt, wie man Crapware aus Windows herauslöscht. Wie man unnötige Add-ins aus dem Browser entfernt. Wie man Outlook weniger fehleranfällig konfiguriert. Wie man eine Datensicherung macht, und so weiter.

Im "Tagi"-Interview meinten Sie, in den letzten Jahren hätten sich die Probleme von der Hardware zur Software verlagert. Welche Programme bereiten am meisten Sorge?
Vor allem die ganzen Dinge, die sich unbedingt in den Browser einklinken wollen – also Flash, Java, der Adobe Reader, Silverlight, Quicktime und Co. Die verursachen sehr viel Ärger, sind aber leider nicht immer entbehrlich. Und schliesslich: Die Synchronisationsprobleme zwischen Computer, Cloud und Smartphone. Die sind immer zum Haareraufen!

Neben den Routine-Problemen waren aber sicherlich auch spannende, vielleicht gar exotische Fragen dabei.
Ich empfand es immer als Privileg, zu sehen, was die Leute alles mit ihren Computern anstellen. Wie sie beispielsweise Software zweckentfremden und in Excel Inserate gestalten, ein Tagebuch im Kalender von Outlook führen oder in Powerpoint ein Multimedia-Feuerwerk zünden. Aus Beratersicht war das natürlich ein Albtraum, weil sich Probleme kaum lösen lassen, wenn eine Software komplett gegen den Strich gebürstet wird.

Und sonst?
Gut fand ich auch immer Fragen, die über das rein Technische hinausgingen. Bei denen ich aufklärerisch tätig sein konnte. Da habe ich ja gerne den gesunden Menschenverstand gepredigt und den Leuten hoffentlich grundlegende Einsichten vermitteln können. Etwa, dass beim Kauf eines neuen Computers nicht die Leistungsmerkmale entscheidend sind, sondern das Wohlgefühl beim Tippen auf der Tastatur.

Nun ist also Schluss mit der "Kummerbox", wo kann man sich denn nun künftig Rat holen, wenn man technisch nicht mehr weiter weiss?
Es ist natürlich immer gut, wenn Probleme erst gar nicht entstehen. Und da gibt es einige einfache Grundregeln: Nicht das klapprigste Gerät kaufen, immer brav die Updates ausführen, sklavisch die Datensicherung ausführen und nicht jeden Quatsch glauben, der irgendeiner im Internet erzählt.

Zum Schluss: Sind Sie Allwissend oder hat selbst der Profi ab und an mit technischen Problemen zu kämpfen?
Meine aktuelle Frage ist, ob es sich wohl noch lohnt, meinen alten Brother-Laserdrucker W-Lan-tauglich zu machen, oder ob ich meine Energie nicht besser darauf verwende, allen zu erklären, dass bei mir das Zeitalter des papierlosen Büros angebrochen ist.

Fragen: Nicolas Brütsch / Bild: zVg



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