20.08.2015

Verband Schweizer Medien

Eklat führt zum Austritt von Ringier

An der Zürcher Dufourstrasse ist die Rede von "unüberbrückbaren Differenzen mit einzelnen Mitgliedern im Präsidium".
Verband Schweizer Medien: Eklat führt zum Austritt von Ringier

Und wieder ein Knall in der Schweizer Medienbranche: Ringier tritt mit sofortiger Wirkung aus dem Verband Schweizer Medien (VSM) aus. Dies schreibt Ringier-Sprecher Edi Estermann am Donnerstagnachmittag in einer E-Mail an persoenlich.com. Grund seien "unüberbrückbare Differenzen mit einzelnen Mitgliedern im Präsidium des Verbandes". Der Entscheid hängt mit dem Zusammenschluss von Ringier, SRG und Swisscom in der Vermarktung zusammen. Der VSM hatte das Thema anlässlich einer Klausurtagung des Präsidiums am Dienstag "intensiv" beraten, wie es in einer späteren Mitteilung von Ringier heisst.

Streit um Werbe-Joint-Venture

Wenige Minuten nach Ringier meldet sich der Verband ebenfalls in einer Mitteilung zu Wort: "Es geht nicht an, dass der Bund über die mit der Mediensteuer finanzierte SRG und die mehrheitlich von der Eidgenossenschaft gehaltene Swisscom mit dieser neuen Vermarktungsfirma dazu beiträgt, in den bereits verzerrten Wettbewerb im Medienbereich einzugreifen. Und es ist bedauerlich, dass dies zusammen mit einem der grössten privaten Medienhäuser der Schweiz erfolgt." Es sei elementar, dass der Bund über die SRG und die Swisscom nicht die Existenzgrundlage der privaten Medien schwäche. Und weiter: "Folgerichtig hat Ringier den Austritt aus dem Verband erklärt."

Der VSM hält in seiner Mitteilung weiter fest, dass er das Joint-Venture medienpolitisch höchst bedenklich hält und enttäuscht ist, dass die öffentliche SRG mit ihrem Service-public-Auftrag, und die Swisscom, die zu 51 Prozent im Besitz des Bundes ist, zusammen mit Ringier die Vermartung ihrer Werbung in eine gemeinsame Firma zusammen legen wollen.

Ringier teilt diese "drastische Haltung" des Verbands nicht und zieht die Konsequenzen: "Faktisch fordert der Verband Schweizer Medien ein Werbeverbot für die SRG. Also: Auch keine Werbung mehr auf deren Fernsehsendern. Dies ist eine Radikalforderung, hinter der Ringier nicht stehen kann", sagt CEO Marc Walder. Er bedaure den "unausweichlichen" Austritt.

Lebrument war "positiv überrascht"

Verbandspräsident Lebrument gehört nicht zu denjenigen Mitgliedern, die die Werbeallianz von Grund auf verurteilen. Gegenüber persoenlich.com zeigte er sich am Montag "positiv überrascht" über die Neugründung. Nun komme Bewegung in den Markt. Ringier, die SRG und die Swisscom würden "nicht mehr tatenlos zuschauen, wie sich Google und Facebook in der Schweiz installieren und den hiesigen Werbemarkt abgrasen".
 
 
Diese Äusserungen ziehe er auch nach dem Eklat nicht zurück, sagt Lebrument am Telefon gegenüber persoenlich.com und fügt an: "Ich hätte nicht gedacht, dass das Joint-Venture im Verband für solchen Wirbel sorgen würde." Trotzdem wäre zu hoffen gewesen, dass sich ein solcher Zusammenschluss aus privaten Medienuntenehmen ergibt, und nicht mit der SRG und der Swisscom. Das Zusammengehen im Werbebereich der zwei öffentlich-rechtlichen Unternehmen mit Ringier laufe dem Ziel einer in Zukunft nicht mehr werbefinanzierten SRG zuwieder. Dieses Ziel habe der VSM in einem Positionspapier festgelegt.
 
"Unangenehmste Sitzung in den 13 Jahren"
 
Die Klausurtagung vom Dienstag sitzt dem Verbandspräsident noch tief in den Knochen: "Es war die unangenehmste Sitzung in den 13 Jahren beim VSM", sagt Lebrument. Auch wenn dabei engagiert diskutiert worden sei und die Stimmung durchaus als angespannt bezeichnet werden könne, sei am Dienstag ein Ausstritt nicht zur Debatte gestanden. Am Donnerstagmittag habe ihn Marc Walder telefonisch über den Entscheid von Michael Ringier, den er ausserordentlich bedauere, informiert.
 


Der Verband Schweizer Medien ist gemäss Angaben auf der Homepage die Branchenorganisation der privaten schweizerischen Medienunternehmen mit Schwerpunkt Print und Online. Er vereinigt über 100 Unternehmen, die zusammen rund 300 Zeitungen und Zeitschriften herausgeben sowie verschiedene Newsplattformen und elektronische Medien anbieten.

Zusammen mit den beiden sprachregionalen Organisationen, Médias Suisse und Stampa Svizzera, setzt sich der Verband für die Wahrung der Interessen der privaten Medienunternehmen in der Schweiz ein. Im VSM-Präsidium sitzen nebst Ringier-CEO Marc Walder, Präsident Hanspeter Lebrument (Somedia), Gilbert A. Bühler (Freiburger Nachrichten), Veit Dengler (NZZ), Christof Nietlispach (Freiämter Regionalzeitungen), Markus Somm (Basler Nachrichten), Pietro Supino (Tamedia) und Peter Wanner (AZ Medien).

Text: Michèle Widmer, sda; Bild oben: Keystone


Lesen Sie dazu auch die Kommentare "Der grosse Knall" von Matthias Ackeret und "Eine Werbeallianz mit Potential" von Edith Hollenstein, sowie auf edito.ch eine Einschätzung von Philipp Cueni.



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