05.09.2014

Verband Schweizer Medien

"Im Herzen werde ich immer Journalistin bleiben"

An vorderster Front gegen die SRG: Seit März ist Verena Vonarburg Direktorin des Verbandes Schweizer Medien und damit die direkte Gegenspielerin von Roger de Weck. Mit der politischen Mechanik ist Vonarburg sehr gut vertraut. Sie arbeitete als Journalistin bei SRF und lange beim "Tages-Anzeiger". Doch wie das Spiel wirklich läuft, habe sie erst als Lobbyistin bei der Public-Affairs-Agentur Furrer.Hugi duchschaut, so die 46-Jährige. "Ich kam richtiggehend auf die Welt".
Verband Schweizer Medien: "Im Herzen werde ich immer Journalistin bleiben"

Frau Vonarburg, man kennt Sie nicht sehr gut. Was sind Sie für ein Mensch?
Oh, (überlegt) das fängt ja schon gut an! (lacht) Ich bin schon sehr lange in der Medienbranche tätig; zuerst, mehr als zwanzig Jahre lang, als Journalistin. Ich habe beim Fernsehen, beim Radio und bei Zeitungen gearbeitet – lange in der Bundeshausredaktion des "Tages-Anzeigers". Diese beruflichen Stationen sagen aber noch nichts darüber aus, was für ein Mensch ich bin. Also: Ich bin eine humorvolle, entscheidungsfreudige Schnelldenkerin mit Hang zum Impulsiven. Reicht Ihnen diese Antwort?

Ich stelle diese Frage, weil Sie selber früher als Journalistin Interviews auch so eröffneten. Ruedi Matter fragten Sie 2010 beim Amtsantritt als SRF-Regional-Direktor genau das gleiche.
(lacht) Ach tatsächlich?

Souverän wie Sie reagieren, haben Sie "Wer sind Sie?" wohl nicht zum ersten Mal beantwortet. Inwiefern ist "impulsiv sein" eine positive Eigenschaft?
Darunter subsummiere ich Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit. Ich kann auch durchaus wütend und laut werden, doch nicht für lange. Mein Ärger verzieht sich jeweils rasch wieder. Auf der anderen Seite braucht es im Verband, und das kann ich auch, viel Gespür für Diplomatie, für den Ausgleich von Interessen.

Seit März sind Sie als Direktorin im Amt. Davor waren Sie bei Furrer.Hugi - nach 20 Jahren im Journalismus. Ist eine gute Journalistin immer auch eine gute Lobbyistin?
Als Journalistin bringt man sowohl viel Know-how über die Funktionsweise der Politik als auch ein grosses Netzwerk mit. Dies sind schon einmal zwei wichtige Voraussetzungen für Lobbyarbeit. Der Rest ist Handwerk; "Learning by Doing", wie im Journalismus auch. Ich konnte dieses Lobbying-Handwerk in einer tollen Agentur lernen. Dafür bin ich dankbar, doch im Herzen werde ich immer Journalistin bleiben. Auch in meiner jetzigen Funktion als Direktorin beim Verband Schweizer Medien.

Wofür sind Sie "dankbar"?
Die Zeit bei Furrer.Hugi erlebte ich wie eine ausgedehnte Recherche. Ich konnte der Politik viel näher sein als in der Zeit als Journalistin. Erst da realisierte ich, wie das Spiel wirklich läuft. Nach zwanzig Jahren im Journalismus kam ich in diesen zweieinhalb Jahren in der Agentur richtiggehend auf die Welt.

Was erstaunte Sie so sehr?
Mich verblüffte, wie stark die Verwaltung ganz konkret Politik betreibt. Dass die Verwaltung kein Neutrum ist und auch politische Interessen verfolgt, wusste ich schon. Doch zu sehen, wie die Verwaltung mitunter sogar gegen den eigenen Bundesrat im Parlament Einfluss nimmt, das war schon sehr lehrreich, aber auch offen gesagt ernüchternd.

Ein Beispiel?
Die Verwaltung instrumentalisiert Parlamentarier für eigene Interessen. Beamte schreiben Vorstösse für Parlamentarier, diese reichen die Papiere dann ein, sodass der Vorstoss schliesslich wieder auf dem Pult desjenigen Beamten liegt, der ihn ursprünglich selber geschrieben hat. So hat er natürlich die Antwort schnell parat und sein Ziel ist erreicht.

Nun zu Ihrer momentanen Arbeit: Was beschäftigt Sie intern zur Zeit am meisten?
Wie die gesamte Branche ist der Verband Schweizer Medien inmitten eines Transformationsprozesses. Künftig fahren wir noch mehr auf beiden Schienen: Print und Digital. Dies hat Auswirkungen auf unsere Geschäftsstelle. Die Position des Marketingchefs haben wir z.B. neu mit Andreas Häuptli von der NZZ besetzt; ich freue mich, dass er zu uns kommen wird. Und im Herbst wird eine tolle neue Werbekampagne vorgestellt. Sie wird aufzeigen, wie Print zusammen mit Digital Menschen, Märkte und Marken bewegen kann.

Und extern?
Als Verbandsdirektorin, ist es eine meiner Hauptaufgaben, mich für gute politische Rahmenbedingungen einzusetzen, auf welche die Medienhäuser zählen können. Hierbei ist Distribution weiterhin ein wichtiges Thema, also die Zustelltaxen, welche die Post erhöht hat, und gegen das wir juristisch interveniert haben, und die indirekte Presseförderung. Die Abschaffung dieser Postförderung ist leider immer wieder ein Thema und wurde fast schon zum Evergreen im Parlament. Doch richtigerweise hat es mehrmals entschieden, dass an der Zustellverbilligung festgehalten werden soll. Print leidet so oder so je länger je mehr unter hohen Kosten für die Verteilung der Zeitungen in die Briefkästen. Dann beschäftigt mich natürlich das Verhältnis zur SRG. Der Bund muss der Grossmachtpolitik der SRG einen Riegel schieben.

Auch die Journalistenverbände und Gewerkschaften sind eine wichtige Anspruchsgruppe.
Von dieser Seite wird derzeit eine rigide Arbeitszeiterfassung gefordert. Hier laufen Verfahren gegen Tamedia, Ringier und der NZZ. Diese Arbeitszeiterfassung ist jedoch überhaupt nicht im Dienst der Journalisten. Es ist auch nicht im Dienste der Qualität der Medien, wenn man mit Stempeluhren ins Industrie-Zeitalter zurück kehren will. Strikte Arbeitszeiterfassung funktioniert für den Journalismus einfach nicht. Und: Interessanterweise – das wissen viele gar nicht – sind Journalisten in der EU von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen!

Gibt es doch noch eine Chance für einen GAV in der Deutschschweiz?
Momentan reden wir mit den Gewerkschaften nur über die Arbeitszeiterfassung und über nichts anderes. Es kann nicht sein, dass man über die Arbeitszeiterfassungsgeschichte anschliessend versucht, einen GAV auszuhandeln. Diese beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit dem Präsidium?
Das Präsidium, unser Vorstand, der aus Verlegern und CEOs der grossen Medienhäuser, aber auch von kleineren besteht, trifft sich rund zehn Mal jährlich zu Sitzungen. Mein Verhältnis zu den Spitzen der Medienhäuser darf ich aus meiner Sicht als "sehr gut" bezeichnen. Mein Verhältnis zum Präsidenten ist super.

Im achtköpfigen Präsidium sitzen zu 100 Prozent sind Männer. Warum ist das so?
Genau, zur Zeit sind es 100 Prozent Männer, doch ich fühle mich nicht einsam. Für mich ist die Frauen-Männer-Frage völlig irrelevant. Ich möchte mit guten Leuten zusammenarbeiten. Klar, wäre es schön, es hätte mehr Führungsfrauen in der Branche. Frauen sind oft zu bequem. Ihnen fehlt nicht selten auch der Mut, sich zu exponieren. Viele verstecken sich gerne hinter Männern. 

Die ganze Branche ist männlich dominiert. Für den Verlegerkongress, der am Donnerstag und Freitag in Interlaken stattfinden wird, konnten Sie genau zwei Frauen als Rednerinnen gewinnen.
Ja, dieses Geschlechterverhältnis ist ein Fakt. Und leider kann auch Donata Hopfen beim Verlegerkongress nicht dabei sein. Sie hat aus terminlichen Gründen abgesagt. Wir konnten jedoch einen tollen Ersatz gewinnen: Daniel Steil, Chefredaktor von Fokus-Online. Entscheidend ist für mich: Das Programm ist sehr attraktiv. Die Redner standen im übrigen zum grossen Teil schon fest, bevor ich zum Verband kam. Ich fragte zusätzlich die Swiss Miss an, jedoch nicht weil sie eine Frau ist, sondern weil sie in der digitalen Welt eine spannende Persönlichkeit ist.

Beim letzten Verlegertag ging es hoch zu und her. Bundespräsident Maurer wurde ausgepfiffen, Präsident Lebrument schmetterte Impressum ab und desavouierte Ihren Vorgänger. Was ging Ihnen im Anschluss durch den Kopf?
Es ist nicht an mir, Vergangenes öffentlich zu beurteilen. Nur so viel: Es läuft etwas beim Verlegerkongress (lacht)! Lieber ein Anlass, der von sich reden macht, als einer, der "tötelet". Ganz abgesehen davon: Wir sind kein nostalgischer Haufen, sondern auf der Höhe der Zeit.

Ihr früherer Arbeitgeber Furrer.Hugi ist die Lobbying-Agentur der SRG. Waren Sie selber in dieses Mandat eingebunden?
Ich hatte mit der SRG als Kundin nichts zu tun, war nur an einer Sitzung dabei und das liegt schon lange zurück. Ich hatte das SRG-Mandat vor meiner Wahl zur Direktorin von mir aus angesprochen, ebenso wie die Tatsache, dass mein Mann Leiter der Bundeshausredaktion von Radio SRF ist. Ich war selber lange bei 10vor10. Ist doch gut, wenn man die Konkurrenz kennt! (lacht)

Interview: Edith Hollenstein



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