24.10.2013

Fifa

Die Sport-Wochenzeitung erscheint zum ersten Mal

Am Donnerstag wurde sie erstmals ausgeliefert und in London vorgestellt: die mit Spannung erwartete Sport-Wochenzeitung der Fifa. Das in vier Sprachen übersetzte "The Fifa Weekly" ist als Print-Ausgabe in 209 Ländern erhältlich. Was bezweckt der Weltfussballverband mit einem "kritisch-journalistischen Magazin" und wird es bald schon dem "Blick" oder der "Basler Zeitung" beiliegen? Zum Start zeigt persoenlich.com das Layout. Zudem haben wir uns exklusiv mit Chefredaktor Thomas Renggli im Fifa-Newsroom am Hauptsitz in Zürich über das Konzept unterhalten.
Fifa: Die Sport-Wochenzeitung erscheint zum ersten Mal

Herr Renggli, am Mittwochabend ging "The Fifa Weekly" in Druck. Wie zufrieden sind Sie mit dem ersten Wurf?
Wir freuen uns sehr und sind erleichtert, denn die letzten Monate waren ziemlich anstrengend. Es brauchte beim Start sehr viel Energie. Wir mussten alle Gefässe von Grund auf festlegen. Zudem haben wir seit September drei Nullnummern produziert, weil wir die Produktionsbedingungen möglichst real simulieren wollten. Nachdem nun quasi das Gerüst steht, geht es dann schneller.

Wo lagen die Schwierigkeiten?
Eine der grössten Herausforderungen war die Tatsache, dass sich Textlängen je nach Sprache extrem stark unterscheiden. Deutsch verfasste Texte sind auf Französisch bis zu 50 Prozent länger. Um dieses Problem zu lösen, müssen wir jeweils das Layout anpassen. Zudem haben wir Wert darauf gelegt, dass die Übersetzungsagentur auf Fussball spezialisiert ist und daher auch redaktionelle Vorschläge machen kann. Ansonsten wäre es unmöglich, ein Magazin in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch herauszugeben.

Sie setzten sich zum Ziel, das bisherige Fifa-Magazin, ein klassisches Corporate-Publishing-Produkt in Hochglanz, das inhaltlich vor allem Fifa-Verlautbarung betrieb, in ein Magazin mit "kritisch-journalistischem Ansatz" umzupositionieren. Wie zeigt sich der neue Ansatz in der aktuellen Ausgabe?
Unsere Hauptgeschichte ist eine grosse Reportage über das 150-Jahr-Jubiläum des englischen Fussballverbandes. David Winner, unser Autor in London, beleuchtet in seinem Text das grosse Trauma. 1966 wurde England im eigenen Land Weltmeister und seither träumt das Land noch immer von einer Wiederholung. Interessant sind auch das Interview mit Günter Netzer und die Rubrik "Turning Point", in der jede Woche eine Fussball-Persönlichkeit einen Schlüsselmoment schildert. Unsere wichtigste Rubrik ist die Doppelseite "Debatte", in der die Leser ihre Meinungen einbringen können. Hier werden kontroverse Themen diskutiert, unter anderen nimmt auch Fifa-Präsident Sepp Blatter Stellung. Wir verzichten jedoch auf ein Editorial, das ja bei herkömmlichen Corporate-Publishing-Produkten jeweils dem Firmenchef zur Verfügung steht.

 

Wer soll "The Weekly" lesen?
Wir richten uns an ein breites Publikum, an alle Fussball-Interessierten.

Das Rätsel ganz hinten ist ziemlich knifflig, wohl auch für eingefleischte Fans.
Ja, auch wir Redaktoren beissen uns an diesen Rätseln die Zähne aus und haben schon Stunden mit Knobeln und Recherchieren verbracht, mittlerweile sind wir überzeugt: Es handelt sich um das schwierigste Fussball-Rätsel der Welt (lacht)! Die Fragen stammen von "cus", dem angesehenen Rätsel-Autoren aus Deutschland, der auch die Rätsel des NZZ-Folios verantwortet. Es macht grossen Spass mit ihm zusammenzuarbeiten.

Können Sie sogar über ganz heikle Themen schreiben, wie etwa Korruption oder die Arbeitsbedingungen an WM-Austragungsorten?
Wir sind eine Fifa-Publikation. Deswegen sind wir bei sportpolitischen Themen natürlich nicht ganz unabhängig. Doch wir lassen kritische Stimmen zu.

Dass sich nicht unabhängig sind, ist kein Problem für Sie.
Als von der Fifa bezahlter Journalist bin ich logischerweise nicht unabhängig. Doch auch als ich bei Verlagshäusern arbeitete, war ich nicht ganz unabhängig. Damals spielten finanzielle und persönliche Interessensverbindungen eine wichtige Rolle. Heute, wo ich bei der Fifa arbeite, weiss ich – und es ist auch nach aussen klar –, dass dort wo Fifa darauf steht, auch Fifa drin ist.

Sie scheinen den Schritt zur Fifa nicht zu bereuen.
Nein gar nicht. Für einen Journalisten, der den Fussball mag, gibt es keinen besseren Arbeitsplatz.

Kommen Sie jetzt einfacher in Kontakt mit Fussball-Grössen als früher als Sie bei Ringier oder bei der NZZ arbeiteten?
Ja, selbstverständlich. Die Fifa hat ein grosses Potential an Informationen und Zugängen zu Persönlichkeiten aus dem Fussball. Davon können wir profitieren. Ausserdem gehen am Hauptsitz hier in Zürich auch interessante Personen aus anderen Sportarten und dem Showbusiness ein und aus, so etwa Usain Bolt, Candy Dulfer oder Eros Ramazotti.

Um dieses Magazin aufzubauen, konnten Sie ein ganz neues Team zusammenstellen. Wie man hörte, gingen zahlreiche Bewerbungen ein. Wer gehört nun zur festen Redaktion?
In unserem kleinen Newsroom, den wir extra eingerichtet haben, arbeiten Perikles Monioudis (Buchautor und früher NZZ-Redaktor), Alan Schweingruber (von "20 Minuten") und Sarah Steiner (früher "News"). Bildchefin ist Peggy Knotz und fürs Layout ist Richie Krönert zuständig. Und für die grafische Kreation des Magazins war Markus Nowak aus Berlin verantwortlich.

Daneben arbeiten Sie mit freien Journalisten.
Ja, wir konnten einige sehr renommierte Autoren gewinnen, wie etwa Roland Zorn in Frankfurt (Fussballchef der FAZ), Sven Goldmann in Berlin (vom "Tagesspiegel"), David Winner in England (Schriftsteller und "Guardian"-Autor), Jordi Punti in Barcelona (Autor) und Luigi Garlando (Autor bei "Gazetta" und Kinderbuchautor). Viele dieser Autoren schrieben sehr Fifa-kritisch. Daher reagierten sie bei meiner Anfrage eher überrascht und wunderten sich über dieses Projekt. Dennoch entschieden sie sich, mitzuarbeiten. Dass diese Autoren in ihrer Muttersprache für uns schreiben, ist ein grosser Vorteil. Im Gegensatz zur NZZ etwa, die auch sehr viele gute Korrespondenten hat, die Texte jedoch in Deutsch verlangt, arbeiten wir mit Übersetzungen. So konnten wir in den jeweiligen Ländern die besten Leute anfragen.

Mittels "The Weekly" kann die Fifa eigene Themen in den öffentlichen Diskurs bringen und ist dafür nicht auf die Weiterverbreitung der Medien angewiesen.
Ja, Frauenfussball ist natürlich für die Fifa ein wichtiges Thema. Hierzu gibt es so viel Interessantes zu erzählen, was Magazine auf dem freien Markt ziemlich sicher nicht aufgreifen würden.

Gerade Frauenfussball ist sicherlich ein strategisches Wachstumsfeld der Fifa. 
Ja, das stimmt. Aber die zu diesem Thema erzählten Geschichten sind interessant und relevant. Was Honey Thaljieh, die Captain der ehemaligen palästinensischen Nationalmannschaft, erlebt hat, ist sehr ergreifend. Ihre Geschichte könnte daher in jedem Magazin mit journalistischem Anspruch zu lesen sein, nicht nur im "The Weekly".

Inwiefern ist "The Weekly" digital zugänglich?
Wir werden schon bald eine spezielle App anbieten, bis dahin steht "The Weekly" als E-Paper zum Download auf unserer Webseite zur Verfügung. Das Internet als Distributionskanal ist für uns sehr wichtig, denn es ist unmöglich in 209 Ländern gleichzeitig eine Wochenzeitung zu verteilen. Auf den Fiji-Inseln könnte unser Magazin sonst erst mit einiger Verspätung ankommen.

Wie kommen in der Schweiz Interessierte zum Heft?
Sie können das Heft auf issuu.com/fifa/ oder ab Freitag auf fifa.com/theweekly herunterladen oder kurz bei uns am Fifa-Hauptquartier in Zürich vorbeikommen, um ein Printexemplar abzuholen. Längerfristig ist es unser Anspruch, dass das Produkt auch auf dem freien Markt bestehen könnte, etwas als Beilage von Zeitungen.

"The Weekly" könnte also bald dem "Blick" oder der "Basler Zeitung" beiliegen.
Das wären natürlich attraktive Schweizer Optionen, aber wir denken auch international. Grundsätzlich ist das aber noch Zukunftsmusik.

Wie erfolgt die Distribution der Printausgabe?
Nach dem Druck beim "Zofinger Tagblatt" werden die Magazine von DHL an alle unsere Verbände und an alle unsere Partner – also an Adidas, Coca-Cola, Emirates, Hyundai, Sony oder Visa – geliefert.

Die Inserate stammen ausschliesslich von diesen sechs Fifa-Partnern. Ist die Zusammenarbeit exklusiv oder wollen Sie auch anderen Inserenten Werbung verkaufen?
Nein, wir verkaufen keine Inserate-Plätze. Inserate dürfen ausschliesslich diese sechs Partner schalten.

Warum erfolgt die Lancierung in der Schweiz so defensiv?
Wir starten die Lancierung heute Donnerstag in England, denn Sepp Blatter reiste aufgrund der 150-Jahre-Feierlichkeiten sowieso dorthin. "The Weekly" wird also zuerst den Engländern präsentiert, in der Schweiz hängen wir die Lancierung vorerst bewusst noch nicht an die ganz grosse Glocke.

Der Newsroom der Fifa: eigens eingerichtet für die Redaktion von "The Fifa Weekly".

Drei Nullnummern waren nötig, um den Ernstfall zu trainieren.

Magnetische Wandleisten für das Auslegen der Seiten gehören nun auch am Fifa-Hauptsitz in Zürich zum Inventar.

Alle Text-Gefässe von Grund auf festzulegen, war mit grossem Aufwand verbunden.

Interview und Bilder: Edith Hollenstein

 

 

 



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