29.05.2015

SW Schweizer Werbung

"Ich plädiere für eine nationale Werbeplattform"

Präsident Filippo Lombardi über Werbeverbote und seine Zukunftsvision.
SW Schweizer Werbung: "Ich plädiere für eine nationale Werbeplattform"

Der Verband Schweizer Werbung SW feierte am Freitag sein 90-Jahr-Jubiläum am "Tag der Werbung" in der Fabrikhalle 12 in Bern. "persönlich" hat Verbandspräsident Filippo Lombardi im Vorfeld getroffen. Ein Gespräch über den Stellenwert der Werbung in der Politik, nötige und unsinnige Werbeverbote sowie seine Idee von einer nationalen Werbeplattform, an der die Verlage und auch die SRG beteiligt sein sollten.

Herr Lombardi, herzlichen Glückwunsch. Der Verband SW Schweizer Werbung feiert sein 90-Jahr-Jubiläum. Was bezwecken Sie damit?
Dieser Geburtstag ist für uns insofern wichtig, als wir Medien, Politik und Bevölkerung einmal zeigen können, was die Werbeindustrie für die Schweiz bedeutet. Gleichzeitig ist es doch interessant aufzuzeigen, wie sich unsere Branche in den letzten 90 Jahren entwickelt hat. Das Wichtigste ist aber der Blick in die Zukunft: Neu legen wir den welschen und Deutschschweizer Werbedachverband zusammen und agieren zukünftig unter dem Namen «Kommunikation Schweiz».

Gab es auch Widerstände gegen diese Fusion?
Selbstverständlich. Wenn man etwas Neues gestaltet, gibt es immer Widerstände und Verlustängste. Aber ich habe in meinem Leben viele Dinge zusammengeführt und habe dabei nur gute Erfahrungen gemacht. Als Tessiner, Angehöriger einer Minderheit also, bin ich vielleicht in solchen Fragen sensibilisierter als ein Zürcher oder Berner. Unser Ziel ist es, die Interessen der Werbung gesamtheitlich und nicht nur lokalpolitisch zu vertreten.

Sie sind seit fünf Jahren Präsident von SW Schweizer Werbung. Was hat Sie an dieser Tätigkeit gereizt?
Ich hatte als Chefredaktor einer Tageszeitung und Direktor des ersten und einzigen kommerziellen Fernsehsenders im Tessin immer eine sehr enge Beziehung zur Werbung. Wie Sie sehen, lege ich Wert auf die Bezeichnung kommerzielles Fernsehen.

Warum?
Weil diese Beschreibung viel ehrlicher ist als «Regionalfernsehen». Der frühere SRG-Generaldirektor Armin Walpen benutzte die Bezeichnung «Kommerzfernsehen» regelmässig – und dies keineswegs zu unserem Vorteil. Der ehemalige Medienminister Leuenberger meinte bei der Diskussion über das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) sogar abschätzig, dass es ihm grundsätzlich egal sei, was die Kommerzsender zwischen den Werbeblöcken ausstrahlen. Dies zeigt das Klima, in welchem wir agieren mussten.

Haben Sie unter dieser Missachtung gelitten?
Ja, ich fand diese Abwertung unseres «kommerziellen» Berufes immer falsch. Ich glaube, Werbung ist ein Teil der Wirtschaft und garantiert vielen Menschen in der Schweiz ihren Lebensunterhalt. Werbung ermöglicht auch die Wahlmöglichkeit der Konsumenten. Deswegen habe ich auch begeistert zugesagt, als mich der ehemalige CVP-Ständerat Carlo Schmid gefragt hat, ob ich sein Nachfolger als Präsident von SW Schweizer Werbung werden wolle.

Spüren Sie diese Geringschätzung der politischen Klasse gegenüber der Werbung immer noch?
Ja, obwohl sich das Klima ein wenig verbessert hat. Sowohl der Grossteil der Parlamentarier wie auch der früher werbeskeptischen SRG versteht mittlerweile, dass Werbung wichtig ist.

Warum erwähnen Sie die SRG?
Die SRG weiss, dass sie die Gebühren nicht weiter erhöhen kann und auf die kommerziellen Einnahmen angewiesen ist. Dies verändert unsere Ausgangslage gegenüber früher grundlegend. Deswegen fiel die Reaktion der SRG auf den Vorschlag von Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument an der Dreikönigstagung, das britische System einzuführen, auch so heftig aus. In England ist die öffentlich-rechtliche BBC ausschliesslich durch Gebührengelder finanziert, während die privaten Sender von Werbung und Sponsoring leben. Doch mittlerweile weiss die SRG, dass es ohne Werbung nicht geht. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass viele Politiker unter Werbung immer noch etwas Negatives verstehen.

Was antworten Sie auf solche Einwände?
Es ist ganz einfach: Wer ein Produkt herstellt, will dieses bekannt machen und auch verkaufen. Dazu braucht es Werbung. Die Werbung ist der Bestandteil der menschlichen Tätigkeit. Sogar Politiker müssen ab und zu werben, damit sie wiedergewählt werden (lacht).

Ist diese Abwertung der Werbung im politischen Diskurs ein schweizerisches Phänomen?
Ja, es ist ein schweizerisches Phänomen. In anderen Ländern, wie beispielsweise Italien, hat die Werbung einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Liberalisierung von Radio und Fernsehen bereits sehr viel früher stattfand. Bei uns ist politische Werbung in Radio und Fernsehen verboten. Vielleicht ist dies einer der Gründe für die ganze Zurückhaltung gegenüber der Branche. In der Schweiz schätzt man es zudem nicht, wenn jemand offen seine Vorzüge oder diejenigen seines Produkts kommuniziert. Wir bevorzugen eher die Empfehlung durch einen Dritten.

Was ist Ihre Haupttätigkeit als Präsident des Verbandes Schweizer Werbung?
Ganz banal: Die Haupttätigkeit eines Präsidenten ist, den Verband zu präsidieren. Dabei versuche ich, intern Impulse zu geben und die besten Ideen der Branche zu kanalisieren. Es ist wichtig, dass in unserem Dachverband alle Interessen der Branche – von den Kreativen über die Auftraggeber bis zu den Medien – vertreten sind. Gegen aussen, also in Bundesbern, ist es meine Hauptaufgabe, für unsere Anliegen zu lobbyieren und meine Kollegen in den Räten für unsere Anliegen – das heisst den Kampf gegen überflüssige Werbeverbote – zu sensibilisieren.

Die Sensibilität vieler Politiker gegen Werbeverbote scheint aber nicht so gross zu sein.
(Wird lauter.) Das stimmt. Und das hat einen triftigen Grund: Es ist eine Tatsache, dass unsere Politik in vielen Herausforderungen des normalen Lebens mittlerweile überfordert ist und auch keine rechte Antwort darauf findet. Um ihren Wählern zu beweisen, dass sie wirklich etwas durchsetzen kann, kreiert sie gerne ein Werbeverbot. Das kostet nichts, erleichtert das Gewissen und stösst in der Bevölkerung gleichzeitig auch noch auf grosse Beachtung. Aber diese Einstellung ist falsch. Oftmals sind solche Werbeverbote nur Alibiübungen, die nichts bringen, und sie stehen im Widerspruch zur Handels- und Gewerbefreiheit, die einen wesentlichen Grundpfeiler unserer gesellschaftlichen Ordnung darstellt.

Gibt es auch Werbeverbote, die Sie akzeptieren?
Ja, wir akzeptieren gewisse Einschränkungen für Tabak- und Alkoholwerbung. Diese Bestimmungen haben wir «geerbt» und wollen sie auch nicht rückgängig machen. Was wir hingegen bekämpfen, sind weitere Werbeverbote, die wir gesellschafts- und wirtschaftspolitisch als unsinnig betrachten.

Wie gross ist die Gefahr, dass weitere Werbeverbote eingeführt werden?
Diese Gefahr ist gross. Sobald ein Problem auftaucht, ertönt in der Schweiz der Ruf nach einem Werbeverbot. Nehmen Sie die Problematik der Kleinkredite. Da insbesondere viele junge Menschen verschuldet sind, wurden im Rat Stimmen nach einem Werbeverbot laut. Ungeachtet der Studien, die klar zeigten, dass nur der geringste Teil der Schulden auf Kosten von Kleinkrediten geht. Selbst Pro Juventute attestierte uns deshalb, dass ein Werbeverbot am eigentlichen Problem vorbeiziele. Das Parlament zeigte sich zum Glück einsichtig, und wir konnten durchsetzen, dass man einer Selbstregulierung durch die Finanzinstitute zustimmte.

Wie haben Sie dabei argumentiert?
Bei einem Werbeverbot wäre das Problem keineswegs gelöst gewesen und hätte sich nur in den Graubereich des Internets verlagert. Durch die jetzige Lösung ist Transparenz gewährleistet. Wir sind mit der gefundenen Lösung sehr zufrieden. Als Parlamentarier weiss ich allerdings, dass man ständig den Finger darauf halten muss, um nicht noch weitere unsinnige Werbeverbote zuzulassen. Wenn jemand morgen das Verbot von umweltschädlichen Autos verlangt, wird er zuerst bei den Werbeverboten ansetzen.

Von aussen hat man den Eindruck, dass viele werberechtliche Regelungen direkt von der EU, die in diesen Fragen viel restriktiver ist, übernommen werden.
Das stimmt, obwohl für mich die bilateralen Verträge sakrosankt sind. Trotzdem sind wir keineswegs gezwungen, mehr zu tun, als vorgeschrieben ist. Dieser vorauseilende Gehorsam, den die Schweizer gerne praktizieren, ist doch übertrieben.

Welchen Stellenwert nimmt die Werbung innerhalb der Schweizer Wirtschaft ein?
Auf Initiative unseres Schwesterverbands in der Romandie haben wir 2013 eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben. Danach erwirtschaftet die Werbebranche jährlich einen Umsatz von rund 7,6 Milliarden Franken und beschäftigt 22'000 Menschen. Man darf aber nicht vergessen, dass die Werbung auch Arbeitsplätze in ganz anderen Branchen ermöglicht.

Wie hat sich der Euroschock auf die Werbebranche ausgewirkt?
Unsere Branche ist durch grosse ausländische Agenturen gefährdet, die ihren Hauptsitz ausserhalb der Schweiz haben und hierzulande keine Arbeitsplätze schaffen. Es war für mich stossend, dass selbst halb private Bundesbetriebe wie die Swisscom von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, indem sie eine deutsche Agentur berücksichtigten. Der hohe Frankenkurs beschleunigt diese Entwicklung zusätzlich.

Haben Sie politisch dagegen interveniert?
Nein, das wäre auch der falsche Weg gewesen. Schlussendlich sind wir ein liberaler Staat, und jeder kann machen, was er will.

Anders gefragt: Wie wollen Sie die Nachteile des Euroschocks beheben?
Wir müssen kreativer, effizienter und wohl auch kostengünstiger werden. Ich glaube, in diesem Bereich hat es doch noch ungenutztes Potenzial.

Das heisst, die Werbung in der Schweiz ist zu teuer?
Es gibt immer zwei Komponenten: einerseits die Kreation, andererseits die Werbeträger. Die meisten Medien in der Schweiz sind auf nationale Werbung angewiesen – ausgenommen die Lokalzeitungen sowie die Lokalradios und die Lokal-TV-Sender. Problematisch sind für mich die ausländischen Werbefenster, durch welche ein grosser Teil der TV-Werbegelder ins Ausland abfliesst, ohne dass dabei unsere Industrie profitieren würde.

Intervenieren Sie dagegen?
Wir sind mit dem Europarat und der zuständigen Kommission für grenzüberschreitendes Fernsehen im Gespräch. Trotzdem kann ein liberal denkender Mensch nicht bei jedem Problem sogleich nach neuen Gesetzen rufen. Und – bezüglich der Werbefenster – sind die Chancen für eine Änderung doch sehr klein. Dank des Internets ist es heute nicht mehr möglich, die Einspeisung ausländischer TV-Sender zu verhindern.

Wie schätzen Sie eigentlich die Rolle von Google und Youtube für den hiesigen Werbemarkt ein?
Das ist eine Riesengefahr. Jährlich entziehen beide Medien dem Schweizer Werbemarkt rund 550 Millionen Franken, das sind rund zwei Drittel der ganzen Schweizer Onlinewerbe einnahmen; gigantische Summen, die man auf den ersten Blick gar nicht realisiert. Die Technologie ermöglicht heute, global zu agieren, aber auch auf die Bedürfnisse der lokalen Kunden einzugehen. Diese Entwicklung hätte vor zehn, fünfzehn Jahren niemand vorausgesehen. Deswegen plädiere ich nochmals für eine nationale Werbeplattform, an welcher alle Player beteiligt sind. Dieser Kleinkrieg, wie er momentan zwischen der SRG und den Verlegern geführt wird, ist für unsere Sache nur hinderlich. Vielmehr sollte man einen Konsens im Interesse aller Medien finden.

Warum braucht es neben bsw, ASW, SWA, ADC und all den anderen Werbeverbänden überhaupt noch SW Schweizer Werbung?
Jeder dieser Verbände vertritt eine ganz spezifische Sparte. Als Dachverband bündeln wir alle Richtungen und vertreten die ganze Branche, trotz ihrer divergierenden Interessen. Selbstverständlich sitzen bei uns die SRG und die Privaten am gleichen Tisch. Manchmal kommt es – und das ist einer Demokratie selbstverständlich – zu Diskussionen, wie zuletzt beim Positionspapier zur Internetwerbung der SRG.

Wie gehen Sie dabei vor?
Manchmal muss man einen Schritt zurück machen, um eine Einigung zwischen den verschiedenen Akteuren herbeizuführen. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Unser Vorstand, der sich aus CEOs und obersten Kadern unserer Mitglieder zusammensetzt, ist sich im Klaren, dass man bei SW Schweizer Werbung Partikularinteressen zu Hause lassen muss. Wir sind uns andererseits in vielen Bereichen einig. So setzen wir uns auch für die Ausbildungsmöglichkeiten innerhalb der Branche ein und sind Hauptträger der Stiftung für die Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation. Dieses Selbstregulierungsorgan trägt sehr viel zum guten Image der Werbung bei. Dank der Lauterkeitskommission können in vielen Streitfällen aussergerichtliche Lösungen gefunden werden. Das erspart den teuren und zeitraubenden Gang vor ein Gericht.

Interview: Matthias Ackeret


Filippo Lombardi ist Verwaltungsratsdelegierter von TeleTicino und Radio 3iii. Er studierte Recht und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und war von 1979 bis 1991 Unterassistent für kanonisches Recht. Von 1981 bis 1987 war Filippo Lombardi zudem Generalsekretär der EJCD (Europäische Junge Christdemokraten), der heutigen YEPP, in Brüssel. Zwischen 1987 und 1996 war er Direktor der Tessiner Tageszeitung Giornale del Popolo in Lugano, und seit 1996 ist er Gründer, Direktor und Administrator des Privatfernsehens TeleTicino. 1999 wurde er in den Ständerat gewählt, den er 2013 präsidierte. 2001 wurde Lombardi Präsident von Telesuisse (Verband der Schweizer Privatfernsehsender). Seit 2009 ist Lombardi Verwaltungsratspräsident des Eishockeyclubs HC Ambrì-Piotta, seit 2010 steht er dem Verband Schweizer Werbung vor. Zudem ist der 59-jährige Lombardi Präsident der CVP-Fraktion in der Bundesversammlung.

Das vollständige Interview lesen Sie in der "persönlich"-Sonderausgabe zum 90-Jahr-Jubiläum des Verbands Schweizer Werbung SW.



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