13.06.2015

Unadressierte Werbung

Der Fluch des Stopp-Werbe-Klebers

Die Hälfte aller Schweizer Haushalte wünscht keine Werbung im Briefkasten.
Unadressierte Werbung: Der Fluch des Stopp-Werbe-Klebers

Verstopfte Briefkästen und stapelweise Altpapier. Jeder zweite Haushalt schützt sich mittlerweile mit einem Stopp-Werbung-Kleber gegen die Papierflut. Für die Post eine schwierige Situation. Sie verliert mit den Massensendungen eine wichtige Einnahmequelle.

Wie der "Blick" am Donnerstag berichtete, hat sich die Post deshalb vorgenommen, die Anzahl Briefkästen mit Stopp-Werbung-Klebern um ein Prozent zu senken. Sie hat zu diesem Zweck ihre Briefträger damit beauftragt, Kunden mit entsprechenden Schildern davon zu überzeugen, diese wieder zu entfernen. Unter den Mitarbeitern herrsche mittlerweile ein richtiggehender Wettbewerb, wer die meisten Briefkästen von den unliebsamen Klebern befreien kann.

Reto Brotschi, Leiter Direktmarketing Post

Reto Brotschi, Leiter Direktmarketing bei der Post, weist die Vorwürfe zurück, dass man Empfänger nötige, ihre Stopp-Kleber wegzunehmen. Trotzdem sieht er ein Problem: "Es gibt Haushalte, die die Schilder nicht selber angebracht haben." Oft würden diese vom Vormieter unbewusst übernommen oder die Briefkästen seien beim Einzug in Neubauten bereits damit ausgerüstet. "Als Post möchten wir die Empfänger sensibilisieren, dass diese Entscheidung bewusst getroffen wird", so Brotschi. Er gibt zu bedenken, dass das Risiko langfristig bestehe, dass Werbetreibende auf andere Kanäle wechselten. Für ihn ist klar, dass unadressierte Sendungen für die Post nicht nur rein finanziell wichtig sind. Sie würden auch die Auslastung im Betrieb und somit die Arbeitsplätze sichern.

"Werbe-Skeptiker" sind weniger aufgeschlossen

Bei der Post macht man sich im Moment jedoch noch keine grossen Sorgen: "Der Markt für unadressierte Werbesendungen ist in den letzten Jahren relativ stabil geblieben und bewegt sich bei knapp zwei Milliarden Sendungen pro Jahr", sagt Brotschi. Auch die Umsätze der verschiedenen Verteilorganisationen seien im Vergleichszeitraum bei etwa 228 Millionen Franken geblieben.

Konsumenten mit Stopp-Werbung-Klebern werden von der Werbebranche als ganz spezielles Klientel angesehen, sie sind sozusagen "Werbe-Skeptiker". So hat eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK Switzerland ergeben, dass Personen mit entsprechenden Schildern gegenüber Werbung weniger aufgeschlossen sind als diejenigen, welche sich nicht an unadressierten Werbesendungen stören. So schalten "Werbe-Skeptiker" beispielsweise bei Fernseh- oder Radiowerbung schneller um und interessieren sich auch weniger für andere Werbemittel wie Inserate oder Beilagen in Zeitungen.

Die Mehrheit beachtet Massensendungen nicht

Doch auch wenn Massensendungen den Weg vorbei an den Stopp-Klebern finden, stellt sich die Frage: Landet die Werbung gleich im Altpapier oder wird sie tatsächlich beachtet? Auch hierüber gibt die im letzten Jahr erstellte Studie Auskunft: Obwohl die Briefkasten-Werbung explizit erwünscht ist, schaut sich die Mehrheit (53 Prozent) die Reklame nur teilweise (28 Prozent) oder gar nicht an (25 Prozent).

Der Frage, wieso Massensendungen die Mehrheit nicht ansprechen, geht die Studie nicht weiter nach. Sie beschäftigt sich stattdessen mit den übrigen 47 Prozent, welche die Massensendungen im Briefkasten auch wirklich anschauen. Sie geben an, die Zusendungen aus Interesse oder wegen dem Informationsgehalt anzuschauen. Jeder Dritte sucht in den Katalogen auch nach attraktiven Schnäppchen. Trotzdem nutzt  nur rund ein Fünftel die Informationen aus den unadressierten Werbesendungen tatsächlich auch beim Einkauf.

Dennoch glaubt die Post weiterhin an die Massensendungen als probables Werbemittel und bezieht sich auf die obig genannten Zahlen. "Ich wage sogar die Behauptung, dass mit zunehmender digitaler Überflutung die Wirkung physischer Sendungen noch zunehmen wird. 50 Prozent der Haushalte haben bewusst keinen Kleber", so Brotschi. Für die Werbetreibenden bedeute dies weniger Streuverluste - und damit Kosteneinsparungen.

Text: Nicolas Brütsch, Bilder: Keystone, z.V.g.



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