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Medienclub mit falschen Gästen

Michèle Widmer

Am Dienstagabend zeigte SRF 1 den ersten neuen "Medienclub" mit Franz Fischlin (zur Sendung). Der Moderator hatte vier Plätze zu vergeben und entschied sich für "Watson"-Gründer Hansi Voigt, "Blick am Abend"-Chefredaktor Peter Röthlisberger, die frühere Journalisin Monica Fahmy und den Autor Pedro Lenz. Das Thema der Runde: Wie beeinflusst die Messbarkeit der Leserinteressen die Themensetzung in den Redaktionen?


Es hätte eine spannende Sendung werden können. Jedoch schaffte es die Runde nicht, die Diskussion über das Thema Leserkommentare hinauszuführen. Satte 75 Minuten lang sprach Fischlin mit seinen Gästen darüber, wie tief unterhalb der Gürtellinie die Diskussionen in den Kommentarspalten ablaufen, und wie die Redaktionen damit umzugehen haben. "Hier sitzen die falschen Köpfe in der Runde", dachte sich, wer die Diskussion als Mitglied der Branche vor dem Fernsehen verfolgte. Eine bessere Besetzung hierbei wären wohl die Community-Manager der Onlineportale gewesen.

Für die Journalisten unter den Zuschauern - mit grosser Wahrscheinlichkeit der Löwenanteil - waren die Aussagen vor der Kamera zu banal. Zu oft schon wurde am Problem mit den Leserkommentaren herumgekaut. Während der Sendung gab es Lichtblicke, die hoffen liessen, dass die Diskussion bald einen Schritt weiter geht. Es war meistens dann, wenn "Watson"-Chef Voigt zu Wort kam. Und erfüllt wurden sie nicht.

Vor Langeweile retteten sich die Journalisten schliesslich in den Second Screen. Auf Twitter sorgte die Sendung stark für Gesprächsstoff. 345 Tweets gingen innert weniger Stunden allein unter #medienclub raus. Auch unter #srfmedienclub wurde kräftig getwittert. Kommentiert wurden einzelne Aussagen der Gäste, das neue Logo der Sendung oder auch Franz Fischlins Mundart-Moderation.

Moderator Fischlin trat gut vorbereitet vor die Kameras. Auch nach der Sendung wirft allerdings seine Auswahl der Gäste Fragen auf. Mit Pedro Lenz und Monica Fahmy waren zwei von vier Gästen nicht oder nicht mehr im Journalismus tätig. Vielleicht auch deshalb gelang es Fischlin nicht, die Diskussion in die richtige Bahn zu lenken.

Zugute halten muss man dem 52-Jährigen, dass er stets das grosse Publikum vor Augen hatte und versuchte die abstrakte Diskussion anhand von konkreten Beisipielen zu veranschaulichen. Ob ihm dies, mit Blick auf den durchschnittlichen SRF-Zuschauer gelang, ist fraglich. Denn mal ehrlich: Wen ausserhalb des Journalistenzirkus interessieren Onlinemedien und ihre Leserkommentare?

Die Chance, dass Fischlins Hoffnung - Zuschauer auf "Club"-Niveau, sprich ein Marktanteil von 15 bis 20 Prozent - erfüllt wird, ist klein. Es wäre jedoch wünschenswert, denn der erneute Anlauf von SRF, ein festes Gefäss für Medienthemen ins Programm aufzunehmen, ist vorbildlich.


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