30.03.2016

Anne Schüller

«Menschenkenntnis führt gerade in digitalisierten Zeiten zum Ziel»

Anne Schüller, Expertin in der kundenorientierten Unternehmensführung, hat ihr bereits drittes Buch herausgegeben. Im Interview mit persoenlich.com spricht sie über Touchpoint-Management und die Erfolge jenseits von Algorithmen und Big Data.
Anne Schüller: «Menschenkenntnis führt gerade in digitalisierten Zeiten zum Ziel»
von Sonja Gambon

Frau Schüller, bereits jetzt kann man Ihnen zum Erfolg Ihres Buches gratulieren: Es stand zwischenzeitlich bei Amazon auf Platz eins, sowohl in der Kategorie Werbung als auch in der Kategorie Kundenmanagement, obwohl es noch gar nicht veröffentlich ist. Wie erklären Sie sich das?
Danke. Ich denke, das Buch trifft einen Puls der Zeit. Erstens wird die gesamte Kommunikation emotionaler. Wohl jeder hat inzwischen verstanden, dass man seine Kunden «berühren» muss, um ein «Habenwollen» auszulösen. Teil eins des Buches bietet da eine Fülle von Material. Zweitens rückt das Touchpoint-Management immer mehr in den Mittelpunkt der Marketing-Strategie. Eine Touchpoint-Analyse und das Sichtbarmachen von Customer Journeys ist in vielen Unternehmen längst Pflicht. Neueste Erkenntnisse dazu bringt Teil zwei meines Buchs. Drittens steht alles Digitale derzeit im Fokus. Wohin die digitale Reise geht und was im Rahmen der Kommunikation dabei zu beachten ist, darum geht es im Einblick und insbesondere auch in Teil drei.

Wie unterscheidet sich die Weiterführung von den anderen Touchpoint-Büchern, die sie bisher geschrieben haben?
Im ersten Buch meiner Trilogie, «Touchpoints», wird der gesamte Prozess des Touchpoint Managements erstmals ausführlich beschrieben, und zwar in vier Schritten. Dies wird eingebettet in die Social-Media-Welt, die das Kaufverhalten der Kunden völlig verändert und die Machtverhältnisse zwischen Anbieter und Kunde auf den Kopf gestellt hat. Bei der Arbeit mit diesem Konzept ist mir allerdings klargeworden, dass die wahren Blockaden für einen Mangel an Kundenorientierung meistens drinnen im Unternehmen liegen. Deshalb habe ich im zweiten Buch, «Das Touchpoint-Unternehmen», das Modell des Touchpoint Management auf interne Prozesse übertragen. Und das funktioniert erstaunlich gut. Nicht ohne Grund spricht man ja auch von internen Kunden.

Was ist die Hauptaussage des Buches, was soll «Touch. Point. Sieg» vermitteln?
Die digitale Transformation verändert unsere Business-, Lebens- und Arbeitswelt unfassbar schnell. Die kundenbezogene Kommunikation ist davon besonders betroffen. Alles muss nun zwangsläufig digital erweitert werden. Doch am Ende, und das ist meine Conclusio, finden die wahren kommunikativen Erfolge jenseits von Big Data und Algorithmen statt. Nicht Analytics und Mathematik, sondern Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen führen gerade in durchdigitalisierten Zeiten zum Ziel.

Was waren Ihre eigenen grössten Learnings beim Verfassen des Buches?
Digital, konnektiv, kollaborativ, disruptiv und agil: So lauten die Zauberworte der Zukunft. Die Digitalisierung ist dabei nicht nur eine technologische Herausforderung. Sie benötigt auch Innovationen in der Art und Weise, wie wir unsere Unternehmen managen und mit Kunden kommunizieren. Während allerdings die Old Economy weiterhin umständlich plant, endlos über Budgets debattiert und langwierige Entscheidungswege abarbeitet, rennt die Gründergeneration einfach mal los. «Welche Branche hacken wir denn diese Woche», so lautet der Schlachtruf der digitalen Bohème. Suchend, Fehler machend und fröhlich findend läuft sie den Etablierten davon. Längst hat sie nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern auch neue Organisations- und Finanzierungsmodelle geschaffen. So sehen einer empirischen Studie zufolge bei den Start-ups 80 Prozent das Marketing als Aufgabe der Führung an, in Konzernen und im Mittelstand tun dies nur 20 Prozent.

Was muss sich Ihrer Meinung nach im Bewusstsein der Marketer für eine erfolgreiche Kommunikation ändern?
Unternehmen optimieren vor allem für sich selbst - aber nicht für den Kunden. Der soll sich gefälligst in die festgelegten Abläufe fügen, mit den für ihn vorbestimmten Mitarbeitern reden und seine Angaben in die dafür vorgesehenen Formulare eingeben. Früher haben die Kunden das murrend ertragen. Doch diese Zeiten sind endgültig vorbei. Wer die Zukunft noch vor den jungen Wilden erreichen will, muss sein Geschäftsmodell nicht nur digitalisieren, er muss auch strikt vom Kunden her denken und handeln. Wenn es klemmt, ziehen sie schleunigst von dannen. Und im Web erzählen sie gnadenlos allen, warum das so ist.

Immer mehr Unternehmen betreiben ihre eigene Kommunikationsabteilung, gerade auch im Social-Media-Bereich. Was bedeutet das für Medien- und PR-Agenturen?
Online-Netzwerke verstärken immer, was in sie eingespeist wird. Und sie intensivieren die Persönlichkeit eines Unternehmens - im Guten wie im Schlechten. Die Transparenz ist inzwischen so gross, dass unethisches Verhalten auf Dauer teurer ist als ethisches. Vor diesem Hintergrund sollten beim Erklimmen immer höherer technologischer Level auch immer höhere ethische Level angestrebt werden. Die zunehmende Digitalisierung beinhaltet allerdings eine grosse Gefahr: dass nämlich überall da, wo Technokraten das Sagen haben und Zahlenmenschen regieren, die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt. (sg)



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