03.01.2005

"Unser Krisenmanagement hat funktioniert"

Wie rasch und effektiv reagierten Schweizer Reiseveranstalter auf die Flutkatastrophe in Südostasien? Bereits wenige Stunden nach den ersten Flutwellen habe sein Unternehmen einen 15-köpfigen, ausserordentlichen Krisenstab formiert, sagt Hanspeter Nehmer, Kommunikationschef von Hotelplan. Er erklärt gegenüber “persoenlich.com“, mit welcher Kommunikationsstrategie sein Unternehmen die Krise bewältigen will. Das Interview:
"Unser Krisenmanagement hat funktioniert"

Herr Nehmer, wie ist es überhaupt möglich, in einer so katastrophalen Situation wie dem Seebeben noch zu kommunizieren?

Hotelplan besitzt zusammen mit Belair ein zweistufiges Krisenbewältigungsmodell. Zum einen verfügen wir über eine permanente Pikettorganisation, die rund um die Uhr besetzt ist und sich um Kunden kümmert, die im Ausland Probleme haben. Bahnt sich eine grössere Krise an, wird bei uns ein Stab alarmiert, der sofort aktiv wird. Die Unternehmenskommunikation ist dabei Teil dieses Krisenstabs und funktioniert nur, wenn man über ein Netzwerk verfügt, das einen steten Informationsfluss gewährleistet. Zudem muss ein Kommunikationskonzept vorhanden sein, das schon vorgängig definiert worden ist. Nur wer sich im Voraus konzeptionell mit dem Krisenszenario auseinander gesetzt hat, kann eine solche Situation meistern. Wir haben unser Kommunikationskonzept vor zwei Jahren geschrieben. Nun ist es leider zur Anwendung gekommen.

Wie haben Sie vor Ort gearbeitet?

Unser Krisenstab wurde schon um 5.30 Uhr darüber alarmiert, dass sich eine Katastrophe anbahnt. Bereits um neun Uhr haben fünfzehn Personen im Krisenstab gearbeitet. Um zehn Uhr hat die Sonderausgabe der Tagesschau angerufen und uns in einer Liveschaltung gefragt, welche Informationen uns vorliegen.

Wie gelangten Sie an die Informationen?

Ich verfügte über Verbindungen zur Reiseleitung vor Ort im Krisengebiet. So stand ich etwa in Kontakt mit einem Hotelier auf den Malediven. Während sich in Sri Lanka kaum Gäste von uns befanden, verfügen wir in Phuket über eine eigene Reiseleitung mit zusätzlicher Verstärkung in Bangkok, die uns mit Informationen versorgte. Aufgrund dieser Kontakte und der laufenden Update-Meetings im Krisenstab war ich von Beginn an gut informiert über den Stand der Dinge.

Wo lagen Ihre grössten Probleme?

Unser Problem war, dass die Kommunikationsmittel in Phuket anfangs nicht funktionierten. Wir waren deshalb auf Informationen angewiesen, die über Bangkok aus den Krisengebieten weitervermittelt wurden.

Welche Erfahrungen machten Sie bei Medienanfragen?

Ich habe schon einige Krisen erlebt, aber das Seebeben in Asien übertrifft punkto Medienintensität alles, was ich bisher erlebt habe. Allein in den ersten drei Tagen verzeichneten wir rund 1000 Medienanfragen! Nur wer über ein Team verfügt, das zusammenhält und funktioniert, kann diese Flut bewältigen. Meine oberste Pflicht war es, rasche, aber vor allem auch gesicherte Informationen herauszugeben. Da es sich oft um sehr sensible Daten handelte, die nicht immer zum gegebenen Zeitpunkt kommuniziert werden konnten, waren wir dabei auf das Verständnis der Medienvertreter angewiesen. Unsere langjährige Beziehungspflege zu den Medien kam uns hier entgegen.

Viele direkt betroffene Touristen in Thailand kritisierten, sie seien lange Zeit sowohl vom Bund als auch vom Reiseveranstalter völlig allein gelassen worden...

Ich kann mit guten Gewissen sagen, dass das Krisenmanagement von Hotelplan funktioniert. Selbstverständlich kamen gewisse Dinge vor, die verbesserungswürdig sind. Doch muss ich festhalten, dass sich alle Betroffenen in einer aussergewöhnlichen Situation befanden. Dies gilt auch für unsere Reiseleiter vor Ort, die rund um die Uhr versuchten, mit Gästen in Kontakt zu treten. So hat einer unserer Reiseleiter seine Frau verloren und trotz allem weitergearbeitet. Zudem haben Kommunikationsmittel nicht funktioniert. Angesichts dessen kann man nicht erwarten, dass gewisse Dinge nicht optimal laufen.

Wie eng war die Zusammenarbeit mit dem Bund und den Botschaften vor Ort?

Wir verfügten über ein Kommunikationsdispositiv zusammen mit dem EDA, zugleich war auch Belair von der Situation betroffen, so dass wir mit dem Flughagen Unique in Kontakt treten mussten. Und selbstverständlich fand auch mit anderen Reiseveranstaltern ein Austausch statt.

Mit dem Seebeben rückt eine zusätzliche Gefahrendimension ins Bewusstsein der Touristen. Werden Sie gezielt via Kommunikation versuchen, den Touristen diese Furcht zu nehmen?

Es ist noch zu früh, um diese Frage zu beantworten. Wie stark und nachhaltig das Bewusstsein unserer Kunden durch das Seebeben beeinflusst wird, können wir nicht sagen. Aus meiner Erfahrung glaube ich aber, dass die Furcht in aller Regel temporär und kurzfristig ist. Wer aber Angst hat, dem können wir sie nicht nehmen, das müssen wir respektieren.



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